Kapitel 19*

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Wieder dieser Schrei, der durch Mark und Bein ging. Irgendetwas lief hier ganz und gar falsch. Schritte hinter mir. Ich warf einen raschen Blick nach hinten. Ein dunkles Paar Augen und ein böser Blick starrten mir entgegen.

Raban

Ich nahm all meinen Mut zusammen und rannte die Treppen herunter. Meine Schuhe schlitterten auf den breiten Marmortreppen und ich sah mich schon jeden Moment flach auf dem Boden liegen. "O'dell!", schrie er. Doch ich drehte mich nicht um. Ich musste zu Bill, einfach weg.

"Ich weiß was ihr vor habt!", rief er mir noch nach und dann hörte ich wie er selber hastig Stufe für Stufe hinunter rannte. Seine Stimme ließ mich aufhorchen. Was wusste er? Ich rannte bis ich wieder in dem Ballsaal ankam. Ich wusste jetzt auch, von wo diese Schreie stammen. Da lag sie, zusammen gekauert wie ein alter Sack, den man nicht mehr brauchte. Sie zitterte am ganzen Körper und ihr Atem ging schnell und ruckhaft. Ich hörte ihr keuchen bis hin zu mir, obwohl ich nach diesem Treppenmarathon um einiges lauter schnaufte als sonst. Das blonde Mädchen mit den kurzen Haaren lag vor dem König. Er war umgeben von den vier Wachen, seinen treuen Dienern. Ich hatte sie oft gesehen, man nannte die vier auch die Blutenden. Sie beschützten ihn so gut es ging, egal ob sie dabei ihr Leben ließen.

"Sperrt sie zu den anderen Gefangenen, morgen sterben alle!", holte mich die energische Stimme des Königs zurück. Ich zitterte. Noch mehr unschuldige Tote? Zwei starke Hände legten sich um meine Schultern und rissen mich zurück. Der Schmerz raubte mir schier den Atem. Raban hielt mich noch immer fest. Die Blutenden führten das blonde Mädchen ab. Sie wehrte sich nicht einmal, wurde einfach so am Boden nach gezogen. Raban's Griff verstärkte sich.

"Die Kerker sind langsam überfüllt.", murmelte der König und grinste schäbig. Er liebte den Tod und das Verderben. Nun wandte er sich langsam zu mir. Ich hielt den Atem an. "Schon wieder du? Kassy?", seine Stimme bebte.

"Kiera..", sagte ich kühl. Raban griff noch stärker zu und ich war gezwungen in die Knie zu gehen.

"Kassy, Kiera, alles dasselbe.." Er schnaufte laut aus.

"Keine Sorge, Vater. Sie war bei dem Jüngsten, vielleicht hat sie ihm ja Vernunft beigebracht.", kam es von Raban. Er lachte. Ich spürte seinen Atem an meinem Nacken. Aber im Gegensatz zu Scars Nähe, fühlte ich mich bei ihm unwohl.

"Tatsächlich?" Der König drehte sich zu mir um. Seine dunklen, toten Augen sahen mich forschend an. Nach was suchte er? Nach der Wahrheit? Die fand er nicht in meinen Augen. Die Wahrheit sah er, wenn er aus dem Fenster blickte. Ein kahles Dorf mit Einwohner voller Angst. Vor lauter Angst würden sie sogar ihre Brüder und Schwestern verraten. Raban gab mir einen Stoß nach vorne, so dass ich vor dem König liegen blieb. Ich rappelte mich schnell wieder auf. Sein Blick hing immer noch an mir. "Ich habe leider keine Zeit, für solche Spielchen, da sich meine Gäste bereits vor den Eingangstoren horten. Ich habe dich gewarnt Kassy, schleiche nicht durch die Gänge, das wird ein bitteres Nachspiel haben. Nun geh und arbeite weiter, aber wenn ich dich noch ein letztes Mal hier in den Gängen herumschleichen sehe, bist du tot." Er lächelte und seine kalten Augen funkelten belustigend.

Die Blutenden waren wieder zurückgekehrt und stellten sich dicht neben ihm. Ich unterließ es, ihn ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, dass mein Name Kiera war. Ohne Worte drehte ich mich um und lief gerade aus zu der Treppe, welche nach unten führte. Ich sah Scar bei dem Treppengeländer weiter oben. Er stützte sich mit beiden Händen darauf ab und sah mir direkt in die Augen .Für einen Moment schien alles still zu stehen. Ich tat dass hier für mich, meine Schwester, für ihn und die Rebellen. Auch wenn ich am Ende mit dem Leben bezahlen musste.

Ich wandte meinen Blick wieder ab und lief weiter die Treppen runter. Auf dem halben Weg kam mir Gwen entgegen.

Sie lächelte, als sie mich sah, hob aber gleich tadelnd den Finger. "Das Essen macht sich nicht von alleine meine Liebe.", meinte sie. Ich nickte. "Wo hin gehst du und wo ist Bill?", fragte ich, anstatt auf ihren Satz einzugehen. Sie zeigte an mir vorbei nach oben. "Der König will mich sprechen und Bill ist unten." Sie wollte gerade weiter laufen, aber ich hielt sie auf.

"Warum will der König dich sprechen?" Es war nie ein gutes Zeichen, wenn der König jemanden sprechen wollte. Schon alleine aus dem Grund, da er sich eigentlich nie merken konnte, wer für ihn arbeitete.

"Nur wegen des Speiseplanes.", sagte sie lächelnd und winkte ab. Ich sah sie an.

"Mach dir keine Sorgen, ich komme gleich wieder. Sie du mal zu Bill, er spielt gerade."

Ich nickte. "Ist er in der Küche?"

"Nein, in den Gängen, aber du musst keine Angst haben, der Prinz ist bei ihm", sagte sie und lief weiter.

Auf einmal wurde mir heiß und kalt gleichzeitig. Der Prinz bei Bill? "Welcher?", rief ich, doch sie war schon verschwunden.

Ich rannte wie vorhin die restlichen Treppen herunter und lief den langen Gang entlang. Wo war er? Und vollem welcher Prinz war bei ihm? Scar konnte es nicht sein. Ich lief immer schneller bis ich endlich in den langen Gang mit den Gemälden kam. Dort hockte er am Boden und klatsche vergnügt. Seine Stimme hallte durch den langen Gang. "Sehana, Sehana." Immer und immer wieder wiederholte er ihren Namen. Ich seufzte. Zu meinem Glück hockte auch wirklich einer der Prinzen bei ihm, aber es war Sanse und nicht Raban wie befürchtet. In wenigen Schritten stand ich neben den Beiden.

Sanse hockte im Schneidersitz neben Bill und lächelte ihn an. Als er mich erblickte, sah er kurz nach oben. "Ah Kiera O'dell.", meinte er nur und wandte sich wieder zu Bill.

"Ah, Prinz Sanse und mein Bruder Bill.", erwiderte ich und hob Bill besorgt hoch. Er lachte, ein niedliches Kinderlachen. Meine Angst verschwand allmählich. Ich war eine schlechte Schwester und bestimmt wäre ich noch eine schlechtere Mutter.

"Ich hab schon auf ihn aufgepasst, du kannst ihn auch noch da lassen, wenn du willst.", sagte der Prinz und stand endlich auf. Er war zwei Köpfe größer als ich.

Ich nickte und sah wieder zu Bill. "Siehst du, ich habe dir gesagt, bleib lieber Zuhause.", meinte ich zu ihm, doch Bill schien das nicht zu stören "Sehana war auch hier.", meinte er nur und lächelte Sanse zu. "Bill...", seufzend fuhr ich mir durch die Haare. Irgendwann würde er es kapieren.

"Wer?", fragte Sanse. Ich schüttele bloß den Kopf und gab ihm Bill. "Pass aber ja auf ihn auf! Wenn ihm auch nur eines seiner Haare fehlt, ich schwöre dir" Ich sah ihn wütend an. Seine Mimik veränderte er kein bisschen. "Ist gut und das von seiner Schwester, die vor kurzem nicht mal mehr wusste, wo ihr Bruder ist.", gab er grinsend von sich.

Ich verdrehte die Augen. "Wie geht es eigentlich Foxy?", fragte ich ihn. Noch immer hielt er Bill und lächelte ihn an.

"So weit so gut, aber mein Vater will morgen alle Gefangen töten lassen." Seine Stimme veränderte sich kein bisschen.

"Und ich nehme einmal an, du hast einen Plan, um das zu verhindern?", frage ich nervös. Ich bekam nur ein schwaches Nicken von ihm.

"Ich werde nicht an dem Ball teilhaben, also habe ich genug Zeit, meinen Plan zu überdenken."

Jetzt nickte ich und sah zu Bill. "Gut, sind wir ja schon zwei."

Er sah mich erstaunt an. "Du gehst nicht auf den Ball?"

"Nein, zum einen arbeite ich, zum anderen ist es mir verboten, mich hier aufzuhalten.", murmelte ich und sah auf den Boden. Sanse zuckte mit den Schultern. "Du bräuchtest einfach eine Tarnung."

Tarnung? Diese Idee war Klever.

Darkswed die RebellenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt