7 ~ Jahr 2

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So ungewöhnlich wie es auch klang, es war eine Tatsache, dass Sirius Black sich die nächsten Tage öfter in der Bibliothek blicken ließ als sein Freund Remus Lupin. Es verstand sich von selbst, dass niemand überraschter deswegen war als seine drei besten Freunde, doch er stand dazu. Er recherchierte. Nicht für seine Schulfächer, nein, sondern über Werwölfe. Auch die anderen beiden fanden, es gehörte sich nicht, dass sie kaum etwas über Werwölfe wussten, wenn ihr bester Freund doch einer war, aber sie fragten ihn einfach. Und Remus Lupin antwortete, also hatten sie alle nötigen Antworten. Doch das war nicht der einzige Grund, warum er Bücher wälzte und sich die Nächte um die Ohren schlug. Als wieder Vollmond war und Remus gerade den Gemeinschaftsraum der Gryffindors verlassen hatte, hielten es James Potter und Peter Pettigrew nicht mehr aus. Sie löcherten Sirius so lange, bis er mit der Wahrheit herausrückte. Wider seiner Erwartungen machten sich seine beiden Freunde nicht über ihn lustig, stattdessen griffen sie jeweils wortlos nach einem der vielen Bücher, die neben Sirius auf der Couch lagen, und lasen. Bis spät in die Nacht.

Lily Evans konnte ihren Augen nicht trauen, als sie von ihren Hausaufgaben aufsah und James Potter mit einem Buch in der Hand erblickte. Ein richtiges Buch. Um sicherzustellen, dass ihre Augen sie nicht trügten, setzte sie sich sogar freiwillig neben ihn und versuchte unauffällig den Titel des Buches zu lesen. Als James das bemerkte, verdeckte er schnell den Bucheinband mit seinem Umgang und lächelte Lily entschuldigend zu. Diese verdrehte nur die Augen und verschwand wieder hinter ihrem Berg von Hausaufgaben.

Zum ersten Mal war James Potter nicht enttäuscht, als sie sich abwandte, sondern einfach nur erleichtert. Er wollte nicht schuld daran sein, dass Remus' gut behütetes Geheimnis plötzlich in andere Hände gerät, Hände, die nicht der Werwolf selbst ausgewählt hatte.

Seit diesem Abend hatte sich einiges geändert. Die drei Jungs saßen zusammen in der Bibliothek, mehr Bücher übereinander gestapelt, als je zuvor. Remus war verwirrt. Er war immer derjenige, der gerne las, einfach um der Realität zu entgehen. Seine Freunde hatten das nie verstanden und auch jetzt schienen sie nicht besonders froh über die ganze Menge an Büchern zu sein, die sich vor ihnen auftürmte.

Doch er schaffte es nie, einen Blick auf die Einbände zu werfen. Das verwirrte ihn noch mehr. Er wusste, dass seine Freunde ihm etwas verheimlichten, aber er verstand nicht, wieso. Remus selbst war doch ehrlich gewesen, und keiner von ihnen hatte etwas negatives über seine Lykantrophie gesagt, warum verschwiegen sie ihm etwas?

In Gedanken versunken saß er im Gemeinschaftsraum der Gryffindors und starrte ins wärmende Feuer; da es draußen ziemlich kalt geworden war. Seine drei Freunde waren in der Bibliothek und wollten ihn nicht dabei haben, das hatte er gespürt. Also war er im Turm geblieben und starb vor Langeweile. Und zerbrach sich den Kopf darüber, was seine Freunde ausbrüteten.

"Remus Lupin, ganz allein, ohne seine Freunde?"

Ohne zu fragen nahm Lily neben ihm Platz. Ihre Worte klangen weder spöttisch noch mitleidig, sie sprach einfach Tatsachen aus. In Form einer Frage. Die Remus nicht beantworten wollte. Deswegen zuckte er mit den Schultern und versuchte, Lily entschuldigend zuzulächeln. Diese zögerte, bis sie es schließlich doch aussprach.

"Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht fragen werde. Aber du siehst so aus, als könntest du jemanden gebrauchen, der dir zuhört."

Remus öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch redete sie einfach unbeirrt weiter. "Potter, Pettigrew und Black mögen vielleicht gute Freunde von dir sein, aber wenn ihr Probleme habt und du sie dir von der Seele reden möchtest, wäre eine außenstehende Person nicht schlecht."

Als Remus nicht reagierte, seufzte sie kurz auf und machte Anstalten aufzustehen.

"Wieso bist du so... nett?", hielt Remus sie peinlich berührt auf. Er wusste nicht, wie er die Frage besser formulieren könnte, also fragte er einfach geradeheraus. Das kam für ihn selbst überraschend, doch er beschäftigte sich nicht weiter damit, als Lily lachte.

Mondlicht ~ WolfstarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt