Epilog

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Langsam verlassen wir die Kapelle. Wonshik an meiner einen Seite, Taekwoon an der anderen. Vor der Kirche sitzt meine Mutter, ihr Gesicht in ihren Händen vergraben. Sie schluchzt herzzerreißend. Meine Großmutter sitzt neben ihr, einen Arm um ihre Schultern gelegt. Schuldgefühle treten in mir hoch. Sie beide wissen nicht, dass Ra tot ist. Ich konnte es nicht über mein Herz bringen es ihnen auch noch zu sagen. Mum hätte dann nichts mehr, für das sie leben könnte, damit würde ich auch sie verlieren. Ich löse meine Hand aus Wonshiks Griff und gehe zu ihnen. Meine Großmutter lächelt mich schwach an, ihre Augen sind rot, tiefe Augenringe ziehen sich darunter. Sie muss viel geweint haben. Ich gehe in die Knie, um eine Hand auf den Oberschenkel meiner Mutter zu legen. Ihr Geruch ist immer noch gleich. Sofort fühle ich mich wohler. Mum scheint mich zu bemerken. Sie hebt ihren Kopf. Nichts mehr ist übrig von meiner starken Mutter. Ihre Wangen sind eingefallen, sie ist blass und erinnert mich eher an einen Geist, als an die Frau, die mich großgezogen hat.

"Sun", flüstert sie und legt ihre zitternde Hand an meine Wange. "Es tut mir so leid" Ihre Augen sind voller Reue. "Ich liebe dich so sehr mein Schatz. Ich", sie beginnt zu stottern. Ich schlinge meine Arme um sie. Atme ihren Geruch ein. Spüre ihre Wärme. Nun fange auch ich an zu weinen. "Ich liebe dich auch Mum", flüstere ich. Meine Mutter löst sich von mir, lächelt mich schwach an. "Ich liebe dich am meisten" Ich nicke. Sie wollte das alles nie sagen, was sie damals sagte. Es war Seong. Er hat sie manipuliert mit seiner Fähigkeit. "Seong hat dich auch geliebt. Das hat er wirklich", schluchzt sie schwach. Ein schweres Beil macht sich seinen Weg durch mein Herz. Doch ich lasse es mir nicht anmerken. Meine Großmutter schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln. Ich schlucke den Kloß herunter der sich in meinem Hals gebildet hat. "Du kannst immer nach Hause zu uns kommen. Wann du willst", erklärt sie mir. Ich nicke und umarme auch sie.

Traurig sehe ich meiner Familie hinterher. Was davon übrig geblieben ist. Meine Mutter wird nicht mehr nach Hause kommen. Sie wird in Betreuung in einer Klinik bleiben und das ist auch besser so. Seongs Tod hat sie hart getroffen. Wonshik nimmt wieder meine Hand und drückt sie aufmunternd. Mein Blick wendet sich von ihm zum Friedhof hinter der Kirche. Zu Seongs Grab. "Wir warten am Ausgang" murmelt Wonshik. Er versteht mich sofort. Er drückt einen Kuss auf meinen Kopf, bevor er meine Hand loslässt und zum Rest der Jungs geht. Jetzt oder nie. Mit schweren Schritten laufe ich in der Dunkelheit zum Grab. Dort liegt es vor mir. Nur von einer Kerze erleuchtet. Von der Sonne verlassen.

Wieso musstest du das tun Seong? Ich weiß, dass du kein schlechter Mensch warst. Wieso also? Ich verspüre keinen Hass. Nur Enttäuschung und Trauer. Wieso musstest du das tun? Konnten wir nicht einfach normal sein? War es Sangs Tod, der dich aus der Bahn geworfen hat? Schritte ertönen auf dem Kies. Jemand stellt sich neben mich. Stumm stehen ich und die Person nebeneinander. "Es tut mir Leid", murmelt die Person.
Hakyeon.
Die Enttäuschung wächst. Meine Brust verkrampft sich.
Ich habe nur eine Frage.

"Wieso?", bringe ich heraus, doch wir beide kennen die Antwort.
"Liebe", spricht Hakyeon es aus. Seine Stimme ist schwach. Sie zittert. Er ist gebrochen.
Wie ich.
Wie wir alle.
Wir beide haben Seong geliebt, vielleicht auf andere Arten, aber es war Liebe. Ich schaue neben mich. Eine Rose liegt in Hakyeons Fäusten. Im Licht der Kerzen kann ich sehen, wie sie in seine Haut sticht. Sie hinterlässt kleine Wunden. Es scheint ihm egal zu sein. Vielleicht bemerkt er es auch nicht.
Hakyeon kniet sich langsam hin. Die Rose auf das Grab legend. Trauer tritt in mir hoch. Seong hat uns beide geliebt. Er war nicht vollkommen böse. Wir beide wurden einsam zurück gelassen. Ich kann das nicht glauben. Ihn jetzt dort zu sehen. Kniend vor dem Grab meines Bruders. Der Mörder meines Vaters. "Was hast du um dich zu verteidigen?", flüstere ich. Keine Antwort von Hakyeon. Stumm steht er auf und nimmt meine Hand. Ich möchte sie wegreißen, doch in diesem Moment verschwimmt alles.

Seong steht vor mir. Er lächelt mich sanft an. Eine Geste, die mir nicht mehr zuteil wurde. "Es tut mir so weh, aber ich kann mich nicht von dir abwenden", höre ich Hakyeons Stimme. Seong berührt mein Gesicht. Ich bin in diesem Moment Hakyeon. Er zeigt mir eine Erinnerung. Das ist seine Kraft. "Schon in Ketten, als würde ich dich das erste Mal sehen", flüstert Seong. "Wie ein Hund bin ich trainiert von dir. Egal was ich tue, ich werde dich nicht verlassen können", führt Hakyeon fort. Seong küsst seine Stirn. Meine Gefühle sind losgelöst. "Der einzige in dieser Welt, der mich wirklich kennt"

Ich öffne meine Augen. Seong ist verschwunden. Stattdessen geht die Sonne hinter seinem Grab auf. Hakyeon lächelt mich traurig an. Langsam kommen mir Tränen in die Augen. Ein neuer Anfang für uns alle. Er hat die Sonne wieder aufgehen lassen. Hakyeon ist der neue Sonnengott. Ras Kräfte wurden bei seinem Tod auf seinen Mörder übertragen. Ich werde ihm niemals verzeihen können. Jedoch hat er Seong genauso geliebt wie ich es tat.

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Zwar ist das der Epilog, aber es wird nicht mein letztes Kapitel sein. Also freut euch auf ein allerletztes Kapitel mit ein paar Funfacts über Sun, VIXX, aber auch eine Hintergründe zu der Story an sich ^^

Sonnenauge ~ #PlatinAward19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt