Als erste betrete ich das Klassenzimmer.
Gut. Wenigstens etwas. Dann kann ich gleich wenigstens versuchen mit meinen alten Freunden zu reden. Zumindest versuche ich es. Müdigkeit übermannt mich. Der Albtraum hat wirklich seine Spuren hinterlassen. Angestrengt halte ich meinen Blick auf der Klassenzimmertür, vielleicht kommen Jumi und Soo-Jin gleich.Die Türe rattert leicht, als sie aufgeht. Hongbin kommt mit einem breiten Lächeln direkt auf mich zu. Hinter ihm Byeol und Jumi. Alle drei schauen zu mir. Ich setze ein Lächeln auf und winke ihnen. Doch nur Hongbin erwidert es, die beiden Mädchen ignorieren es, rümpfen aber genervt ihre Nase. Enttäuscht lasse ich meine Hand sinken. "Lass die. Sie haben eine so tolle Freundin, wie dich nicht verdient", versucht Hongbin mich aufzumuntern. Er setzt sich neben mich und tätschelt meine Schulter. "Wenn das so wäre. Wen hätte ich dann schon verdient", murmel ich und vergrabe meinen Kopf in meinen Händen. "Du hast mich, Sanghyukie, Hakyeon, Wonshik, Jaehwan und Taekwoon! Was willst du mehr?", versucht Hongbin es.
Etwas an diesem Satz heitert mich auf. Sie sehen mich als ihre Freundin? "Also mögt ihr mich?", frage ich mit etwas mehr Enthusiasmus. "Natürlich, wer könnte dich nicht mögen?", lacht Hongbin.Die beiden Leute, die am anderen Ende des Klassenzimmers sitzen. Hongbin streicht über meinen Kopf. "Wir mögen dich Sunnie. Du bist unsere Freundin", wiederholt er seine Worte. Glücklich hebe ich meinen Kopf und schaue ihn an. "Da", lacht er "Da ist das Lächeln, das ich an dir sehen will" Ich schlage spielerisch seine Schulter. Lachend schlägt er sanft zurück.
"Leute!", schreit eine Stimme von der Tür aus "Wir haben kein Geschichte heute! Längere Mittagspause für alle" Diese, mir leider schon zu bekannte, Stimme stammt von Sanghyuk. Hongbin neben mir schaut Sanghyuk genervt an. Das kindische Getue des Jüngeren scheint ihm auf die Nerven zu gehen. Sanghyuk hüpft buchstäblich zu uns. "Ich bin so froh, dass die alte Ziege krank ist", freut er sich. Hongbin und ich nicken nur. Er hat die schöne Atmosphäre gestört. Sanghyuk beginnt von seinen Plänen in der Entfallstunde zu erzählen, aber irgendwann schalte ich einfach ab und richte meinen Blick auf meine aten Freundinnen. Sie lachen lautstark über etwas.
Früher wäre ich auch dabei gewesen, jetzt ist das anscheinend wirklich vorbei.Eine Hand stupst mich an. Erschrocken schaue ich direkt in Sanghyuks Gesicht. “Sun-noona? Meine Frage“, fragt er mich. Ich lege nur meinen Kopf schief.
Sanghyuk möchte wissen, ob du mit ihm und Hongbin was in der Freistunde machen möchtest.
“Achso. Ja klar. Gerne“, antworte ich schnell, dank Ravis Informationen.
Danke.
Kein Problem.
Nach drei nicht ganz so langen Stunden, laufe ich mit Sanghyuk und Hongbin in Richtung Schulgarten. “Wieso nochmal der Schulgarten? Wir könnten auch in die Bibliothek und lernen“, möchte ich wissen. Hongbin lacht. “Wir wollen aber lieber mit dir reden. Die Aufgaben können wir auch noch später machen“, antwortet er mir. Mit Schaudern denke ich an den Berg Arbeit, den wir jetzt schon vor uns haben. Die Jungs ignorieren meine weiteren Beschwerden jedoch und ziehen mich buchstäblich in den Garten. Dort machen wir es uns am Rand bequem.
