29 ~ Jahr 6

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"FERTIG!", schrien plötzlich alle vier Rumtreiber auf einmal. Sie waren über einen Haufen Pergament gebeugt, den sie schon Jahre mit sich trugen. Und endlich waren sie fertig. Erschöpft ließ sich Sirius nach hinten fallen, sodass seine Haare wild verteilt auf dem Boden lagen.

James lachte auf einmal laut auf. Peter klatsche freudig in die Hände. Remus nahm nur grinsend die Karte in die Hand, um sich davon abzulenken, dass Sirius' Haare mal wieder so toll aussahen.

"Guckt mal", sagte er lachend. "Filchs Katze läuft die ganze Zeit gegen die Wand."

Seine Freunde kamen näher, um sich das anzusehen, und prusteten gleich darauf los. Dabei hatte Sirius seine Hand als Stütze auf Remus Schulter gelegt. Angestrengt versuchte der Werwolf, sich davon abzulenken. Jegliche Art von Körperkontakt, egal wie unschuldig die Geste auch sein mochte, strapazierte seine Nerven bis zum geht nicht mehr.

"Ich glaube, ich geh schlafen, Jungs", meinte er plötzlich und stand auf.

"Waas? Wieso?", quengelte Sirius und sah mit großen Augen zu ihm auf. "Jetzt mit der Karte können wir nachts raus gehen, ohne erwischt zu werden."

Remus verdrehte die Augen. "Klar. Aber nur wenn jemand die ganze Zeit alle Gänge auf der Karte im Auge behält, um vor Patrouillen zu warnen. Und so wie ich euch kenne, wird das keiner von euch sein."

"Du könntest den Part übernehmen?", schlug James unschuldig vor.

"So müde wie ich bin, wird das nicht viel bringen. Außerdem ist morgen Vollmond."

"Spielverderber", schmollte Sirius, aber im nächsten Moment musste er gähnen.

Mit einem Blick darauf gab James zu, dass es vielleicht das Beste wäre, wenn sie heute Nacht nicht mehr rausgehen würden. Ein weiterer Blick auf Peter, der schon friedlich auf dem Boden liegend vor sich hin schnarchte, bestätigte ihn noch.

Murrend gab der junge Black nach und rappelte sich auf. Wie so oft sonst zog sich Remus im Badezimmer um. Danach legte er sich ins Bett, während die anderen beiden Jungs sich fertig machten.

"Maan", hörte Remus irgendwann Sirius' Stimme und er lugte hinter den Vorhängen hervor, nur um zu sehen, wie der Junge wie der aus dem Bett kletterte, und seine Shirt auszog. Augenblicklich schlich sich ein Grinsen auf Remus' Gesicht.

"Was ist los, Tatze?", fragte er spöttisch und setzte sich auf, um eine bessere Sicht zu haben. Graue Augen blitzten ihn an.

"Das warst du?", knurrte er und machte sich an seiner Hose zu schaffen, die im nächsten Moment auf dem Boden landete. Für eine Millisekunde ließ Remus seinen Blick schweifen, dann legte er sich auf den Rücken, schluckte schwer und sah an die Decke.

"Was war ich?"

"Was auch immer das in meinem Bett ist!"

"Ach das", meinte der Werwolf belanglos. "Ja, das nennt man Rache."

Sirius machte ein paar komische Geräusche, sagte aber nichts mehr. Wahrscheinlich dachte er, wie Remus auch, an den Abend, als der Werwolf Rache geschworen hatte. Es war nach den Strafarbeiten gewesen. Lily hatte ihnen zwar die Arbeit abgenommen, aber sie waren noch lange im Schloss rumgelaufen. Länger, als der eigentliche Kontrollgang ging. Aber Remus wusste, es ging gar nicht mehr um die Patrouille. Lily und James waren einfach zu sehr in ihr Gespräch vertieft und Remus war sich sicher, wenn er sich jetzt aus dem Staub machen würde, hätte Lily am nächsten Tag viel zu meckern mit ihm. (Warum auch immer. Er verstand die Logik der Mädchen nicht.) Deshalb kamen die drei Gryffindors auch viel später als die anderen beiden Rumtreiber zurück.

Remus erinnerte sich, wie er leise in den Schlafsaal gegangen ist, um die anderen nicht zu wecken. James war weniger rücksichtsvoll gewesen, aber es hatte sich herausgestellt, dass das keinen Unterschied gemacht hätte. Sobald der Werwolf nämlich mit einem Bein ins Bett geklettert war, fühlte er etwas ekelhaft Schmieriges. Und dann begannen auch schon Peter und Sirius zu lachen.

"Ich habe dich gewarnt", hatte Sirius gesagt, als Remus den Lappen mit zwei Fingern hielt. Angeekelt hatte er ihn weit von sich gestreckt. Mit einem einfachen Wurf landete er im Mülleimer. Für eine Sekunde hatte er in Betracht gezogen, ihn auf seinen besten Freund zu werfen. Aber dann hatte er sich gedacht, dass es bessere Möglichkeiten gibt, es ihm heimzuzahlen.

"Und ich warne dich jetzt", hatte er gesagt und sich dann hingelegt. Natürlich nicht, ohne das Bett zu säubern.

Jetzt spürte Remus, wie sich seine Decke hob, er ein paar Zentimeter zur Seite geschoben wurde und sich jemand neben ihn legte.

"Sonst setz' ich noch das Bett in Feuer", murmelte Sirius und kuschelte sich in Remus' Schulter. Das stimmte sogar. Letztes Mal, als er etwas mit Magie sauber machen wollte, hatte er es in Brand gesteckt. Laut ihm war es nur der Müdigkeit zu verschulden. Der Werwolf hatte jedoch die Theorie, dass er es einfach nicht konnte. Immerhin würde es auch das ständige Chaos um den Jungen herum erklären.

"Gutsche Mscht", nuschelte Sirius noch, bevor seine Atmung schwerer wurde. Es sollte anscheinend so etwas wie 'Gute Nacht' bedeuten.

"Nacht", flüsterte Remus zurück und starrte auf den schlafenden Jungen neben ihm. Dabei fiel ihm auf, dass dieser zwar wieder eine Jogginghose zum Schlafen angezogen hatte, wie er an seinen Beinen spürte, aber kein Shirt. Automatisch verschnellerte sich sein Herzschlag. Er spürte die Wärme, die von Sirius nacktem Oberkörper ausging, an seiner Seite und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. Es war nichts Neues, seine besten Freunde oberkörperfrei zu sehen. Warum konnte er sich einfach nicht zusammenreißen?

Vorsichtig, um den Jungen nicht zu wecken, hob er seine Hand, um die langen Haare aus Sirius' Gesicht zu streichen. Dann starrte er nachdenklich in die Luft. So konnte es nicht weiter gehen. Wirklich nicht. Er musste etwas ändern.

***

Es stellte sich heraus, dass es nicht an Remus lag, etwas zu verändern. Sirius tat es. Keiner konnte sehen, was genau anders war. Aber es war deutlich, dass etwas in Sirius vorging. Eigentlich konnte man sagen, dass er sich wie immer verhielt. Geniale Strriche und nächtliche Ausflüge waren normal. Er lachte immer, machte Scherze und war wie eh und jeh. Dennoch spürten seine Freunde, dass etwas los war. Als sie ihn darauf ansprachen, hatte er nur abgewunken. "Es ist nichts", hatte er gemeint und dann ging es weiter mit den Witzen und Scherzen.

Es dauerte eine Weile, bis es Remus auffiel, aber dann fragte er sich, wie er das so lange hatte übersehen können. Es kamen keine Mädchen mehr. Natürlich versuchten viele, mit Sirius und auch den drei anderen Rumtreibern zu flirten, immerhin waren sie in der ganzen Schule bekannt und auch ziemlich beliebt. Aber Sirius sah die Mädchen nicht mal an. Jetzt, wo Remus darüber nachdachte, lief das schon eine ganze Weile so. Seit den Sommerferien eigentlich.

Irgendwann bemerkte das auch James. Wieder versuchten sie, ein Gespräch mit ihm zu führen und wieder tat Sirius so, als wäre es nichts.

Noch später bemerkte Remus, dass die Veränderung etwas mit ihm zu tun hatte. Seit den Sommerferien war Sirius schon anders ihm gegenüber, aber jetzt auf eine vollkommen andere Art. Eine Art, die er überhaupt nicht einschätzen konnte.

Dadurch dass es ihr Leben an der Schule nicht negativ beeinflusste, gaben die Freunde es irgendwann auf. Innerlich war jeder einzelne von ihnen noch damit beschäftigt, sich zu fragen, was los war, aber äußerlich blieben sie einfach nur die vier Rumtreiber.

Erst im Sommer bekam einer von den dreien eine Antwort von Sirius.

1218 Wörter

Mondlicht ~ WolfstarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt