Kapitel 35

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Am Abend stand die erste Show an. Ich hatte mich seitlich der Bühne positioniert und hatte somit das Geschehen perfekt im Blick. Nach und nach strömten immer mehr Menschen in die Halle, voller Vorfreude auf die Show. Ich ging nach hinten, wo Andreas und Chris bereits fleißig am Rumwerkeln waren. "Na Jungs, seid ihr schon aufgeregt?", fragte ich grinsend. Dafür erntete ich ein gestresstes Grummeln von Chris. "Er ist immer ganz besonders aufgeregt.", neckte Andreas seinen kleinen Bruder lachend. Dann widmete er sich wieder seiner Arbeit. Plötzlich tauchte Buddha hinter uns auf. "Jungs, es geht gleich los!", rief er laut. Ich musste lachen, als ich ihn weiter wirbeln sah. "So Schatz, du musst jetzt an deinen Platz." Chris gab mir einen flüchtigen Kuss. "Bis später.", flüsterte ich und verließ den Backstagebereich. Inzwischen war die Halle bis auf ein paar Sitzplätze komplett gefüllt. Ich wandte meinen Blick in die erste Reihe, wo noch ein einziger Platz frei wahr. Verwundert darüber sah ich zur Bühne. Einer aus der Crew rannte über die Bühne, legte das Mikrofon für Andreas und Chris in die Mitte und kam dann zu mir. Ich spürte die Blicke der Menschen auf mir, die in den vordersten Reihen saßen und mich somit bemerkt hatten. "Also von hier wirst du nicht viel sehen. Abgesehen von den Zuschauern. " Er schielte zu dem Platz, der immer noch frei war. "Chris hat den extra für dich reservieren lassen.", sagte er lächelnd. Ich nickte nur verwirrt. Und dann war er auch schon wieder weg. Mit einem unguten Gefühl im Magen ging ich langsam zu dem Stuhl und setzte mich hin. Links von mir saß ein kleiner Junge, der jedoch nur auf die Bühne fokussiert war. Und rechts eine Frau mittleren Alters. "Kennst du die Jungs?", fragte sie trocken und ich wusste im ersten Moment nicht, ob sie mich meinte. "Nur flüchtig.", log ich. Ich spürte, dass diese Frau nichts Gutes im Schilde führte. Sie strich sich ihre kurzen gleichlangen Haare hinter ihr Ohr und lächelte mich an. Es war ein merkwürdiges Lächeln, das mich erschaudern ließ. Glücklicherweise ertönte in diesem Moment eine Lautsprecheransage und der Countdown lief runter. Noch fünf Minuten. Und dann erlebte ich meine allererste Zaubershow. Ich rutschte aufgeregt mit meinem Po auf dem Stuhl hin und her. "Beim ersten Mal war ich auch aufgeregt.", sprach die Frau neben mir. Ich ignorierte sie. "Aber das ist jetzt meine fünfzehnte Show." Was zum Teufel wollte diese Frau von mir? Merkte sie nicht, dass ich nicht mit ihr reden wollte? Genervt drehte ich meinen Kopf zu dem kleinen Jungen. Er saß aufrecht da und fragte seine Mutter immer wieder, wann es denn endlich losging. Grinsend wandte ich meinen Blick zur Bühne. Noch dreißig Sekunden. Noch zwanzig. Noch zehn. Das Publikum fing an runter zu zählen. Ich hielt mich etwas zurück. Es war komisch so als normaler Zuschauer im Publikum zu sitzen, obwohl ich mit Chris zusammen war. Und dann ging es los. Andreas und Chris tauchten in einer Art Teleporter wie aus Geisterhand auf. Die Spezialeffekte hinterlegten die Illusion perfekt. Fasziniert ließ ich mich in ihren Bann ziehen. Und ehe ich mich versah, war die erste Halbzeit vorbei.

Ich stand auf und ging Richtung Toilette. Wenn ich jetzt hinter die Bühne gehen würde, wäre das viel zu auffällig und die Frau neben mir beobachtete mich sowieso schon die ganze Zeit so misstrauisch. Ich atmete tief durch, als ich die lange Menschenschlange vor den Damentoiletten sah. "Hey, na wie fandest du's bisher?" Erschrocken drehte ich mich um und wen sah ich da vor mir? "Sag mal, was wollen sie eigentlich von mir?", rutschte es aus mir heraus. Ich schluckte. "Ich denke nur, dass du die Jungs näher kennst, als du zugibst." Sie grinste mich breit an. Ich verdrehte genervt die Augen. "Ich habe bei einem Gewinnspiel einen Rundgang durch den Backstagebereich gewonnen, deswegen durfte ich vor der Show zu ihnen!", sagte ich und hoffte, dass es überzeugend klang. Und tatsächlich ließ sie mich ab da in Ruhe.

Nachdem ich von der Toilette gekommen war, setzte ich mich schnell zurück auf meinen Platz. Gerade rechtzeitig, denn es ging weiter. Und wieder wurde ich in den Bann der Illusionen gezogen und vergaß alles um mich herum. Es war, als wäre ich direkt auf der Bühne. Allerdings war das alles viel zu schnell vorbei. Als letztes stand die Illusion mit der Rose an. Ich spürte, wie es in meinem Magen anfing zu kribbeln. "Da mein Bruder ja immer nur Pech bei den Frauen hat, werden wir heute versuchen, die Richtige für ihn zu finden.", rief Andreas zum Publikum. Ich erstarrte und urplötzlich war das Kribbeln verschwunden. Ich senkte meinen Kopf. Auch, wenn das alles zur Show gehörte, war es doch verletzend. Ich nahm nur noch verschwommen war, wie die beiden durchs Publikum liefen und sich eine Frau aussuchten. Sie gingen an mir vorbei. Chris sah mich dabei nicht mal an. Tränen stiegen mir in die Augen. "Sei nicht traurig. Ich hatte bisher auch noch kein Glück.", flüsterte mir die Frau neben mir zu. Ich presste meine Lippen aufeinander. Das war zu viel. Schluchzend stand ich auf und verließ die Halle. Glücklicherweise war das Publikum so auf Andreas und Chris fixiert, dass es niemand mitbekam. Dachte ich zumindestens. Tränen rannen mein Gesicht hinunter. Ich ging durch den Hinterausgang nach draußen und ließ mich an der Hauswand niedersinken.

Mal wieder ein etwas längeres Kapitel.😜 Ich werde versuchen pro Woche mindestens ein Kapitel hochzuladen, damit ihr nicht komplett auf die Story verzichten müsst.😁❤

Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.👌

Das Leben ist eine IllusionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt