Kapitel 3

631 30 0
                                    

Chris ließ es sich nicht nehmen, mir die Einkaufsbeutel bis ins Haus zu tragen. „Das wäre echt nicht nötig gewesen", meinte ich mit leiser Stimme, als wir in der Küche standen. Er drehte sich zu mir um und ich sah erneute in seine braunen Augen. Gott, wie schön sie waren und wie gut Chris aussah. „Das ist aber schön, dass du schon Bekanntschaften geschlossen hast." Erschrocken drehte ich mich um und schaute in das grinsende Gesicht meiner Mutter. Sie ging auf Chris zu und reichte ihm die Hand. „Hi, ich bin Marion, die Mutter von Leonie." Mir war das so unangenehm. Ich wusste genau, warum ich noch nie einen Jungen mit Nachhause gebracht hatte. Wer weiß, was meine Mutter jetzt dachte. „Ich muss jetzt leider wieder rüber, mein Bruder wartet bestimmt schon auf mich." Mit entschuldigender Miene sah Chris mich an. „Ich bring dich noch zu Tür." Mit diesen Worten schob ich ihn aus der Küche und erntete nur ein schelmisches Grinsen von meiner Mutter. „Danke nochmal, dass du mir geholfen hast. Sonst hätte ich bei der Hitze laufen müssen.", sagte ich, als wir draußen standen. Chris lachte. „Kein Problem, wir werden uns bestimmt bald mal wieder über den Weg laufen." Er umarmte mich kurz und ging dann zum Gartentor. Ich spürte ein Kribbeln in meiner Magengegend. Was hatte dieser Typ nur an sich, dass er meinen Kopf so durcheinander brachte? Es konnte doch kein Zufall gewesen sein, mit unserer Begegnung, oder? Verwirrt schloss ich die Tür und wollte gerade in mein Zimmer gehen, als ich meine Mutter an der Treppe stehen sah.

„Netter Kerl, dieser Chris.", erwähnte sie, am Treppengeländer lehnend. Ich murmelte ein leises „Kann sein" und verzog mich in mein Zimmer. Ich legte mich auf mein Bett und starrte an die Decke. Heute Morgen konnte ich mir überhaupt noch nicht vorstellen, hier zu wohnen, aber seit ich Chris kannte, war das anders. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als bei ihm zu sein. Gott, Leonie. Reiß dich zusammen. Chris war mindestens zehn Jahre älter, als ich. Was wollte der schon mit einer Siebzehnjährigen? Ich schlug mir die Hand vor den Kopf und zog dann meinen Laptop aus dem Koffer, der immer noch neben dem Bett stand. Jessy hatte mir geschrieben. „Hey Süße, wie geht's dir so? Ich hoffe, du bist gut in Bünde angekommen. Wir vermissen dich. :c Liebe Grüße von Moritz und Sofia. Du fehlst uns allen so, aber wir sehen uns in den nächsten Ferien. Bis bald.♥" Beim Lesen der Nachricht, kullerte mir eine Träne mein Gesicht hinunter. Ich vermisste sie auch und sofort war das Heimweh wieder da, was den Vormittag über gefehlt hatte. Ich antwortete meiner besten Freundin schnell, erwähnte allerdings nicht, dass ich schon jemanden kennengelernt hatte. Dann schloss ich meinen Laptop und legte ihn beiseite. Erschöpft ließ ich mich in das weiche Kissen fallen. Das alles fühlte sich wie ein Traum an und ich wollte so schnell wie möglich daraus aufwachen. Wieder in meiner Hängematte auf unserer übergroßen Holzterrasse liegen und dem Rauschen der Wellen lauschen. Die Möwen in den Dünen beobachten. „Leo, ich fahre nochmal kurz in den Nachbarort. Kommst du mit?" Die Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken und holte mich abrupt in die Realität zurück. „Wo willst du denn hin?", rief ich zurück. „Nur mal schauen, was es dort so zu sehen gibt." Ich atmete tief durch. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich, mit meiner Mutter mitzufahren.

Wir fuhren durch eine größere Stadt mit zahlreichen Häusern und Museen. Hoffentlich wollte meine Mutter mich nicht in die Stadtgeschichte einführen. Darauf hatte ich absolut keine Lust. Desinteressiert sah ich aus dem Fenster. Bäume, Autos und Menschen zogen an mir vorbei, als wäre das alles nur ein Traum, aus dem ich bald wieder aufwachen würde. „Leo, wir sind da." In meine Gedanken versunken, hatte ich nicht gemerkt, dass wir inzwischen auf einem Parkplatz standen. Ich öffnete die Beifahrertür und stieg aus dem Auto. „Wo sind wir hier?", fragte ich verwirrt und sah zu meiner Mutter, die neben dem Auto stand und auf ein großes Gebäude starrte. „Ich habe mir gedacht, wir kaufen noch ein bisschen neue Deko für das Haus.", erklärte sie mit fröhlicher Stimme. Naja, immerhin besser, als Stadtgeschichte und Museumsrundgänge. Schweigsam folgte ich meiner Mutter in das große Möbelhaus. „Schau mal, der Bilderrahmen würde doch voll gut in dein Zimmer passen." Wir blieben vor einem weißen Holzregal stehen, in dem sich zahlreiche Bilderrahmen befanden. „Da könntest du dann Bilder von Chris und dir einkleben." Verwirrt sah ich sie an. Man, konnte sie nicht einfach mal ihren Mund halten? Genervt ging ich weiter, zu einem Berg voller Kissen. Sie waren mit den unterschiedlichsten Sprüchen und kleinen Zeichnungen bestückt. Ich entschied mich für ein beigefarbenes Rechteckiges Kissen, auf dem „It's a kind of magic" stand. Fand den Spruch sehr passend. Am Ende standen wir mit einem vollen Einkaufswagen an der Kasse. Meine Mutter hatte sich ebenfalls ein Kissen mit einem Spruch drauf gekauft. Außerdem lagen hellbraune Holzbretter für ein Regal und zwei cremefarbene Gardinengarnituren für die Terrassentür drin, die nach hinten aus unserem Wohnzimmer führte. Bis jetzt war ich noch nicht da gewesen, aber ich nahm mir vor, nachher mal die Terrasse zu besichtigen. Hoffentlich war sie nicht von Unkraut überseht, was ich mir bei der Ordentlichkeit des Hauses allerdings nicht vorstellen konnte. Nachdem wir bezahlten hatten, machten wir uns auf den Heimweg. Während der Fahrt wurde ich immer wieder schläfrig. Es hatte sich inzwischen etwas abgekühlt, was das Wetter betraf. Trotzdem war es noch ziemlich schwül und ehe ich mich versah, zog mich der Stress der letzten Tage und die Hitze in einen tiefen Schlaf.

Das Leben ist eine IllusionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt