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Von meinem Fenster aus beobachte ich, wie das Taxi von Taekwoon und Wonshik abfährt. Ich habe ihnen vorgeschlagen heute Nacht hier zu bleiben, jedoch hat Taekwoon es scharf abgelehnt. Voller Sorgen nehme ich mein Handy aus meiner Jackentasche. Drei Nachrichten von Hyuk und Jaehwan. Jaehwan entschuldigt sich für seinen schnellen Abgang von vorhin und Hyuk fragt, ob es mir gut geht. Die Nachricht ist gerade erst gekommen, also muss Taekwoon es ihm gesagt haben.
"Ja, es war nur ein ziemlicher Schock", antworte ich schnell, bevor ich mich bettfertig mache. Durch meine Sorgen um Taekwoon ist meine Panik schnell verblasst, doch jetzt kehrt sie zurück.

Ich muss mich ablenken. Mit zittrigen Beinen lege ich mich in mein Bett. An etwas anderes denken. Sofort kommt mir der Streit zwischen Taekwoon und Jahewan wieder in Erinnerung. Was hat Jaehwan nur nicht unter Kontrolle? Es muss etwas mit seinen verhäuften Berührungen zu tun haben, denn als er Taekwoon widersprochen hat, hat Taekwoon nur >Warum berührst du mich dann die ganze Zeit und setzt es ein?<
Aber was setzt er ein, indem er Taekwoon oder anscheinend auch mich berührt. Es muss irgendwas mit dem Gefühl zu tun haben, das ich immer habe, wenn er mich berührt. Das ist die einzige logische Erklärung. 

Nur was hat das jetzt mit der Sache zu tun, dass Taekwoon nicht möchte, dass ich eine Beziehung mit Jaehwan anfange? Er verbindet das beide. Aber so bringt das nichts. Ich lehne mich aus meinem Bett und nehme einen Stift und Block zur Hand. Ich beginne alles aufzuschreiben, was mich über die Jungs verwirrt. Von Wonshiks seltsamen, gruseligen Blicken, zu Hyuks Interesse an meiner Kette und dem Gespräch zwischen Jaehwan und Taekwoon. Langsam ziehe ich Pfeile zwischen den Ereignissen. Alles kann man irgendwie verbinden, außer die Sache, dass Wonshik nicht mit mir redet. Langsam glaube ich nämlich nicht mehr, dass er nur krank ist. Da ist etwas anderes, also setze ich dahinter noch ein Fragezeichen. Ich setze meinen Stift ab und betrachte das Blatt. Alle Sachen scheinen in einem Punkt zusammen zu kommen, nur fehlt mir dieser.

Mein Stift trommelt auf meinem Block.
Wieso fehlt mir dieser eine Punkt? Ungeduldig wippe ich hin und her. Was könnte es sein?
Ich schließe meine Augen und gehe nochmal jedes Ereignis mit den Jungs durch. Jedoch hält dies nur kurz an, da mir das Bild von Wonshiks nackten Oberkörper wieder ins Gedächtnis. Nein! Nein! Nein! Nicht schon wieder. Ich mag den Typen noch nicht mal. Wieso denke ich immer daran? Konzentriere dich Sun! Bleib bei der Sache.
Aber da war noch etwas. Genau an diesem Tag. Hakyeon hat doch, als ich nicht da war, gesagt, dass Hyuk und Hongbin ihre Shirts nicht ausziehen solle, weil ich etwas von Wonshik schon gesehen habe. Da gab es doch kaum etwas zu sehen, natürlich abgesehen von einem männlichen, muskulösen Oberkörper.
Nein Sun! Du denkst nicht an seinen wunderbar gebauten Körper. Verdammt! Konzentration. Könnte er etwa damit Wonshiks Tattoo gemeint haben?
Schnell kritzel ich diesen Punkt noch an den Rand. Ich versuche mir Wonshiks Tattoo wieder in den Kopf zu rufen, doch es funktioniert nicht.
Aber es hat etwas mit diesem ganzen Versteckspiel zu tun, da bin ich mir sicher.

