41

33 7 3
                                    

Ich schlage meine Augen auf. Ein sofortiges Lächeln umspielt meine Lippen. Ich bin mit Wonshik zusammen. Glücksgefühle rasen durch meinen Körper. Ich setze mich auf, die Sonne erwartend, doch ich werde enttäuscht. Es ist stockdunkel. Ich habe es vergessen. Also wieder ein neuer Tag ohne einen Lichttropfen. Passend zur Beerdigung. Das schwarze Kleid hängt am Türrahmen. Ich ziehe meine Decke über meinen Kopf. Heute muss ich allem entgegentreten. Dem Tod von Seong und meiner Mutter. Ich muss die Lüge aufrecht erhalten, die die normale Welt glaubt. Ein Autounfall. Wie bei Sang. Die Zimmertür öffnet sich. Jemand schleicht über den Fußboden, kniet sich neben das Bett. "Sun. Aufstehen", dringt Wonshiks Stimme durch die Bettdecke. Ich will nicht. "Ich kann leider nichts dagegen machen, Süße", entschuldigt Wonshik sich und zieht an der Decke. Kurzerhand greife ich mein Kissen, um es über meinen Kopf zu ziehen. 

Ich will einfach hier liegen bleiben. Ich kann das nicht. Wonshiks Hand streicht über meinen Rücken. "Wir schaffen das. Zusammen. Du bist ein starker Mensch geworden. Ich glaube an dich", versucht Wonshik es weiter. Anstatt zu antworten schiebe ich seine Hand weg. Von wegen starker Mensch. Der Mann neben mir bleibt jedoch stur. "Jetzt komm, oder muss ich dich eigenhändig an den Frühstückstisch tragen?" Die Antwort ist schnell klar. Ruckartig werfe ich das Kissen weg, nehme Wonshiks Hand und ziehe ihn in die Küche. Die anderen warten bereits. Ohne ein Wort setze ich mich hin. "Ich freue mich für euch beiden. Was denkt ihr, würdet ihr mit mir und Eun auf ein Doppeldate gehen?", versucht Hyuk die angespannte Stimmung zu lockern. Sie wissen alle, wie schwer es mir fällt. "Vielleicht", nuschelt Wonshik mit vollem Mund. Wir haben gerade andere Probleme. 

Stumm stopfe ich mich mit Essen voll. Ich spüre nicht mal Hunger. Sobald ich fertig bin stelle ich meinen Teller in die Mitte. Ich will wieder ins Bett. Das alles wird einfach zu viel. Schnell stehe ich auf und gehe wieder in mein Zimmer. Ohne ein Wort. Die Jungs lassen es zu. Im Zimmer fällt mein Blick wieder auf das schwarze Kleid. Voller Schaudern ziehen mich meine Gedanken zurück, an die Beerdigung vor zehn Jahren. Dad war noch im Krankenhaus, sodass Mum allein mit uns gehen sollte. Sie konnte es aber nicht, also mussten meine Großeltern sich um alles kümmern. Ich kann mich noch genau daran erinnern. Seong stand stumm in einer Ecke. Seine Augen rot vom ganzen weinen, dennoch waren keine Gefühle aus seinem Gesicht abzulesen. Er hat ihren Tod nie verkraftet, hat sich danach komplett verändert. Ist mein Bruder deswegen so geworden? Meine Antwort werde ich wohl nie bekommen, denn jetzt liegt er in dem Sarg. Nicht Sang.

Die Zimmertür öffnet sich. Wahrscheinlich wieder Wonshik, der jetzt bei mir sein möchte. Mich unterstützen möchte. Doch überraschenderweise ist es nicht mein Freund. Taekwoon tritt ein und schließt die Tür hinter sich. "Ich muss", beginnt er "Ich muss dir die Wahrheit sagen" Welche Wahrheit? "Du warst ehrlich zu mir, hast mich vor dem Tod gerettet und warst da für mich. Ich schulde dir etwas", flüstert er leise. Er zieht mich neben sich auf mein Bett. Von draußen erklingen leise die Stimmen von Hyuk und Jaehwan. "Am Anfang habe ich das alles nicht gemacht, weil ich dir helfen wollte. Ich wollte mich selbst retten. Ich wollte nicht sterben, also habe ich gerade so viel gemacht, um deinen Tod zu verhindern. Es wollte nicht in meinen Kopf, wie alle anderen angefangen haben, dich zu mögen. Vor allem, als Wonshik mir erzählt hat, dass du dachtest, dass ich dich mag. Zu dieser Zeit warst du als Person mir egal, ich wollte nur mich selber retten, aber dann hattest du diese Vision. Ich dachte immer, du würdest mit jedem Geheimnis zu jedem rennen und es brühwarm erzählen. Du hast es aber für dich behalten und sogar versucht mir zu helfen. Du hast, selbst als du unter Todesangst festgehalten wurdest, zuerst an uns gedacht. Es tut mir Leid, ich war ein eigennütziges Arschloch und ich kann verstehen, wenn du mich jetzt hasst", murmelt Taekwoon. Seine leise Stimme wird gegen Ende immer schwächer. 

Jedoch kommt in mir kein Hass heraus. Nein, Mitleid kriecht langsam in mir hoch. Taekwoon hatte einfach nur Angst um sein Leben. Es ist verständlich. Ich kann ihn verstehen. "Ich hasse dich nicht. Man muss immer in der Lage sein zu verzeihen. Du hast einen Fehler gemacht, aber du siehst ihn ein, deshalb verdienst du Vergebung", erkläre ich ihm sanft. Ich kann ihm nicht böse sein. Er hatte eine schwere Vergangenheit. Wir sollten zusammen arbeiten, um eine gute Zukunft zu schaffen. Mit dem alten abschließen. Ich rutsche näher zu Taekwoon und lege meine Arme um ihn. Meine Augen füllen sich bereits mit Tränen.
"Danke", flüstert er kaum hörbar. Ich streiche sanft über seinen Rücken. Könnte ich doch nur ein gebrochenes Herz heilen. Wir verharren in dieser Umarmung. Es ist genau das, was ich auch brauche. Tränen beginnen aus meinen Augen zu laufen. Tränen, die ich schon lange zurück halte. 

Nach einiger Zeit lösen wir uns voneinander. "Kannst du bei der Beerdigung neben mir sitzen?", bitte ich ihn mit tränenerstickter Stimme. Taekwoon nickt leicht. Sanft lächelnd zieht er mich erneut in eine Umarmung. Meine Zimmertür öffnet sich. Mehrere Arme schlingen sich um uns. "Wir sind immer für dich da Sunnie", erklärt Jaehwan "Für immer" Ich nicke, obwohl er es wahrscheinlich nicht sehen kann. Taekwoon ist der erste, der sich aus der Umarmung windet. "Wir sollten uns fertig machen", bestimmt er und fällt zurück in sein altes Benehmen. Wir stimmen ihm zu. Alle, außer Wonshik verlassen das Zimmer. "Schaffst du es? An die Beerdigung zu gehen meine ich", frägt Wonshik nach. Ich stelle mich auf Zehenspitzen und küsse ihn. "Ja", flüstere ich leise. Wonshik streicht nocheinmal über meine Wange, bevor auch er geht. 

_____________________________________

Es ist schon krass darüber nachzudenken, dass Leo Sun eigentlich die ganze Zeit nicht gemocht hat 0.0

Sonnenauge ~ #PlatinAward19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt