Kapitel 1 - Familie

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Hailey's POV

Ich trat schon in die gefühlt hundertste Pfütze ehe ich das quietschende Gartentor unseres Hauses genervt gegen den Zaun schmettern konnte. Musste heute auch so ein mega beschissener Tag sein? Am Morgen erst wird mir ein toter Fisch in den Spint gelegt, der Geometrietest habe ich total verbockt und jetzt musste es auch noch pissen bis hier alles überschwemmt. Mit völlig durchnässten Füssen kramte ich den Schlüssel aus meiner Tasche und schloss das alte Türschloss auf und betrat mein Zuhause. Im ersten Moment konnte ich keine Geräusche wahrnehmen bis ich Derren aus der Küche kommen sah, er wollte mich gleich umarmen bis er innehielt.

"Was ist denn mit dir passiert?"

Etwas schockiert blickte er mich an. Das lag wohl daran, dass ich klitschnass und total verdreckt vor ihm stand. Derren war übrigens einer meiner beiden Brüder. Er ist 25 Jahre alt und arbeitet in einer kleinen Werkstatt hier in der Nähe. Er kümmerte sich vor allem um mich aber auch um meinen anderen Bruder Jaden, 19 Jahre, jobbt an einer Tankstelle um ein bisschen Geld zu verdienen, geht aber mit mir zur gleichen High School. Ich hänge aber nicht mit ihm ab oder so, er ist recht beliebt da und gehöre einfach nicht zu seinen Leuten. Er hatte mir zwar schon viel angeboten, dass ich zu ihnen kann aber ich habe das dankend abgelehnt.

"Nach was siehts aus? Das Wetter ist wieder mal beschissen.." entgegnete ich Derren.

Jetzt kam auch Jaden aus einem der Räume. Er hatte unseren kurzen Austausch mitbekommen.

Ich lächelte den beide etwas schief zu und verschwand darauf im Zimmer. Eine meiner Schranktüren war komplett aus einem Spiegel und darin sah ich mich jetzt. Von oben bis unten nass und voller Dreck. Naja ist eben so, wenn meine doofen Mitschüler voller Kanne mit dem Auto durch eine Pfütze fahren müssen, währenddem ich daneben vorbei gehe. Nunja, und das war die Geschichte, wieso ich so aussah. Wieso konnten die mich nicht einfach in Ruhe lassen? Nur weil deren Leben zu langweilig war, musste man andere ärgern? In der Schule war ich die ruhige, zurückhaltende Hailey, die nichts sagte. Ich wollte nicht auffallen und mich in die Dinge anderer einmischen, das wollte ich bei mir selber ja auch nicht. Wieso sie mich deshalb als geeignetes Opfer hielten, verstand ich nicht, ich habe denen gar nichts getan. Und nein, Freunde hatte ich keine. Ich hielt lieber die Leute von mir fern als mich mit denen abzugeben. Ich brauchte die nicht. Ich seufzte vor mich hin und machte mich daran, saubere Kleidung aus meinem Schrank zu holen und verschwand damit im Badezimmer. Noch bevor ich mich in die Dusche stellen konnte, ertönte mein Bruder vor der geschlossenen Tür.

"Hailey, in einer halben Stunde gibts Abendessen."

"Ist gut.."

Nach zwanzig Minuten war ich fertig und zog mir bequemere Sachen an. Meine Jeans sowie meinen Pullover schmiss ich gleich vor die Waschmaschine, so wie die aussahen musste man die schon mehrmals durch die Waschmaschine jagen, ehe sie wieder sauber waren. Barfuss verliess ich das Bad und machte mich auf den Weg in die Küche. Sie war klein und nicht sehr neu, aber es liess sich prima darauf etwas zubereiten. Derren war gerade dabei Hühnchenbrust in einer Pfanne zu braten. Als er meine Schritte hörte drehte er sich zu mir um.

"Hey, jetzt kann ich dich auch umarmen"

Er kam auf mich zu und ich schlang meine Armen um seinen Oberkörper.

"Kann ich dir helfen?'

"Ja du kannst schonmal den Tisch decken."

Ich lief auf einen der Schränke zu und holte da Teller und Gläser raus. In einer Schublade beim Herd liessen sich Messer und Gabel auftreiben. Gesagt getan und schon sass ich am Tisch und beobachtete Derren beim Kochen. Er war der Hauptversorger in unserer Familie und hielt uns so gut es ging über Wasser. Wir lebten hier zu dritt in einem kleinen Haus am Stadtrand und sorgten für uns selber. Unsere Eltern waren leider bereits tot. Meine Mum war im sechsten Monat mit meiner Schwester schwanger, als sie mit Dad in der Stadt unterwegs war. Ein verficktes Arschloch ist mitten in der Stadt betrunken Auto gefahren und gleich ich das Auto meiner Eltern gekracht. Leider war der Aufprall so extrem, dass sie beide sofort tot waren. Meine Schwester versuchte man noch zu retten, aber leider kam jede Hilfe zu spät. Auf einen Schlag waren wir auf uns alleine gestellt, es gab keinerlei Verwandte oder Bekannte zu denen wir hätten gehen können. Anfangs wollte das Jugendamt Jaden und mich in Heime stecken aber das liess Derren nicht zu. Er redete so lange mit dem Amt und überzeugte sie so gut es ging bis sie nachgaben. Er hatte gerade die High School beendet und wollte eigentlich mit seiner Freundin in eine andere Stadt ziehen, aber das wollte/konnte er nicht mehr. Schon mit 18 musste er für seine damals 9 jährige Schwester und 12 jährigen Bruder aufpassen. Auf einen Schlag musste er erwachsen sein. Manchmal hatte ich noch ein schlechtes Gewissen deswegen, weil er wegen uns auf sein Wunschleben verzichten musste aber er sagte immer, er habe das gerne gemacht, wir seien schliesslich seine Familie. Nunja seither leben wir hier. Unsere Eltern hatten uns ihr Haus vererbt, in dem wir immer noch leben. Sonst so ziemlich nichts. Unsere Eltern hatten selber kaum Geld, haben uns Kindern aber immer versucht möglichst alle Wünsche zu erfüllen. Daher war es jetzt keine grosse Umstellung, mit wenig Geld zu leben

Wir haben uns die letzten Jahre sehr gut arrangiert und kommen gut klar. Es war nicht immer einfach aber wir sind alles was wir haben. Ich liebe die beiden über alles und will sie nicht verlieren. Mein 19 jähriger Bruder Jaden wiederholte das letzte Jahr der High School, da sein Abschluss auf Deutsch gesagt richtig fürn Arsch war. Damit konnte er sich nirgends bewerben. Er spielte im Football Team mit, so wie es Derren vor paar Jahren auch tat. Die beiden waren richtige Sportskanonen und da ich die letzten Jahre mit niemandem sonst Zeit verbrachte, färbte das auf mich ab.

Ich kam wieder aus meinen Gedanken raus und sah wie Jaden in Richtung Tisch lief. Ich sprang auf und umarmte auch ihn, als verspätete Begrüssung.

"Wieder sauber?"

Er lächelte mich an und ich nickte nur zur Bestätigung.

Das Abendessen lief eigentlich wie immer ab, wir tauschten uns über den Tag aus, aber heute blieb ich selber eher schweigsam.

"Wie lief dein Tag?"

Toll, musste ich echt über den Fisch was sagen? Am Morgen lief ich an meinen Spint und öffnete ihn als mich ein richtig fischiger Geruch gegen die Nase schlug. Das Gelächter darauf, von den extrem lustig und kreativen Wixxern, ignorierte ich gekonnt und schmiss den Fisch einfach auf den Boden. Am liebsten wäre ich zu denen hingegangen um den Fisch links und rechts gegen den Kopf zu knallen aber der Aufwand war es mir nicht wert. Sollten die sich doch darüber lustig machen, wie die Aussenseiterin sich verarscht fühlt. Jaden riss mich aus meinen Gedankn.

"Hailey?"

Ich blickte ihn an.

"Ist wieder irgendwas passiert? Ich sagte doch, du sollst mich holen wenn sie wieder was anstellen."

"Ich will das aber nicht! Das ist mein Problem"

Klar Jaden war mir unglaublich wichtig aber deswegen musste er nicht mein Beschützer spielen, ich kam alleine zurecht und wusste mich zu wehren. Naja soweit ich mich traute. Ich hätte durchaus die Fähigkeit dazu aber mein Mut blieb da eher im Loch verkrochen und kam nicht raus. Konnte wohl daran liegen, dass ich da ausgeliefert war und mich überhaupt nicht wohl fühlte.

Niemand sagte mehr etwas, die beiden wussten, dass nichts gegen meine Sturheit ankam. Positive oder negative Eigenschaft? Keine Ahnung, teils teils. Je nachdem. Ich wechselte schnell das Thema und wir redeten das restliche Abendessen darüber. Ich half noch beim Abwasch und räumte schnell den Rest des Hauses auf, ehe ich mich in mein Zimmer verzog. Dort machte ich mich daran, meine Hausaufgaben zu erledigen, die aber zu meinem Leiden immer noch den ekelhaften fischigen Geruch an sich trugen. Aber wohl oder übel musste ich sie trotzdem machen.

"Hailey!! Du kommst zu spät!!"

Ich hatte dummerweise ein bisschen verschlafen und musste nun meinen übermüdeten Arsch zum bewegen zwingen. Ich stopfte mich noch schnell ein Toast in den Mund ehe ich mich hastig von Derren verabschiedete. Ich rannte aus dem Haus an die paar Meter entfernte Bushaltestelle. In dem Moment bog der Bus um die Ecke, hielt an und ich stieg ein. Meine Güte, manchmal war Derren eine richtige Glucke. Man könnte meinen das Leben ohne Eltern wäre unbeschwerter, da niemand einem etwas vorschrieb, aber die beiden Jungs wollten, dass ich die Schule mit einem guten Abschluss schaffe, da gab es kein wenn und aber. Er meinte das ja nur gut. Ich war ja im Grossen und Ganzen seiner Meinung, es war nunmal wichtig.

In der Schule angekommen stieg ich aus dem Bus und lief schnurstracks in das Gebäude zu meinem Spint. Überall standen irgendwelche Mitschüler die mich teilweise abwertend musterten. Ja, danke starrt mich doch noch mehr an. Am Ende des Ganges sah ich schon Jaden wie er mit seinen Kumpels abhängte. Irgendwelche Bitches hingen bei ihnen rum, wahrscheinlich wollten sie nur ficken. Sollten sie doch, nicht mein Problem. Ich wendete mich nun meinem Spint zu. Innerlich betete ich, dass ich heute verschont und ich in Ruhe gelassen werden. Mein Wunsch wurde erhört, mein Spint war unberührt von den Spinnern.
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Soooo das war das erste Kapitel meiner Geschichte :D Ich würde mich sehr über ei Feedback freuen :)

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