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Gemeinsam biegen wir in einen abgelegenen Teil des Parks ein. Und jetzt? Taekwoon stellt keine Fragen. Soll ich einfach erzählen? Unsicher knete ich meine Fingerknöchel. Ich ziehe nocheinmal tief Luft ein, bevor die ersten Worte meinen Mund verlassen. "Da waren du und eine Frau. Du hast Klavier gespielt, während die Frau eine Hand auf deiner Schulter hatte. Plötzlich ist sie weg gegangen. Du hast angefangen zu schreien. Und dann war da dieser schwarze Nebel und sie kam wieder. Und dann. Dann", am Schluss beginne ich zu stottern. Es ist zu schrecklich es auszusprechen. Genervt schnaubt Taekwoon plötzlich, während ich immer noch vor mich hin stottere. "Jetzt sag es einfach!", schnauzt er mich aggressiv an. Erschrocken weiche ich leicht zurück. Er hat noch nie so mit mir geredet. Er scheint eine andere Person zu sein. Ich sammle meinen gesamten Mut "Der schwarze Nebel hat dich umschlossen, was heißt, dass du sterben wirst", bringe ich mit fester Stimme heraus. Taekwoons schmale Augen weiten sich. "Sterben?", murmelt er geschockt. Doch dieser Zustand hält nur kurze Zeit an, keine Sekunde später ist sein Gesicht wieder kalt. Er hat Angst, das spüre ich sofort. "Wer war diese Frau? Beschreib sie mir", befiehlt er mir nun mit festerer Stimme, doch ein leichtes Zittern kann ich immer noch heraushören. Es war eine gute Idee es nur ihm zu erzählen. Es ist etwas persönliches und diese Frau hat irgendeine Bedeutung für ihn.

Ich schließe kurz meine Augen und rufe mir das Aussehen der Frau wieder ins Gedächtnis. "Groß, schlank. Ihre Haare waren lang. Dunkelbraun. Sie hatte eine markante, aber elegante Nase. Ihre Gesichtszüge waren weich und ihre Augen groß, wunderschön, weise und rund" Ich sehe sie vor mir. In diesem weißen Kleid. Wie ein Engel, der den Tod bringt. Taekwoon beginnt nach Luft zu schnappen. Sofort reiße ich mich von dem Bild der engelsgleichen Frau los und fasse sanft seinen Arm. "Areum", murmelt Taekwoon fassungslos. "Areum" Immer wieder wiederholt er diesen Namen. Ist das ihr Name? Areum. Schönheit. Er passt zu ihr. "Wie. Das kann nicht sein", stottert Taekwoon weiter. Er hat vollständig die Fassung verloren. "Wer ist sie?", frage ich sanft nach. Taekwoon ignoriert mich. "Oppa?" Gestresst und mit zittrigen Händen fährt Taekwoon durch seine Haare. "Meine Exfreundin", bringt er heraus. Aber was sollte seine Ex mit seinem Tod zu tun haben. "Was ist passiert?", möchte ich weiter wissen. Jede Information kann mir dabei helfen die Vision zu deuten.

Taekwoons Augen füllen sich mit Wut. "Das geht dich überhaupt nichts an! Du weißt nicht wie es ist verlassen zu werden, also tu nicht so, als würdest du mich verstehen", schreit er wütend. Leicht zucke ich unter seinem harschen Ton zusammen. Ich atme einmal kurz auf und lege sanft meine Hand auf seine Schulter. "Ich verstehe dich. Es weiß eigentlich niemand davon, aber ich hatte noch eine Schwester", beginne ich. Taekwoon schaut mir zum ersten Mal wirklich in die Augen. Er scheint erschrocken zu sein. Über meine Ehrlichkeit und das Vertrauen, das ich gerade in seine Hände lege. "Ihr Name war Sang. Sie wurde drei Jahre nach mir und Seong geboren und war der größte Stolz unserer Eltern. Sie war hübsch, immer fröhlich und liebevoll, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie wir alle sie geliebt haben", führe ich meine Geschichte fort. Der alleinige Gedanke an Sang reißt wieder alte Wunden auf. Doch Taekwoon braucht das. Er muss verstehen, dass er nicht alleine ist. Dass er mir vertrauen kann. "Als sie gerade vier wurde sind sie und mein Vater in einen Autounfall geraten. Er hat es knapp überlebt. Sang dagegen ist noch an der Unfallstelle verstorben. Ich weiß, wie es sich anfühlt einen geliebten Menschen zu verlieren ", ende ich meine Erzählung.

Taekwoon wendet seinen Blick von mir. "Sie hat mich verlassen, nachdem ich mich ihr endlich öffnen konnte. Sie hat meine Ängste als idiotisch angesehen. Und dann war sie am nächsten Tag weg. Alles war weg",flüstert er leise. Ich strecke meine Hand nach seiner aus. "Du hast jetzt uns. Wir sind deine Freunde. Keiner von uns würde dich je verlassen", ermutige ich ihn. "Das weiß ich", entgegnet Taekwoon leise "Ich darf es mir schon oft genug von Wonshik und Hakyeon anhören" Die beiden wissen also, was er durch macht. Ich glaube ich weiß etwas, was ihm helfen könnte. Nocheinmal fasse ich allen meinen Mut zusammen. Ich trete einen Schritt vor und lege meine Arme um Taekwoons Taille. "Wir werden aufpassen, dass du nicht stirbst. Wir alle", flüstere ich leise gegen seinen Rücken. Wir bleiben in dieser Position, ohne irgendetwas zu sagen oder uns zu bewegen. Wonshik und Hakyeon wissen vielleicht von seinen Problemen, aber sie tun nicht das, was er eigentlich braucht. Er muss nicht nur hören, dass jemand für ihn da ist, sondern er muss es fühlen.

Langsam lösen wir uns aus der Umarmung. "Wir sind für dich da", wiederhole ich nocheinmal. Taekwoon nickt. Gemächlich machen wir uns auf den Weg zurück zur Wohnung. Taekwoon ist wieder in sein altes Selbst gerutscht, aber ich kann es ihm nicht verübeln. So viel schlechtes, wie er erlebt zu haben scheint, kann nur so etwas aus einem Menschen machen. Vor der Wohnungstür bleibt er nochmal stehen. "Danke, dass du deine Vision keinem erzählt hast. Ich stehe dafür in deiner Schuld", bedankt er sich. Ich setze ein freundliches Lächeln auf und nicke. "Das war nur selbstverständlich", kann ich nur erwidern, bevor Taekwoon die Tür öffnet.

Die restlichen Jungs hängen immer noch an der Tür. "Sunie, Taekwoonie", begrüßt Jaehwan uns leise. Taekwoon antwortet nicht, sondern verschwindet direkt wieder in seinem Zimmer. Gerade rechtzeitig, denn in diesem Moment wird Hyuks Tür geöffnet. Hakyeon und Hongbin können sich gerade so retten, aber Wonshik und Jaehwan erwischt es kalt. Beide fallen ins Zimmer direkt vor die Füße des Maknaes. "Was soll ich nur tun!", quietscht Jaehwan sofort. Hongbin und ich verziehen beide unsere Gesichter, während Wonshik ungeschickt versucht elegant aufzustehen. "Ich sollte wohl besser gehen. Tschüss Oppa", verabschiedet Eun sich und rast an mir vorbei. Hübsch ist sie, das muss ich sagen. Die Haustür fällt zu. "Euer Ernst?", fragt Hyuk die Jungs genervt. "Ihr habt uns ernsthaft die ganze Zeit belauscht?" Alle nicken. "Wie wäre es, wenn wir alle Eis essen gehen würden, als Entschuldigung, dass wir dir dein Date versaut haben", versucht Hakyeon den sauren Hyuk zu besänftigen. Darauf fällt Hyuk doch nicht rein?
"Na gut", stimmt Hyuk zu. Und ich habe mich geirrt. Er ist ein kleiner Volltrottel und fällt natürlich darauf rein.

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Ottokajiiiiiii!

Taekwoonie hatte es wirklich nicht einfach, kein Wunder, dass er so kalt ist...

Sonnenauge ~ #PlatinAward19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt