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Er mag mich. Jung Taekwoon, der Junge, vor dem ich am meisten Angst habe, mag mich.
"Du willst sie doch nur für dich!", meckert Jaehwan ihn nun an. "Nein, das möchte ich nicht. Ich tue nur das, was wir tun sollen und ich würde dir raten dasselbe zu tun", entgegnet Taekwoon ruhig, aber bestimmt. Nun höre ich nur noch Jaehwans verächtliches Lachen. "Ich kann nichts dafür, dass du es nicht unter Kontrolle hast", fährt Taekwoon fort. Jaehwans Lachen wird lauter. "Ich habe mich unter Kontrolle!", lacht er. Taekwoon schnaubt. "Warum berührst du mich dann die ganze Zeit und setzt es ein?", widerlegt er Jaehwans Aussage. Dessen Lachen verstummt.
Was setzt er die ganze Zeit ein?
"Ich", beginnt Jaehwan, verstummt dann jedoch. Verwirrt weiche ich von den Stimmen zurück.
Irgendwas stinkt hier gewaltig. Über was reden sie? Es kann nicht nur um mich gehen.
"Ich gehe jetzt wieder zu ihr und bringe sie Heim. Das ist jetzt das Beste", beschließt Jaehwan. Ihre Stimmen kommen näher. "Nein, ich und Wonshik bringen sie Heim und du gehst zu Hakyeon und erzählst es ihm. Wir können dich nicht in ihre Nähe lassen, wenn du es nicht kontrollieren kannst", bestimmt Taekwoon leise, jedoch kann ich ihn gut verstehen.

Obwohl ich jedes Wort verstehe, machen sie für mich keinen Sinn. Was hat Jaehwan nicht unter Kontrolle und warum kann er nicht in meine Nähe? Und was hat Hakyeon damit zu tun. Diese Fragen schwirren durch meinen Kopf, als die drei Jungs auf mich zulaufen. Sie wollten nicht, dass ich es höre, also spreche ich sie nicht darauf an, oder nur Jaehwan alleine. Er würde es mir am ehesten erzählen. "Sunnie. Taekwoon und Wonshik bringen dich nach Hause und sie werden es deiner Mutter erklären. Hakyeon-hyung braucht meine Hilfe, sonst hätte ich das natürlich übernommen", erklärt Jaehwan mir direkt, nachdem sie vor mir stehen geblieben sind.
Eher braucht Jaehwan Hakyeons Hilfe, aus welchem Grund auch immer.
Jaehwan möchte mich zum Abschied umarmen, doch Taekwoon zieht ihn aus meiner Reichweite. Unsicher winke ich Jaehwan also nur. Dieser entfernt sich langsam, jedoch nicht ohne Taekwoon in den Rücken zu schlagen.

Wonshik stellt sich, ohne ein Wort zu sagen, neben mich und zieht mich mit. Wut baut sich langsam in mir auf. "Ich kann selbst laufen", wehre ich mich, während ich versuche mich aus seinem Griff zu befreien, doch Wonshiks eiserner Griff lockert sich nicht.
Irgendwas an Wonshik macht mich wütend. Irgendetwas an seiner Ausstrahlung, das mich früher verunsichert hat.
"Wonshik", mahnt Taekwoon ihn leise. Mit einem tiefen Knurren lässt der Größere mich los. Brummend reibe ich mein brennendes Handgelenk. "Alles ok?", möchte Taekwoon mit emotionslosem Gesicht nun von mir wissen. Wir biegen in eine Seitenstraße. Stumm nicke ich nur. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln biegen wir wieder ab. Wonshik läuft vor mir. Durch sein Shirt kann ich sehen, wie sich seine Rückenmuskeln je tiefer wir in die Gassen laufen immer mehr anspannen. Auch Taekwoon neben mir scheint sichtlich nervös. Plötzlich scheppert etwas laut hinter uns. Beide Jungen drehen sich sofort zum Geräusch. Doch in der Gasse ist nichts zu sehen.
Wieso muss ich auch in einem verzweigten Viertel wohnen?

Plötzlich verstehe ich, wieso meine Mutter mich nie alleine nach Hause laufen lassen hat. Die letzten Tage bin ich immer große Umwege gegangen, um genau diesen Gassen auszuweichen. Sie kosten nur viel Zeit. Ängstlich beschleunige ich meinen Schritt, Taekwoon und Wonshik tun es mir gleich. Wieder scheppert es hinter uns. Schritte ertönen. Meine Angst breitet sich aus und Panik brennt durch meinen Körper. Adrenalin rauscht durch meinen Körper, als Wonshik wieder meine Hand packt und losrennt.

Ich beginne zu keuchen. Die Panik umschließt meinen gesamten Körper, meine Kette klappert gegen meine Brust. Die Schritte hinter uns werden leiser. Etwas knallt laut. Keuchend kommen wir am Ende der Gasse an. Wonshik verlangsamt jedoch seinen Schritt nicht. Er zieht mich immer weiter, bis wir in meine Nachbarschaft einbiegen. Schwer atmend gehe ich in die Knie. Während ich langsam wieder zu Atem komme, drehe ich mich um zu Taekwoon. Zumindest möchte ich das, aber er ist nicht hinter uns.
Besorgt schaue ich Wonshik an. "Wo ist Taekwoon-oppa?", bringe ich, nach Luft schnappend, heraus.

Wonshik dreht sich, sichtlich besorgt, herum. Sorgen erfüllt stehe ich auf. Mit wackelingen Beinen blinzel ich in die Dunkelheit. In diesem Moment schleppt sich jemand aus einer Gasse. Wonshik neben mir spannt sich sofort wieder an. Mit seinem Arm schiebt er mich hinter sich. Doch als die Person näher kommt entspannt er sich wieder. Es ist Taekwoon. Ich schiebe mich an Wonshik vorbei und renne zu ihm. Seine Lippe ist leicht blutig, doch ansonsten scheint er unverletzt. "Was wollten diese Leute von uns?", bringe ich heraus, während ich mir Taekwoons Lippe näher anschaue. "Stress", antwortet Taekwoon mir kurz und schiebt meine Hand weg, die ich an sein Kinn gelegt habe.
Die Panik in mir schwindet langsam und ersetzt sich durch Erleichterung. Den beiden Jungs geht es gut. "Es ist nicht mehr weit bis zu mir. Ich kümmere mich um deine Lippe und dann ruft ihr euch bitte ein Taxi. Jetzt werdet ihr sicher nicht mehr zu euch Heim laufen", bestimme ich kurzerhand. Taekwoon möchte abwehren, doch als mein besorgter Blick seinen trifft, nickt er nur.

Meine Schlüssel klappern, als ich die Haustür aufschließe. Das gesamte Haus ist dunkel.
Entweder schlafen Mum und Seong schon oder sie sind beide nicht daheim. Zweites wäre mir persönlich lieber.
Ich bringe Taekwoon und Wonshik ins Wohnzimmer. "Wollt ihr noch etwas zu trinken? Nach dem Schock", frage ich. Wonshik wirft einen durchdringenden Blick zu Taekwoon. Dieser wird von Taekwoon etwas genervt erwidert. "Tee, aber nur wenn es dir keine Umstände bereitet", antwortet er mir dann.
Als ob die beiden ihre Gedanken lesen könnten.
"Macht es nicht", entgegne ich, bevor ich in der Küche verschwinde, um etwas heißes Wasser aufzusetzen.
Ich hoffe sie mögen Pfefferminz, denn anderen haben wir gerade nicht im Haus.
Während das Wasser kocht, befeuchte ich einen Lappen mit etwas Wasser. Ich fülle das Wasser in drei Tassen und bringe diese und den Lappen ins Wohnzimmer. Wonshik greift sofort nach einer Tasse, während ich sanft Taekwoons Lippe mit dem Lappen reinige. Er wehrt sich zuerst, aber durch einen scharfen Blick von mir, hält er dann still. Die Wunde ist zum Glück nur klein und hat von selbst aufgehört zu bluten. Erleichtert setze ich mich neben Taekwoon und nehme mir die dritte Tasse. "Zum Glück ist nicht mehr passiert", murmel ich leise. Taekwoon nickt nur stumm. Es hätte schlimmer kommen können. Ich bin froh, dass die beiden bei mir waren, wer weiß, wie das sonst ausgegangen wäre.

Sonnenauge ~ #PlatinAward19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt