Kapitel 4

862 24 0
                                    

"Piep, pieeeeep!" War das etwa mein Wecker? War ich wirklich so dumm gewesen, ihn über das Wochenende nicht auszustellen? Es ist Sonntag! Da will ich doch nicht, wie während der Schule, schon um halb 7 aufstehen! Stöhnend drehte ich mich und griff nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch lag. Mein Augen machte ich erst gar nicht auf, ich wollte noch weiter schlafen! Ich drückte etwas auf meinem Handy herum, aber nachdem es nach mehreren fehlgeschlagenen drauf herum drücken immer noch nicht aufgehört hatte zu klingeln, blinzelte ich schließlich, und sah, das mein Bildschirm garkeinen Wecker anzeigte. Also hatte ich ihn doch ausgestellt! Aber woher kam dann das Piepen die ganze Zeit? Ich lauschte einen Moment und merkte dann, dass das Geräusch von draußen kommen musste. Was war denn da los? Ich stand auf und ging neugierig zu meinem Fenster. Ich zog die Vorhänge beiseite und ich sah... ganz genau, GARNICHTS! Alter war das draußen hell! Die Sonne blendete mir so sehr ins Gesicht, dass es einige Sekunden brauchte, bis meine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten. Endlich konnte ich wieder scharf sehen. Mein Blick glitt hinaus aus dem Fenster zu unserem Garten. Alles wie immer. Also wanderte ich mit meinen Augen weiter, an unserem leerstehenden Nachbarhaus vorbei, bis zur Straße. Und da erkannte ich endlich den Mörder meines Schönheitsschlafes. Auf der Straße stand ein riesiger LKW mit der Aufschrift "Umziehen leicht gemacht". Ahh, also ein Umzugs-LKW. Das heißt wir bekommen endlich neue Nachbarn! Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Das letzte Mal, dass wir Nachbarn hatten, war vor circa 1 Jahr und das war leider nur eine alte einsame Frau gewesen, dessen Mann schon verstorben war. Wir haben uns zwar wirklich gut mit ihr verstanden, und Luke und ich konnten uns immer unser Taschengeld aufbessern, indem wir ihr im Hauhalt geholfen haben, aber so Nachbarn in meinem Alter fände ich viel besser! Also hielt ich Ausschau nach den Leuten, die hier einziehen würden. Die müssten hier ja auch irgendwo in der Nähe sein. Mein Blick wanderte also weiter, zur Gartenpforte, den kleinen Kiesweg bis zur Eingangstür entlang... Dort stand ein Junge, das sah ich schon an den schwarzen Klamotten und dem muskulösen Körperbau. Mein Blick wanderte weiter hoch und ich blickte in das Gesicht eines Typen, der etwa mein Alter war, mit dunkelbraunen zerzausten Haaren. Auf seinem Gesicht war ein Lächeln abgebildet und er schaute in meine Richtung. Guckte der Typ gerade mich an? Etwas schüchtern lächelte ich zurück, bis er zuerst auf seinen Körper, dann auf mich und dann einen Daumen nach oben zeigte. Völlig verwirrt von seiner Geste blickte ich an mir herunter. Mir blieb fast das Herz stehen. Das konnte jetzt doch wohl nicht wahr sein! Normalerweise trug ich zum Schlafen einen Pullover meines Bruders. Den hatte ich mir gestern Abend ja auch angezogen. Doch komischerweise sah ich keinen Pullover als ich nun an mir herunterblickte. Ich hatte nämlich nichts an! Naja nichts ist vielleicht ein bisschen übertreiben, aber ich hatte nichts außer Unterwäsche an! Schnell zog ich die Vorhänge wieder zu. Mit hochrotem Kopf setzte ich mich zurück auf mein Bett und vergrub mein Gesicht in meinen Händen! Wieso musste immer mir sowas passieren? Wieso musste ich mir den Pullover genau heute Nacht ausziehen? Ich hätte heulen können. Da bekommt man schon mal einen gut aussehenden neuen Nachbar und muss gleich so verkacken! Was denkt der jetzt wohl von mir? Dass ich so eine Schlampe bin, wie die in meiner Schule, und es geil finde, mich einem Jungen gleich bei der ersten Begegnung halbnackt zu zeigen? Ich beschloss, diesen Vorfall zu vergessen und mich erstmal nicht mehr um unsere neuen Nachbarn zu kümmern. Den Vorhang würde ich jedoch trotzdem den ganzen Tag zulassen. 

Das Einzige, was ich gerade richtig gebrauchen könnte, wäre eine angenehme Dusche. Also ging ich ins Bad und entledigte mich auch meinem BH und meinem Slip, das Einzige, was ich noch trug. Die Dusche war, wie immer, das Beste am Morgen. Ich ließ das warme Wasser über meinen Rücken laufen und entspannte etwas. Nach einer halben Stunde stieg ich aus der Dusche und beschloss mir etwas Frühstück zu machen. Also zog ich mir meine Jogginghose und ein übergroßes Shirt an und ging die Treppen runter, in die Küche. Es war gerade mal halb 8, und es war Sonntag, das hieß, alle würden noch schlafen. Und da heute Sonntag war, würden meine Eltern auch nicht bei der Arbeit sein, und dies würde der einzige Tag der Woche sein, wo die ganze Familie Zuhause wäre. Als beschloss ich, nicht nur für mich, sondern für die ganze Familie ein schönes, großes Frühstück zu machen. Dafür musste ich allerdings erstmal Brötchen holen. Ich zog also meine Adidas Stan Smith an, schnappte mir meine Schlüssel und etwas Geld und verließ das Haus. Der Bäcker ist Gott sei Dank nur eine Straße von unserem Haus entfernt. Also dauerte es nicht lange, bis ich den Bäcker erreichte. Ich trat durch die Glastür und mir wehte sofort ein Geruch von frisch gebackenem Brot entgegen. Innen war es eher leer. Verständlich, es war ja gerade mal 8 Uhr morgens an einem Sonntag. Nachdem ich ein paar Brötchen und Croissants bezahlt hatte, verließ ich den Bäcker mit einer großen Tüte unter dem Arm. Da würde sich meine Familie aber freuen! Gerade als ich die Straßenseite wechseln wollte, hörte ich ein Wimmern. Weinte da etwa jemand? Ich drehte mich um und sah ein kleines Mädchen mit braunen langen Haaren auf einer Bank unter einem Baum sitzen. Sie hielt, ebenfalls wie ich, eine Brötchentüte unter dem Arm und sah weinend auf den Boden. Ich ging zu ihr und setzte mich neben sie auf die Bank.

Die Lücke zwischen Hass und LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt