Kapitel 21- Und nun?

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Am nächsten Morgen, der Montag zu einer neuen Woche, stand alles Kopf. Und das nicht nur in meinem Kopf, sondern auch die Position, in der ich geschlafen hatte. Natürlich meinte ich damit nicht, dass ich wortwörtlich im Kopfstand geschlafen hatte, aber als ich an diesem Morgen aufwachte, lag ich in einer Position auf meinem Bett, die einem etwas deformierten, meditierenden Buddha nah kam. Jedoch mit dem klitzekleinen Unterschied, dass meine Beine nicht so, wie es sich für gewöhnlich gehörte, auf dem Boden, oder in diesem Fall auf dem Bett ruhten, sondern an der Wand. Dementsprechend ''entspannt'' waren dann auch meine Muskeln, als ich aufstand. Und genauso ''entspannt'' war mein Kopf, in dem sich noch alles um das Gespräch drehte, das sich gestern mit Phichit geführt hatte. Während ich noch immer auf meinem Bett saß, presste ich mein Kissen fest an meinen Körper und vergrub mein Gesicht darin. Seit gestern war mir klar, dass ich in Viktor verliebt war. Also anscheinend jedenfalls. Ehrlich gesagt hatte ich es selbst noch nicht wirklich realisiert. Zu sagen, dass ich in ihn verliebt bin, war ziemlich einfach, aber das Gefühl dafür zu kriegen, fiel mir umso schwer. Wahrscheinlich würde ich mich mit der Zeit einfach an dieses Gefühl gewöhnen müssen. Immerhin war es das erste Mal, dass ich mich in jemanden verliebt hatte. Und der Fakt, dass wir beide vom gleichen Geschlecht waren, machte die Sache noch ein bisschen schwerer zu schlucken. Wenn auch nicht gravierend. Grübeln hin oder her, nichts änderte etwas daran, dass ich zur Schule musste, also machte ich mich schweren Mutes auf, mich anzukleiden.

Während der Dezember sich langsam bemerkbar machte, vergingen die Tage nach und nach und der Winter zeigte sich immer mehr . Und so konnte man jedes Mal, wenn man ausatmete, seinen Atem in Form einer kleinen, weißen Wolke sehen, die sich sofort im Nichts auflöste. Das galt natürlich nur vorausgesetzt dafür, dass man, anders als ich, keinen Mundschutz trug. Im Sommer oder Herbst musste man hier in Hasetsu nicht wirklich einen tragen, da die Luft hier ziemlich sauber war, aber da ich die kalte Luft nicht wirklich gut leiden konnte, war ein Mundschutz eine alternative Methode, sie im Gesicht wenigsten ein bisschen zu umgehen. Und so trottete ich still meinen gewohnten Weg zur Schule entlang. Die Bäume hatten mittlerweile so gut wie ihr gesamtes Blätterkleid verloren und nur ein paar einzeln hartnäckige Blätter klammerten sich noch immer an ihrem jeweiligen Ast fest. Jemand tippte mir leicht auf die Schulter.
,,Morgen, Mister Morgenmuffel. Ziemlich ungewöhnlich dich zusammen mit anderen den Schulweg teilen zu sehen.''
,,Ah, morgen Phichit.'' Er stellte sich neben mich und wir liefen ein Stück zusammen. Ich fühlte, wie er mich grinsend anschaute.
,,Denkst du noch immer über gestern nach?'' Ich nickte.
,,Das war ja klar. Aber wer kann es dir übel nehmen. Immerhin bist du ver~li~iebt.''
,,Ph-Phichit jetzt sei doch nicht so laut, sonst hört dich noch jemand.'' Beschämt versuchte ich ihn dazu zu bringen, nicht die ganze Schule darüber zu informieren, aber er winkte lachend ab. Für ihn schien es wahrscheinlich kein so großes Ding zu sein, aber ich hatte wirklich keinen blassen Schimmer, wie ich mit der Situation umgehen sollte.
,,Keine Angst, Yuuri. Ich mach doch nur Spaß. Aber ehrlich, wenn du einen Ratschlag brauchst, kannst du gerne rüber in meine Klasse kommen. Ich renne nicht weg.'' Das beruhigte mich schon ein bisschen, da Phichit sich mit solchen Sachen besser auskannte als ich, aber trotzdem stellte sich mir die Frage, wie ich mich von nun an in Viktors Gegenwart benehmen sollte. Anders, oder doch lieber so, wie immer? Vielleicht sollte ich ihm aber auch für eine Weile aus dem Weg gehen, um meine Gedanken besser ordnen zu können. Oder wenigstens nur für heute,ansonsten würde Viktor sich auf den Schlips getreten fühlen und das wollte ich natürlich nicht.
,,Was macht dir nur so viel Spaß daran, mich zu ärgern?'' Darauf antwortete er mir nichts und schenkte mir nur ein verstohlenes Lächeln. Ehrlich, ich hatte schon längst aufgehört zu verstehen, was in Phichits Kopf vorging.
,,Tja, ich geh dann mal vor, immerhin will ich ja nicht stören. Wir sehen uns nachher. Und viel Glück.'' Fragend neigte ich meinen Kopf zur Seite.
,,Stören, wobei?'' Doch ich sah nur noch, wie Phichit mir zuwinkte und hinter der Masse verschwand, um gleich darauf zu spüren, wie sich etwas Schweres auf meinen Schultern nieder lass.
,,Dasvidanya, Yuuri. Hast du mich vermisst?''
,,Uwaaah, wa-wa-wa-was? Viktor?!'' Hektisch und überrascht von seinem plötzlichen Auftreten, machte ich einen großen Schritt nach vorne und zog mich unter Viktors Armen hinaus, was dazu führte, dass das Gewicht, das er gerade noch auf meinen Schultern platziert hatte, ihn so zum Taumeln brachte, dass er fasst hinfiel.
,,Mensch Yuuri, was sollte das?'' Er blies seinen Wangen auf, wie es ein beleidigtes Kind tat, was, zugegeben, ziemlich niedlich aussah.
,,Ah, s-sorry Viktor. Ich hab mich nur erschreckt.'' Brachte ich stammelnd hervor. Nun standen wir da, ohne irgendetwas zu sagen. Viktor starrte mir mit seinem üblichen Hundeblick in die Augen ohne eine einzige Grimasse zuziehen. Es war so, als hätte wir im Stillen beschlossen, hier und jetzt '' wer zuerst weg guckt verliert'' zu spielen. Aber dieser Moment dauerte nur solange an, bis mein Hirn seinen Denkprozess beendet hatte. Und dieser verfolgte den Ablauf, dass ich mich noch vor ein paar Minuten eigentlich dazu entschlossen hatte, Viktor für heute aus dem Weg zu gehen, um meine Gefühle für ihn in die Reihe zu kriegen und ich trotz dessen, obwohl ich noch nicht einmal in der Schule angekommen war, ihn schon als erstes am Morgen sah und somit mein ganzer Plan futsch war. Und noch dazu kam, dass ich nicht wusste, wie ich mich geben sollte und aufgrund dessen mitten in unserem stillen Abkommen hochrot meinen Blick von ihm ab wand.
,,Ahaha, Yuuri, was ist los? Du bist plötzlich so rot. Hasst du mich übers Wochenende wirklich so sehr vermisst, dass du vor Scham rot wirst?'' Witzelte mein Gegenüber. Natürlich war es unnötig zu erwähnen, dass dieser Kommentar das Ganze nicht gerade besser machte.
,,E-Es ist nichts. Lass uns lieber gehen, sonst kommen wir noch zu spät.''
,,O~kay.'' Sang er fröhlich vor sich hin und begann neben mir her zu laufen. Sein langes, silbernes Haar flatterte im Wind leicht vor sich hin und ich kam nicht drum herum, ihm im Geheimen ein liebevolles Lächeln zu zuwerfen während ich glücklich war, ihn um mich herum zu haben. Wahrscheinlich war es tatsächlich unmöglich, Viktor für auch nur einen Tag aus dem Weg zu gehen. Tja, dass hieß dann wohl, ''Plan gescheitert, bevor er überhaupt begonnen hatte.''

Yūri! in SchoolWo Geschichten leben. Entdecke jetzt