Unsicher setze ich mich neben Sanghyuk.
Über was sollen wir denn jetzt bitte eine volle Stunde reden? Irgendwann werden uns sicher die Gesprächsthemen ausgehen. Das wird dann sicher mega peinlich. Warum?
“Sunnie, du reist gerne oder?“, fragt Hongbin mich. Immer noch nervös nicke ich. “Wo warst du schon überall?“, möchte Sanghyuk wissen. “Weiter als Busan bin ich nie gekommen, meine Mutter hat nicht das Geld für große Reisen“, erkläre ich ihnen bedrückt. Hongbin nickt verstehend. “Wo möchtest du überall hin, wenn du könntest?“, versucht er Sanghyuks Frage zu verändern. Sie lassen mir eine kurze Denkpause. Wohin? Eigentlich überall hin. Ich möchte die ganze Welt sehen.
“Überall. Eine Weltreise wäre schön. Aber mit Europa würde ich mich auch zuerst zufrieden geben“, versuche ich meine Gedanken in Worte zu fassen.E=mc²
Ravi?
Ah, was?
Was redest du da?
Ich habe nichts gesagt.
“Europa also. Nice. Ich war dort für drei Jahre in der Schule“, reißt Hongbin mich aus meinen Gedanken.
Glaub nicht, dass ich das vergessen werde, Ravi.
Gespannt lausche ich Hongin über sein Leben in Europa. “Und dann bin ich mit meinem Vater über die spanische Grenze nach Frankreich gefahren“ Verwirrt schaue ich ihn an. “Du meinst vermutlich die deutsche Grenze. Von der Schweiz nach Spanien und dann nach Frankreich zu fahren kommt mir ziemlich unlogisch vor“, verbessere ich ihn. Hongbin läuft rot an. “Ja, natürlich die deutsche Grenze, ich hab das total verwechselt“, murmelt er beschämt. Sanghyuk beginnt leise zu Kichern. “Passiert mal“, muntere ich ihn auf, kann mir aber ein leises Lachen auch nicht unterdrücken. Immer noch beschämt, schlägt Hongbin Sanghyuk auf die Schulter. “Themawechsel“, bestimmt er. Wir bleiben kurz still. Super es ist passiert. Wir können über nichts reden. Verdammt.
Nervös beginne an meinem Blazer zu zupfen. “Ist das nicht Wonshik Hyungs Blazer?“, fragt Sanghyuk mich. Verwirrt schaue ich ihn an.
Als ob ihm das nicht aufgefallen ist. “Ja, meiner ist gestern nicht mehr aufgetaucht. Hoffentlich finden wir ihn heute“, antworte ich leise “Lasst uns wieder übers Reisen reden. Wo würdest du nie im Leben hingegen?“, wechselt Sanghyuk wieder das Thema. Das ist jetzt nicht sein Ernst? “Sanghyuk, sowas kannst du nicht fragen“, ermahne ich den Jüngeren. Dieser nickt, zwar nicht verstehend, aber er akzeptiert meine Meinung. “Hyuk“, ergänzt er zu seinem Nicken. Ich schenke ihm einen verwirrten Blick. “Wir sind doch befreundet, Noona. Und meine Freunde nennen ich Hyuk, also darfst du das auch tun“, erklärt er mich lächelnd. Mit einem Grinsend zerwuschle ich seine Haare. “Dann ist es für dich auch nur noch Sun. Kein Noona mehr ok?“, biete ich ihm an.
Es tut gut Leute, wie die beiden zu haben.
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Sonnenauge ~ #PlatinAward19
FanfictionIch hatte ein normales Leben, zumindest bis zu dem Tag, als alles den Bach runter ging. Meine Freunde begannen mich zu hassen, meine Mutter und mein Bruder schlossen mich aus ihrem Leben aus. Ich war alleine. Alles was mir blieb war ein Geschenk mei...