Eine Stunde später standen wir vor der Schwimmhalle. „Ich lade euch ein!", sagte Andreas und betrat das große Gebäude. „Wow, was für ein Luxus.", flüsterte ich Chris zu. Er lachte leise, woraufhin Andreas sich zu uns umdrehte und uns fragend ansah. „Alles gut, Bruder.", rief Chris grinsend. Nachdem wir, beziehungsweise Andreas bezahlt hatte, liefen wir Richtung Umkleidekabinen. „Darf ich mit zu dir kommen?" Chris legte seine Hand an meinen Po. Ich schob sie weg und grinste ihn kopfschüttelnd an. „Behalt deine Hände bei dir.", sagte ich leise. Andreas war bereits in den Umkleidekabinen. Zum Glück.
Nachdem wir uns alles umgezogen hatten, machten wir uns auf den Weg in die Schwimmhalle. Schon von weitem vernahm ich lautes Kindergekreische. „Ist ja genau unsere Altersgruppe.", meinte Chris und deutete zu einer Gruppe von Grundschulkindern. „Das bist du doch schon von Zuhause gewöhnt.", entgegnete sein Bruder. Ich griff nach Chris' Hand und zog ihn zu den Rutschen. Wir schnappten uns zwei Gummireifen und stiegen die zahlreichen Treppen hinauf. Oben angekommen stellten wir uns hinter ein paar Jungs an. „Du nimmst einen Reifen und wir nehmen einen.", entschied Chris, ohne nachzufragen. „Und was ist, wenn ich mit dir rutschen möchte?", fragte Andreas seinen Bruder und boxte ihm in die Hüfte. „Autsch." „Jungs, es ist grün!", unterbrach ich die beiden und zeigte auf die Ampel. So schnell es ging setzten wir uns auf unsere Reifen und los ging es.
Kreischend rutschten wir durch die Kurven. Ich hielt mich an Chris' Oberschenkeln fest. Plötzlich spürte ich, wie uns jemand in den Rücken rutschte. „Ehh, ihr Schnecken. Rutscht schneller!", rief Andreas lachend. „Geht nicht!", schrie Chris zurück. Endlich erreichten wir das Ende der Rutsche. Eine große Welle schlug uns ins Gesicht und Chris und ich fielen vor Schreck von dem Reifen. Dabei schlug er sich den Kopf an der Rutsche. Mit schmerzverzerrtem Gesicht stand er auf. „Schatz, alles okay?", fragte ich, als er sich am Hinterkopf rieb. Er nickte nur. Andreas schlug seinem Bruder auf die Schulter. „Du bist ein bisschen aus der Übung.", lachte er und lief mit seinem Reifen an uns vorbei. „Noch ne Runde?" „Jaaaa!", riefen Chris und ich gleichzeitig.
Nach gefühlten hundert Mal rutschen lagen wir außer Atem und mit Bauchschmerzen vom vielen Lachen auf drei Liegestühlen. „Ich fühle mich, als wäre ich zwanzig Jahre jünger.", sagte Andreas. „Vor zwanzig Jahren war ich noch nicht mal auf der Welt." Ich schielte zu Chris, der auf einmal ziemlich schweigsam war. „Hey, was ist los?", fragte ich besorgt. Er hob seinen Kopf. „Nix." Misstrauisch ließ ich meinen Blick auf ihm haften. „Was denn?" „Kinder, jetzt ist mal gut hier.", rief Andreas und stand auf. „Wir sind hier zum Spaß haben und nicht zum Trübsal blasen." Mit diesen Worten drehte er sich um und lief zum Wellenbecken. „Na komm." Chris hielt mir seine Hand hin. Ich murmelte etwas Wortloses vor mich hin und gab ihm meine. „Es ist alles okay! Und jetzt lass uns Spaß haben!", sagte Chris. Dann machten wir uns auf den Weg zum Becken, wo Andreas schon auf uns wartete. Ungeduldig wippte er von einem Bein auf das andere. Ich fühlte mich auf einmal ziemlich einsam in der Gegenwart von den Jungs. Auch wenn Chris meine Hand noch immer hielt. Mir ging nicht aus dem Kopf, wie er vorhin reagiert hatte. War es denn so schlimm, dass ich erst 18 war? Wir hatten das Thema am Anfang unserer Beziehung so oft durchgekaut und ich war diejenige gewesen, die Zweifel hatte. Nicht er. Und jetzt, wo ich meine Zweifel abgestellt hatte, fing er damit an? Liebe wird doch nicht durch das Alter bestimmt. Oder? „Hey, du Träumerin.", riss Chris mich aus meinen Gedanken. Ich sah ihn mit gezwungenem Lächeln an und ließ mich von ihm ins kühle Nass ziehen. Das Wellenbad startete gerade, weswegen Andreas bereits wie ein kleiner Junge in die Wellen sprang. Lachend löste Chris seine Hand von meiner und schwamm zu seinem Bruder. Ich fühlte mich gerade, als wäre ich die Erwachsene von uns Dreien. Während die Jungs durch das Wasser sprangen, stand ich im flachen Bereich des Beckens und beobachtete sie. Neben mir saßen Mütter und Väter mit ihren Kindern, die sich über jede kleine Welle freuten und sich lachend ins Wasser plumpsen ließen. Ich musste an meine Eltern denken. Vor meinen Augen erschien ein Bild aus meiner Kindheit. Meine Eltern und ich. Am Strand. Mein Papa rannte mir hinterher, weil ich unbedingt ins tiefe Wasser zu den hohen Wellen wollte, während meine Mutter mit dem Fotoapparat Bilder machte. Dann schnappte Papa mich unter den Armen und hob mich hoch. „Du kleine Wasserratte.", lachte er und trug mich zu meiner Mutter, die mich sofort in ein großes Handtuch wickelte. So standen wir eine Weile da am Strand. Ich auf den Armen meiner Eltern. Sie hatten ihre Köpfe eng zusammen gesteckt. „Ich liebe euch so sehr. Ihr seid meine Familie.", flüsterte Papa und küsste meine Mutter auf ihre Stirn. Das Bild verschwamm vor meinen Augen und ich landete abrupt zurück in der Realität. „Hey, weinst du?" Erschrocken drehte ich mich um und sah direkt in Andreas' dunkle Augen. „Nein, ich ähhhh hab Wasser ins Gesicht bekommen.", stotterte ich peinlich berührt. „Das Wellenbecken ist seit fünf Minuten aus und seitdem stehst du wie ein Häufchen Elend hier und träumst vor dich hin. Was ist los?", fragte er mit ruhiger Stimme. Ich mochte diese Ruhe, die in seiner Stimme lag. Sie übertrug sich jedes Mal automatisch auf mich. Ich atmete tief durch. „Ich musste gerade an meine Eltern denken." Meine Stimme klang brüchig. So als würde ich gleich los heulen und das war genau das, was ich jetzt auf keinen Fall wollte. Ich sah an Andreas vorbei und erblickte Chris, der wenige Meter hinter ihm stand und mich mit traurigen Augen ansah. Was er wohl gerade dachte? Ohne auf eine Reaktion von Andreas zu warten, lief ich an ihm vorbei und ging zu Chris. Er breitete seine Arme aus und drückte mich kurz darauf fest an sich. „Möchtest du reden?", fragte er vorsichtig. Und dann erzählte ich ihm von meinen Gedanken und davon, dass ich meine Kindheit vermisste. Ich spürte, dass Chris nicht so recht wusste, was er sagen sollte. Aber das war nicht so schlimm, denn ich wollte gerade einfach nur seine Nähe spüren. „Ich glaube, wir machen uns dann mal auf den Heimweg.", schlug er nach einigen Minuten vor. Ich nickte. Wir gingen zu Andreas, der immer noch an der gleichen Stelle stand. „Ich hoffe es war trotzdem ein schöner Tag für euch...", murmelte ich leise. Andreas knuffte mir leicht in den Bauch. „Für deine Gefühlsausbrüche kannst du ja nun wirklich nichts.", lachte er und sah mich an. Ich musste lächeln. Chris legte seinen Arm um meine Hüfte. „Ich werde dir den Abend zu einem ganz besonderen Abend machen, den du nie vergessen wirst.", sagte er so leise, dass nur ich es hören könnte. Ich spürte, wie mein Gesicht rot anlief. „Aber bitte kein teures Geschenk.", bat ich und presste meine Lippen aufeinander. Kopfschüttelnd zog er mich zu den Umkleiden, wo Andreas bereits verschwunden war. „Lass dich überraschen!", trällerte Chris. Dann ließ er meine Hand los und lief zu den Männerumkleiden.
Puuuuh, wie ich Übergangskapitel hasse. Aber eine Geschichte kann nunmal nicht nur aus Spannung bestehen. :D Ich hänge an solche Kapiteln immer viel zu lange und bin am Ende trotzdem unzufrieden. Allerdings konnte ich euch ja nicht noch länger auf ein neues Kapitel warten lassen. <3
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Das Leben ist eine Illusion
FanfictionNeue Stadt. Neues Haus. Und neue Nachbarn. Doch wer sind diese Nachbarn? Wer ist dieser unglaublich gut aussehende Typ, namens Chris, der mich vom ersten Tag an verzaubert? Unsere erste Begegnung konnte kein Zufall gewesen sein. War es Magie? All di...