Mit einem Seufzen lege ich wieder hin.
Auch wenn ich schon einiges habe, dieser eine wichtige Punkt fehlt mir und gerade kann ich eh nicht mehr machen.
Ich schließe meine Augen und versuche noch etwas zu schlafen, auch wenn sich wahrscheinlich eh nicht lohnen wird.

Der Raum um mich ist vollkommen schwarz. Ich versuche mich zu bewegen, doch ich bin wieder wie festgefroren.
Schon wieder so ein Traum.
Ein lautes Schleppern ertönt hinter mir. Erschreckt drehe ich mich ruckartig um. Wonshik sitzt auf einer leichten Erhöhung vor mir. Sein Kopf wird von einem Dornenkranz geschmückt, seine Hände sind mit Dornen an dem Stuhl befestigt. Sein Shirt ist zerrissen, das Tattoo auf seiner Brust glänzt vor Schweiß. Sofortige Sorge rast durch meinen Körper, da er leblos zur Seite starrt. Ich möchte seinen Namen rufen, doch kein Wort verlässt meinen Mund. Ich kann ihn nicht ausstehen, aber ich kann es auch nicht aushalten ihn so zu sehen. Da endlich bemerkt er mich. Er öffnet seinen Mund, doch kein Wort dringt heraus. Seine geräuschlosen Rufe lösen sich in silbernem Nebel auf. Nein. Nebel hat schon letztes Mal nichts Gutes ergeben. Ich versuche mich verzweifelt loszureißen, doch die unsichtbare Macht, die mich zurückhält ist zu stark. Langsam aber sicher löst Wonshik sich vor meinen Augen auf, seine Augen brechen dabei jedoch nie den Kontakt zu meinen.

Lautes Lachen ertönt. Noch immer verstört von meiner Begegnung mit Wonshik drehe ich mich um. Es sind mein jüngeres Ich, Seong, meine Mutter, mein Vater und Sang, die aus einem Laden gehen. Erinnerungen treten wieder in mir hervor. Lang unterdrückte Erinnerungen. Das darf nicht sein. "Dann machen Seong und ich wohl ein Männerauto", lacht mein Vater laut. Seine Stimme klingt seltsam verzerrt. Nein ich will das nicht hören. Nein. "Nein", protestiert Seong stur und reißt sich aus dem Griff meines Vaters. Das jüngere Ich greift nun nach der leeren Hand meines Vaters. Nein. Nein. Alles nur nicht dieser Tag. Ich möchte mein Ohren zu halten, doch etwas hält mich auf. Nein. "Nein! Sun bleibt bei mir", mischt Seong sich wieder ein. Mein Vater schenkt ihm einen traurigen Blick. Sang tritt nun hervor. Nein. Nein Sang tu es nicht. Bitte tu es nicht. "Ich fahre mit Daddy", ihre sanfte, herzliche Stimme fährt durch meine Ohren, direkt in mein Herz. Wieso hat sie es getan?

Mein Vater nickt und nimmt sie an der Hand. Ich und Seong verschwinden. Da wird Sang wieder von dem schwarzen Rauch umschlossen. Nein. Sie darf nicht sterben.
Nein.
Nein.
Ich will es nicht sehen. Doch die unsichtbare Macht schenkt mir keine Gnade. Doch mein Albtraum scheint nicht zu enden. Plötzlich wächst Sang. Sie wächst und wächst. Es scheint nicht aufzuhören. Der schwarze Rauch umhüllt mich vollständig. Panisch versuche ich ihn wegzustoßen, doch es geht nicht. Ich kann mich immer noch nicht bewegen. Der Nebel lichtet sich langsam. Das Auto meines Vaters fährt weg. Doch es ist nicht Sun, die auf der Rückbank des Wagens sitzt. Tränen beginnen aus meinen Augen zu fließen, als ich die Person erkenne. Hyuk. Wieso er? Doch ich bekomme keine Antwort. Der schwarze Nebel umhüllt das Auto. Reifen quietschen und ein lauter, markerschütternder Knall ertönt.
Hyuk...
Sang...
Es ist meine Schuld.

Sonnenauge ~ #PlatinAward19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt