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Jumi, Soo-Jin und Byeol betreten das Klassenzimmer. Glücklich winke ich ihnen zu, doch sie beachten mich nicht. "Leute? Ich bin hier!", rufe ich nun. Keiner von ihnen wirft mir auch nur einen Blick zu. Niedergeschlagen senke ich meinen Kopf, um meine Enttäuschung nicht offen zu zeigen. Mein Kettenanhänger glitzert in der Sonne, die ins Klassenzimmer fällt.

Siehst du Ravi? Sie hassen mich.

Dann brauchst du sie nicht Sun. Vielleicht ist es an der Zeit dir neue Freunde zu suchen.

Du weißt genau wie schlecht ich im Umgang mit Menschen bin.

Echten Freunden wäre das egal. Probier es einfach.

Genau deswegen brauche ich Seong. Er wüsste jetzt was zu tun ist. Ohne ihn bin ich ein totales absolutes Nichts.

Sun, ich weiß, dass du sowas kannst! Du musst es nur genug wollen.

Toll. Das macht mir jetzt echt Mut. "Hey", reißt mich eine Stimme aus meiner Unterhaltung mit Ravi. Ein hübscher Junge mit hellbraunen Haaren steht neben meinem Tisch. "Kann ich mich zu dir setzen? Ich möchte nicht neben diese ganzen seltsamen Leute", fragt er mich. Ich sehe mich kurz um.
Fast meine gesamte Klasse hat das Zimmer bereits betreten, ohne dass es mir aufgefallen ist. Scheu nicke ich. Er lässt seine Tasche neben den Tisch fallen. "Lee Hongbin. Ich bin der Neue", stellt er sich mir vor. "Ran Sun", erwidere ich leise. "Sun? Wie Sonne?", kichert er.
Wie immer. Die altbekannte Frage über meinen Namen. Nett bleiben Sun.
"Nein. Wie eigentlich bedeutet mein Name so viel wie Güte, es hat also nichts mit der Sonne zu tun", lache ich verlegen. Hongbin nickt interessiert. "Das ist noch viel cooler, als Sonne zu heißen", überlegt er.

Verlegen versuche ich das Gespräch auf ihn zu schieben. "Also, Hongbin-oppa. Wie bist du auf diese Schule gekommen?" Hongbin hebt seine Hände abwehrend. "Bitte kein Oppa. Ich bin davon kein großer Fan", wehrt er ab. Leicht lache ich. "Schön, Hongbin-ah. Wie hast du es geschafft auf diese Schule zu kommen?", wiederhole ich meine Frage. Der Gefragte zuckt nur mit seinen Schultern. "Ich bin seit ich denken kann mit meinen Eltern gereist und letztes Jahr habe ich es total verbockt. Also haben sie mich in so ein Programm gesteckt und jetzt lebe ich mit fünf anderen Jungs in einer Wohngemeinschaft", erzählt er. Ich werde von Begeisterung gepackt.
Ich würde so gerne reisen, aber meine Mum kann sich gerade mal die Miete und das Schulgeld leisten und alleine würde sie mich eh nie weggehen lassen.
"Wo warst du schon alles?", möchte ich weiter wissen. "Überall wo du dir vorstellen, aber Europa finde ich am interessantesten. Dort habe ich auch einen Großteil meines Lebens verbracht. Nach Korea natürlich". erzählt er.

Fröhlich reden wir weiter. Hongbin ist wirklich nett und man kann sich gut mit ihm unterhalten. Auch beneide ich ihn etwas. Er hat schon so viel von der Welt gesehen und alles hört sich so wundervoll an.
"Hyung!", reißt uns eine Stimme aus dem Gespräch. Hang Sanghyuk, ein weiterer meiner Klassenkameraden läuft auf uns zu.
Ich hatte nie viel mit ihm zu tun, an sich habe ich keine Freunde, außer Juni, Soo-Jin und Byeol. Besser gesagt habe ich jetzt überhaupt keine mehr.
"Hyung, du hast nicht auf mich gewartet!", beschwert er sich lautstark bei Hongbin. Unsicher mache ich mich auf meinem Stuhl etwas kleiner. "Ich musste noch zum Sekreteriat, das habe ich dir doch gesagt. Und außerdem wolltest du doch mit Hakyeon-hyung noch in die Bibliothek", entgegnet Hongbin und möchte sich wieder zu mir wenden. "Aber Hakyeon-hyung hat mich dazu gezwungen! Ich wollte da nicht hin", meckert Sanghyuk weiter. "Ich unterhalte mich gerade. Siehst du das nicht?", erwidert Hongbin und deutet genervt auf mich. Unsicher lächel ich den Riesen vor mir an. Sanghyuk zieht eine Schnute, lässt seine Tasche auf dem Platz vor uns fallen, nimmt sich einen Stuhl und setzt sich zu uns. "Dann mache ich jetzt auch mit", beschließt er. Hongbin schaut mich fragend an. Ich nicke. Der Schwarzhaarige scheint nett zu sein, also warum nicht? Ravi hat ja gesagt ich soll versuchen mich mit neuen Leuten anzufreunden.

Wir reden weiter, bis unser Lehrer den Raum betritt. Es fühlt sich gut an jemanden zu haben. Obwohl ich die beiden noch nicht so lange kenne, habe ich ein positives Gefühl über vielleicht unsere aufbauende Freundschaft. Natürlich fangen wir direkt mit Unterricht an.
Ich hole meinen Block und mein Mäppchen aus meiner Tasche und beginne mir sorgfältig Notizen zu machen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Hongbin mich verzweifelt anschaut. "Ich habe meinen Block vergessen", flüstert er leise.
Schon am ersten Schultag? Leise reiße ich ein Blatt aus meinem Block und schiebe es ihm hin. "Danke", murmelt er leise, um dann auch zu beginnen die Worte abzuschreiben. Am Ende der Stunde verteilt unser Lehrer noch unsere Stundenpläne.

Natürlich haben wir wie immer den exakt selben Stundenplan. Jetzt mache ich mich daran, was ich schon die ganze Zeit machen wollte. Ich hole meinen zweiten Block, für Notfälle, aus meinem Rucksack, zusammen mit einem zweiten Mäppchen voller Marker und Buntstifte und einem neuen Päckchen mit Haargummis. Alles räume ich, außer den zweiten Block, den ich Hongbin hinschiebe, in den Hohlraum unter meinem Tisch. "Für was brauchst du bitte Haargummis? Deine Haare sind doch schon kurz", fragt Hongbin mich. Lachend fahre ich durch meine Haare, die knapp auf Kinnhöhe enden. "Trotzdem nerven sie manchmal", antworte ich. Sanghyuk nickt verstehend, auch wenn er das wahrscheinlich nicht tut. "Magst du heute Mittag bei uns Essen, Sun-noona?", bietet Sanghyuk mir an. Eine kleine Welle Freude schwemmt durch meinen Körper. Das ist wirklich lieb von ihnen.
"Natürlich, gerne", freue ich mich. Die beiden strahlen mich an.

Allerdings geht es noch Ewigkeiten bis zum Mittagessen. Als es endlich klingelt, springen wir drei beinahe auf, schnappen unsere Geldbeutel und rasen in Richtung Cafeteria. Beladen mit Essen, folge ich Sanghyuk und Hongbin. "Wir essen immer noch mit anderen Leuten aus dem Programm in dem wir beide sind, also nicht erschrecken. Sie sind wirklich nett. Du wirst sie mögen Sun", warnt Hongbin mich noch vor.
Da wäre ich mir nicht so sicher, bei meinem momentanigen Glück mit Menschen. Aber es hat auch gut mit den beiden geklappt, vielleicht ist heute doch ein guter Tag.
Sanghyuk scheint diese anderen Jungs gefunden haben und beschleunigt seine Schritte. Wir folgen ihm. Am Tisch, an dem er anhält, sitzen bereits vier andere Jungs. "Hyungs, das ist Sun-noona, wir sind in einer Klasse und ab jetzt isst sie mit uns", stellt Sanghyuk mich kurzerhand vor. Ich setze mich zwischen ihn und Hongbin, dabei lächle ich den Restlichen scheu zu. "Ran Sun. Freut mich euch kennen zu lernen", stelle ich mich vor. Der Junge, der mir direkt gegenüber sitzt, erwidert mit einem freundlichen Lächeln: "Cha Hakyeon, die anderen sind Kim Wonshik, Lee Jaehwan und Jung Taekwoon" Dabei zeigt er auf jeden der anderen Jungen. Beim letzten stocke ich kurz. Es ist der emotionslose Junge von heute morgen.

Sonnenauge ~ #PlatinAward19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt