Hermine wusste genau, dass sie Harry auch den Rest des Tages nicht entkommen würde, da Ginny noch den ganzen Nachmittag Unterricht hatte. So versuchte sie gar nicht erst, sich davonzuschleichen. Morgen war Samstag und dann hatte sie die besten Chancen, sich davon zu machen, da kein Unterricht stattfand und Harry seine Zeit sicher mit Ginny verbringen wollte. Nach dem Abendessen ging sie recht bald in den Mädchenschlafsaal, da sie sich durch die Blicke ihrer Mitschüler ziemlich beobachtet fühlte.
Sie lag eine Weile auf ihrem Bett und starrte an die Decke, als ihr plötzlich eine geniale Idee kam. Eine Idee, die sie schon vor ein paar Jahren hatte. Sie ging zu ihrer Tasche und stöberte kurz darin herum, bis sie ein paar Ohrringe darin fand. Sie legte diese aufs Bett und verwandelte die Ohrringe in Galleonen. Hermine nahm beide in die Hand und betrachtete sie ganz genau, um das Resultat ihrer Verwandlung zu kontrollieren. Sie war äusserst zufrieden mit ihrer Leistung, denn vermutlich wäre nur ein Kobold im Stande gewesen, die Fälschung zu erkennen. Dann zielte sie erneut mit dem Zauberstab auf die beiden Münzen und sprach „Proteus". Hermine tippte eine der Galleonen an und es erschien auf beiden die Zahl drei am unteren Rand, dort wo vorhin eine eins zu sehen war. Erfreut, dass es funktioniert hatte, steckte sie die beiden goldenen Münzen ein. Morgen würde sie eine davon Malfoy geben, damit sie sich gegenseitig die Zeit für ihre Treffen mitteilen konnten und nicht immer auf gut Glück im Schulsprecherbüro warten mussten.
Unten im Gemeinschaftsraum waren noch viele Schüler lange wach und plauderten munter oder spielten Koboldstein und Zauberschach. Neville war natürlich wieder mit Luna im Schloss unterwegs und Harry und Ginny sassen vor dem Kamin auf ihrem Stammplatz.
„Findest du auch, dass sich Hermine im Moment ziemlich merkwürdig verhält?", fragte Harry Ginny. Sie schwieg einen Moment, in dem sie darüber nachdachte, was sie ihm antworten sollte. Schliesslich meinte sie „Jaa, du meinst diese ganze Malfoy-Sache oder?" „Ja, ich weiss nicht was da läuft, aber ich kenne Hermine inzwischen gut genug um zu wissen, dass da was im Busch ist!"
Ginny hatte genau wie Harry das Gefühl, in der Zwickmühle zu sein, da auch sie zwischen einer sehr guten Freundin und ihrem Bruder stand und sich weder auf die eine, noch auf die andere Seite schlagen wollte. „Weisst du, ich glaub es läuft auch nicht so gut mit ihr und Ron.." setzte Ginny die Unterhaltung fort. „Ja, sie hat es mir im Hogwarts-Express erzählt und Ron hat mir vorgestern einen Brief geschrieben, wo er mich auch gefragt hat, was mit ihr los ist. Ich hab ihm nur gesagt, er soll sie selber fragen. Diese Malfoy-Sache hab ich vorerst für mich behalten, sonst kommt er sicher noch her und verflucht ihn." Ginny fing an zu lachen, da sie sich noch gut daran erinnern konnte, wie Ron in ihrem ersten Jahr auf Hogwarts versuchte, Malfoy Schnecken schlucken zu lassen. Da sein Zauberstab aber kaputt war, traf er sich damals selbst mit dem Fluch und spuckte den ganzen Tag eklige Nacktschnecken.
Harry sah sie etwas irritiert an, denn für ihn war der Gedanke, dass Ron und Malfoy sich um Hermine streiten könnten keineswegs lustig.
Als sich Ginny wieder etwas beruhigt hatte, fragte sie „Was meinst du denn, was genau zwischen ihr und Malfoy läuft?" Harry verkrampfte sich sofort, beim Gedanken daran, was er darüber dachte. „Wenn ich ganz ehrlich bin und ich hoffe so sehr, dass ich mich irre, würde ich behaupten Hermine und er verlieben sich gerade ineinander!" Kaum hatten diese Worte Harrys Lippen verlassen, wünschte er sich, er hätte sie nie ausgesprochen, denn jetzt kam es ihm nur durch das Aussprechen ein ganzes Stück realer vor als vorhin, wo es nur ein Gedanke war. Schweigend sah Ginny ihn an. Sie gab ihm Recht. Es hatte wirklich den Anschein, denn sie hatte Hermine schon unzählige Male dabei gesehen, wie sie Malfoy anlächelte oder seinen Blick suchte. Ausserdem war auch ihr aufgefallen, dass Hermine ständig in diesem Schulsprecherbüro verschwand unter irgendwelchen fadenscheinigen Argumenten, wie zum Beispiel, dass die Bibliothek zu voll wäre oder dass sie dort drin ein Buch vergessen hätte. „Harry, ich denke wir sollten uns da einfach raushalten, denn sonst haben wir entweder mit ihr oder mit Ron ein Problem und das möchte ich eigentlich vermeiden. Die sind doch alle schon alt genug, um das selbst lösen zu können.-" Harry nickte, dachte aber nicht im Traum daran, diese Malfoy-Sache einfach so weiterlaufen zu lassen. „-Und Malfoy ist ja vielleicht gar nicht so übel, wenn man bedenkt, dass er trotz allem wieder hergekommen ist und sich inzwischen mit Hermine abgibt. Vielleicht hatte er auch einfach keine andere Wahl, als sich so zu verhalten, bis sein Vater endlich weggesperrt wurde.." Harry kniff die Augen zusammen und funkelte Ginny wütend an. „Wie kannst du DEN noch in Schutz nehmen? Das frag ich mich schon die ganze Zeit bei Hermine und jetzt fängst du auch noch damit an?! Er beleidigte ganze sechs Jahre lang auch deine Familie als Blutsverräter und du nimmst ihn jetzt in Schutz?!" Er stand auf, schüttelte wütend den Kopf und ging zu Bett.
Er verstand die Welt nicht mehr. Warum hatten alle so viel Mitleid mit Malfoy? Er war jahrelang arrogant, hinterhältig und äusserst fies zu ihnen! Warum sollte das jetzt anders sein und wenn er sich tatsächlich verändert haben sollte, warum sollten sie ihm denn jetzt eine zweite Chance geben?
Zum ersten Mal, seit er wieder in Hogwarts war, fehlte ihm Ron. Der würde seine Meinung ganz sicher teilen. Wütend lag er noch eine Weile da, bis er schliesslich einschlief.
Am nächsten Morgen stand Hermine wie geplant sehr früh auf. Sie zog sich an und machte sich sofort auf den Weg in die grosse Halle. Erleichtert darüber, dass sie unterwegs niemanden antraf, nahm sie sich ein paar Brötchen und ging damit sofort ins Schulsprecherbüro.
Dort angekommen, wanderte ihr Blick zum Bücherregal. Viele der Bücher darin waren Lehrbücher oder Sachbücher. Ihr Blick blieb aber auf einem dunkelvioletten Umschlag hängen. „Armando Dippet-Könner oder Knallkopf" von Rita Kimmkorn. Mit einem abschätzigen Blick zog sie es heraus und setzte sich auf das Sofa, wo sie im Buch zu lesen begann und gleichzeitig eines der Brötchen ass. „Diese Kimmkorn konnte nie was anderes, als Leute in ein schlechtes Licht zu rücken!", dachte Hermine nachdem sie die erste Seite fertig gelesen hatte. Sie sass ungefähr eine halbe Stunde lesend auf dem Sofa, als sie plötzlich das lang ersehnte „Knallbonbon" hörte.
Als Malfoy das Büro betrat lächelten sie sich geradeheraus an. Er ging sofort zu ihr hinüber und setzte sich neben sie auf das alte Sofa. „Ich war gestern auch schon hier und hab auf dich gewartet.", sagte er beinahe etwas enttäuscht, aber keineswegs fordernd. „Ja ich wollte auch herkommen, aber es scheint als hätte Harry sich dazu entschlossen mich keine Sekunde mehr aus den Augen zu lassen. Seit vorgestern folgt er mir überall hin.." Malfoys Blick suchte beinahe panisch den Raum ab. Hermine, die seine Reaktion richtig deutete, legte schnell ihre Hand auf sein Bein und sah ihn grinsend an. „Er ist nicht hier. Ich bin heute extra früh aufgestanden, um ihn abzuschütteln." „Hast du Potter erzählt, dass wir uns hier treffen?" „Nein! Das käme mir nicht im Traum in den Sinn, aber er ist auch nicht gerade blind. Er hat schon gemerkt, dass wir keine Feinde mehr sind.. Und das passt ihm nicht so richtig, denke ich.." Malfoys Herz wurde unglaublich leicht und er fühlte ein Kribbeln, das sich in seinem ganzen Körper verteilte, beim Gedanken daran, dass sie wirklich keine Feinde mehr waren.
Hermine kamen die gefälschten Galleonen wieder in den Sinn und sie holte sie hervor. Zuerst war Malfoy etwas verwirrt, aber als er die kleine drei, statt der eins darauf sah, wusste er sofort, wozu sie waren.
„Hier. Eine ist für dich. Ich hab den Proteus-Zauber daraufgelegt. Wenn eine verändert wird, verändert sich auch die andere. Ich dachte, das wäre wesentlich einfacher, als immer auf gut Glück herzukommen." Malfoy erinnerte sich schlagartig wieder daran, wie auch er einst auf diesem Weg mit Madam Rosmerta in Verbindung stand und das schlechte Gewissen überrannte ihn erneut. Er liess sich allerdings nichts anmerken, weil er nicht darüber sprechen wollte und sagte nur „Ja, das ist wesentlich einfacher und unauffälliger."

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Die Rückkehr nach dem Krieg
FanfictionWie geht es nach dem Krieg weiter? Es entstehen neue Paare, und alte Beziehungen festigen sich. Jeder hat neue Prioritäten und Ansichten und muss sich zurechtfinden in einer Welt die neu aufgebaut werden muss... Für die, die Hörbücher mögen...