Da Hermine noch einige Hausaufgaben zu erledigen hatte und diese wie immer nur ungern aufschob, verabschiedete sie sich nach dem Essen von den anderen. Sie machte sich auf den Weg in den vierten Stock zur Bibliothek. Sie kannte sie inzwischen schon in und auswendig, so dass sie nicht lange suchen musste, um die benötigten Bücher zu finden.
Sie wollte sich gerade an einen freien Tisch setzen, als ihr der Gedanke durch den Kopf schoss, dass sie lieber im Schulsprecherbüro arbeiten würde. Sie wollte eigentlich nur dahin, weil sie hoffte, Malfoy würde auch irgendwann auftauchen, aber sie redete sich stur ein, dass sie dort ungestörter arbeiten konnte, als hier in der fast leeren Bibliothek.
Im Schulsprecherbüro angekommen legte sie ihre Tasche ab und packte die Bücher und die Unterrichtsnotizen auf den Tisch. Sie dachte ständig an den gestrigen Nachmittag, als sie in Malfoys Augen dieses helle Aufflackern sah und auch daran wie sie zusammen die grosse Halle betreten hatten. Waren sie gerade im Begriff sich einander anzunähern? Könnte es sein, dass sie Freunde wurden oder gar mehr? Bei diesem Gedanken packte sie das schlechte Gewissen wieder. „Ich muss mich zusammenreissen! Ich bin mit Ron zusammen und jedes Paar hat mal Probleme, das gehört nun mal dazu!", ermahnte sie sich in Gedanken. „Ausserdem geht es hier um Malfoy! Er möchte mit mir eigentlich nichts zu tun haben! Er muss halt, weil wir beide Schulsprecher sind und wir beide dieses Büro nutzen dürfen!", fuhr sie in schnellen Gedankengängen fort. Aber eine leise Stimme die ebenfalls in ihr steckte, meldete sich „Warum hat er dich dann gestern auf dem Astronomieturm heimlich beobachtet?" Hermine schüttelte den Kopf, als würde sie damit auch ihre Gedanken abschütteln und nahm ein Blatt Pergament zur Hand.
Als erstes wollte sie ihre Muggelkunde Hausaufgaben erledigen. Mr. Weasley unterrichtete ihrer Meinung nach wirklich gut, denn der Unterricht war sehr interessant. Sie sollten bis zur nächsten Woche, die Studie „Muggel die es sehen" von Blenheim Stalk analysieren und sich Gedanken dazu aufschreiben, damit sie das Thema diskutieren konnten. Als 40cm Pergament vollgeschrieben waren, war sie der Meinung, dass sie genug Material für die Diskussion gesammelt hatte.
Sie verstaute die Studie und machte sich nun über die Notizen aus Professor Flitwicks Unterricht her. Sie lernten gerade den Kopfblasenzauber. Hermine brache ihn zwar zustande, doch war die Blase ihrer Meinung nach noch zu klein. Sie wollte eine Blase beschwören, welche sie mindestens eine Stunde mit Luft versorgen könnte und so brütete sie über ihren Notizen. Irgendwann stellte sie fest, dass ihre Zauberstabbewegung viel zu schnell und ruckartig war und nach einigen Versuchen wurde ihre Kopfblase ganz zu ihrer Freude grösser.
Als letztes wollte sie noch die gestrigen Beobachtungen vom Astronomie Unterricht in die Reinschrift umsetzen, da die Mondtabellen, die sie in der Nacht benutzten, oft sehr krakelig ausgefüllt waren, da sie auf dem Turm keine Tische hatten. Sie hasste es, wenn ihre Blätter schludrig waren. Das war eher Rons Art und so machte sie sich an die Reinschrift.
Hermine sass bestimmt schon vier Stunden da und arbeitete unermüdlich, als sie durch die Wand das Wort „Knallbonbon" hörte. Ihr blieb vor Aufregung fast das Herz stehen. Aus dem Augenwinkel heraus beobachtet sie, wie das Bild nach aussen klappte und Malfoy herein kam. Eigentlich kam auch er nur hierher, in der Hoffnung sie anzutreffen, doch er sah sie an und schnarrte „Was tust du schon wieder hier?" „Das könnte ich dich auch fragen", keifte Hermine zurück. Doch sie räumte ihre Unterlagen etwas zur Seite, sodass er auch Platzt hatte um am Tisch zu arbeiten.
Er legte wie am Tag zuvor Bücher über Verteidigung auf den Tisch und suchte nach der richtigen Seite. Hermine fiel auf, dass er äusserst konzentriert las. Sie konnte kaum die Augen von ihm abwenden. Er blickte auf, ihre Blicke kreuzten sich und sie blickte schnell wieder auf ihre Mondtabelle. Ihre Wangen röteten sich, weil sie sich zu Recht ertappt fühlte. Dann stand Malfoy auf und entfernte sich ein paar Schritte vom Tisch. Er holte seinen Zauberstab hervor, machte eine kreisende Bewegung und sprach „Protego". Nichts passierte und er stiess einen gereizten Seufzer aus. Immer wieder versuchte er die Beschwörung, doch er schaffte es einfach nicht.
Hermine nahm all ihren Mut zusammen und ging zu ihm hinüber. Ihr Herz fühlte sich an, als wollte es aus ihrer Brust springen. „Du machst die Bewegung zu klein.", sagte Hermine. Er nickte ohne sie anzusehen und probierte es erneut. Beim vierten Mal, brachte er einen Schild zustande, wenn auch nur einen sehr kleinen. Hermine war so aus dem Häuschen vor Freude, dass sie ihn ganz kurz umarmte. Sofort sprühten grüne Funken aus Malfoys Zauberstab, was Hermine nicht verborgen blieb.
„Das ist doch nichts!", regte er sich auf. „Damit kann ich gerade mal eine Eule davon abhalten, mir einen Brief zuzustellen!". Er drehte sich um und trat in das Sofa. Dann liess er sich darauf fallen und blieb mit dem Gesicht in den Händen verborgen sitzen.
Hermine setzte sich etwas zögerlich neben ihn und schaute ihn besorgt an. „Es geht dir nicht besonders gut, nicht wahr? Ich meine, ich hab die Sticheleien gegen dich auch mitbekommen.." Einen Moment lang schwiegen sie beide, da er eigentlich nicht mit ihr darüber sprechen wollte, doch dann konnte er es nicht mehr für sich behalten, da er ja niemanden mehr hatte, der ihm zuhörte. „Es ist schrecklich.. Ich habe enorme Schuldgefühle für Taten, die ich nicht einmal begangen habe! Meine Freunde haben sich alle von mir abgewandt.. Ich weiss nicht mal mehr, wer ich eigentlich bin oder wohin ich gehöre, da alles was ich kannte und gelernt habe nicht mehr existiert" , seine Augen füllten sich erneut mit Tränen und er sah schnell zu Boden in der Hoffnung, dass sie es nicht sah.
Wie er so da sass, zusammengekauert und weinend, tat er Hermine richtig leid. Sie zögerte kurz, doch dann nahm sie seine Hand in ihre und drückte sie sanft. Er liess es geschehen. Es fühlte sich gut an, so als wäre er doch nicht ganz alleine auf der Welt. Als hätte er einen Freund, der auf seiner Seite war und ihm Rückhalt gab. „Es tut mir leid, dass deine Freunde nicht zu dir halten, aber vermutlich waren sie gar nie richtige Freunde, sonst würden sie dich doch anhören und hinter dir stehen.", versuchte sie ihn aufzumuntern. „Das mag sein, aber du hast keine Ahnung wie es ist, wenn du nicht mal ins Bett gehen kannst, ohne mindestens eine Beleidigung an den Kopf geknallt zu bekommen.. Letzte Nacht hab ich sogar im Raum der Wünsche geschlafen, weil ich es nicht mehr aushielt im Gemeinschaftsraum!" Kaum hatte er das gesagt, war es ihm auch schon peinlich. Er jammerte hier vor ihr herum, als wäre er ein richtiges Weichei, das sich in den Raum der Wünsche flüchtet, statt sich zu wehren. „Das kann ich verstehen, ich wollte auch schon mal einfach nur alleine sein." Während sie das sagte, streichelte sie ganz langsam über Malfoys Hand, die sie immer noch in ihrer hielt. Er reagierte mit etwas Druck darauf.
Malfoy sah Hermine mit immer noch verweinten Augen unsicher an und sie lächelte aufmunternd. Sie könnte ihm den ganzen Tag in die Augen sehen, denn sie verlor sich regelrecht darin. Die beiden waren so abgelenkt, dass sie nicht einmal merkten, wie es dunkel wurde. Sie sassen für eine Weile einfach schweigend da, Hand in Hand, bis Hermine auf einmal hochschreckte, zu ihrer Tasche ging und eine kleine Uhr hervor holte. „Meine Güte, wir haben das Abendessen verpasst!", stiess sie hervor.
Auch Harry war aufgefallen, dass er Hermine seit heute Morgen nicht mehr gesehen hatte und machte sich langsam Sorgen um sie. Er fing an sie überall im Schloss zu suchen.
Unterdessen rappelte sich auch Malfoy hoch und begann eilig seine Sachen zu packen. Während sie aufräumten, machte Hermine ihm einen Vorschlag. „Hör zu, wenn du Hunger hast, können wir zusammen noch in die Küche gehen, ich weiss zufällig, wie man da rein kommt." Erstaunt darüber, dass Hermine so was wusste, stimmte er zu und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Vorsichtig schlichen sie die dunklen Flure entlang. Hermine ging voraus und zog Malfoy an einer Hand hinter sich her. Sie hörte plötzlich ein Geräusch und blieb abrupt stehen. Malfoy war nicht darauf gefasst und lief geradewegs in sie hinein. Er konnte nun ganz deutlich den Geruch ihres Haares wahrnehmen und sog den Duft regelrecht ein. Noch nie hatte er etwas angenehmeres gerochen. Als Hermine der Meinung war, dass die Luft rein war, gingen sie weiter. Als sie in den unterirdischen Flur gelangten, wo das Bild mit der Obstschale hing, beschleunigte Hermine ihre Schritte, ging direkt auf das Bild zu und kitzelte die Birne, bis diese sich nach einem Lachanfall in einen Türknauf verwandelte. Malfoy war zutiefst beeindruckt, dass Hermine offenbar mehr über das Schloss wusste als er selbst und dazu noch mehr als genug Regeln brach.
In der Küche erschienen sofort ein paar hilfsbereite Hauselfen und boten ihnen allerlei zu Essen an. Sie schlugen sich die Bäuche voll und Hermine packte aus Freundlichkeit noch ein paar Kürbispasteten ein, dann verliessen sie die Küche wieder. Malfoy verabschiedete sich mit einem geflüsterten „Gute Nacht" von ihr und sie trennten sich. Beide gingen lächelnd ihres Weges und beide konnten nicht so recht begreifen, was da mit ihnen geschah.
Harry ging im Gemeinschaftsraum nervös auf und ab und überlegte fieberhaft, wo er Hermine denn noch suchen könnte. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Die Karte des Rumtreibers würde ihm sofort offenbaren, wo sie war. Er drehte sich um und wollte schon nach Oben gehen um auf der Karte nachzusehen, als das Portrait der fetten Dame zur Seite schwang und eine grinsende Hermine den Gemeinschaftsraum betrat.
„Mensch wo warst du denn den ganzen Tag? Ich hab mir schon richtig Sorgen gemacht!" begrüsste Harry sie vorwurfsvoll. „Ich war den ganzen Nachmittag im Schulsprecherbüro und hab gearbeitet. Irgendwie hab ich die Zeit vollkommen vergessen und dann hatte ich noch Hunger und war kurz in der Küche. Möchtest du eine?", fragte sie und streckte ihm eine Kürbispastete entgegen. Harry griff zu und bedankte sich. Die Restlichen legte sie auf einen Tisch und sie gingen hoch zu den Schlafsälen. „Nacht Harry", sagte Hermine fröhlich, „Nacht" antwortete er ihr.
Im Bett liegend, konnte sie noch lange nicht einschlafen, da sie die heutigen Geschehnisse immer und immer wieder Revue passieren liess. Sie war verwirrt, aber auf eine positive Weise. An Ron dachte sie keinen Moment lang.
DU LIEST GERADE
Die Rückkehr nach dem Krieg
FanfictionWie geht es nach dem Krieg weiter? Es entstehen neue Paare, und alte Beziehungen festigen sich. Jeder hat neue Prioritäten und Ansichten und muss sich zurechtfinden in einer Welt die neu aufgebaut werden muss... Für die, die Hörbücher mögen...