Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin | Kapitel 8

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Als der Moment dann kam und ich meine Augen wieder öffnen sollte, zögerte ich. Wollte ich das wirklich sehen? Wollte ich sehen, wie sie mich zugerichtet hatte? Wie ich als Baum aussah? Nein danke.

„Hast du nicht gehört, du darfst deine Augen jetzt wieder öffnen.“, wiederholte sie, doch mehr als ein vorsichtiges Blinzeln brachte ich immer noch nicht zustande. Zum einen aber auch um sie ein wenig zu ärgern.

 „Johanna, mach jetzt deine Augen auf.“, befahl sie nun etwas verärgert.

Ich seufzte, beschloss dann aber ihrer Anweisung zu folgen. Es blieb mir ja nichts anderes übrig.

Der erste Gedanke der mir in den Sinn kam war der, dass ich wenigstens kein Baum war. Doch ob das nun wirklich besser war, wagte ich stark zu bezweifeln.

Mein Outfit bestand aus einem weißen, sehr sperrigen Kleid. Sperrig war es vermutlich weil es komplett aus Papier gemacht war. Ich kam aus Distrikt 7 und wir waren für die Holz- und Papierherstellung zuständig.

Aber musste es denn unbedingt ein Kleid aus Papier sein? Da waren ja die Bäume noch besser!

Das Kleid hatte keinen Schnitt und auch keine Form, ich sah einfach nur bescheuert aus. Doch als wäre das nicht genug saß in meinem hochgesteckten Haaren ein aus Papier gefalteter Vogel. Mehr trug ich nicht, doch das reichte auch vollkommen.

„Na, was meinst du Johanna?“, fragte sie erwartungsvoll und kurz spielte ich mit dem Gedanken ihr die Wahrheit zu sagen, bekam dann aber noch einmal die Kurve.

„Mir fehlen die Worte.“, antworte ich, was irgendwie ja sogar die Wahrheit war. Ich wusste nicht welche Beleidung ich auswählen sollte.

„Es ist einzigartig, nicht wahr?“, meinte sie strahlend.

Ja, einzigartig war es definitiv.

„Du wirst der Hingucker des Abends sein!“, plapperte sie weiter.

Oh ja, auch damit hatte sie vermutlich Recht.

Ein Kleid aus Papier. Wehe mein Mittribut sah nicht genauso bescheuert aus, dann konnte Jason sagen was er wollte, ich würde nicht mehr mitspielen.

Ich meine, Papier! Was war, wenn es regnete? Dann würde mein ganzes Kostüm sich auflösen und ich würde nicht nur als das heulende sondern auch als das nackte Mädchen aus Distrikt 7 eingehen.

„Ist das ganze hier Wasserfest?“, fragte ich deshalb sofort und fing mir damit einen verärgerten Blick ein.

„Natürlich. Ich würde doch nicht zulassen dass mein Meisterwerk zerstört wird.“, sagte sie empört und begann mich dann ohne Vorwarnung vor sich herzuschieben. „Und jetzt los, wir müssen zum Wagen. Ich will nicht wieder die letzte sein, die dort auftaucht.“

In der Halle angekommen waren wir aber trotzdem so ziemlich die letzten, weshalb natürlich gefühlte tausend Blicke auf mir ruhten. Ob es am Kostüm lag oder an meinem Image der Heulsuse, ich wusste es nicht. Es war jedoch auch besser, dass ich es nicht wusste.

Ich hielt nach Charly Ausschau und stellte zufrieden fest, dass er genauso bescheuert aussah wie ich. Sein Outfit bestand ebenfalls aus Papier, auch wenn es kein Kleid sondern eine Hose und ein Hemd waren. Wenigstens ein kleiner Trost.

Wir gingen zu unserem Wagen, als Prescilla plötzlich ihn schwärmerisches Seufzen ausbrach. Verwundert blickte ich zu ihr und fragte mich, ob sie gerade einen Anfall hatte. Aussehen tat es beinahe danach, doch dann deutete sie als Erklärung in eine bestimmte Richtung und ich versuchte ihr zu folgen. Nicht weit von uns stand ein Junge, kaum älter als ich, der gerade ein Pferd tätschelte. Es war jedoch nicht irgendein Junge, sondern Finnick Odair.

Finnick hatte vor zwei Jahren im Alter von nur 14 die Hungerspiele gewonnen und war seitdem der Mentor von Distrikt 4.

Doch weniger sein junges Alter bei seinem Sieg als mehr sein Aussehen, war der Grund weshalb so viele für ihn schwärmten. Obwohl er erst 16 war. Dass Prescilla ihn anziehend zu finden schien widerte mich irgendwie an. Doch sie war ja nicht die Einzige. Er war noch nicht einmal erwachsen und wurde trotzdem von so alten Schrullen wie meiner Stylistin begehrt.

„Ist er nicht göttlich?“, seufzte Prescilla zur Bestätigung meiner Vermutung neben mir und ich verdrehte die Augen. Allerdings genau in dem Moment, als er sich umdrehte und zu uns sah. Erstaunt hob er eine Augenbraue und sah mich an, wodurch ich es plötzlich sehr eilig hatte, zu Jason zu gelangen.

Verdammt, gut aussehen tat er wirklich, doch ich hatte noch nie etwas für Schönlinge übrig. Das waren doch alles arrogante Mistkerle.

Als Jason mich entdeckte stahl sich ein belustigtes Lächeln in sein Gesicht, woraufhin ich ihn wütend anfunkelte. Bei ihm brauchte ich mich nicht zu verstellen.

„Ein Wort und ich frage Camilla ob sie uns nicht deine Parade noch einmal zeigen kann.“, zischte ich ihm zu und sein Lächeln verschwand. Jason selbst sah damals nicht besser aus.

„Ist ja schon gut, ich sage nichts. Und jetzt hör auf so finster zu gucken, wir bekommen Besuch.“

Verwundert drehte ich mich um und blickte dann in seegrüne Augen. Na toll, was wollte der jetzt?

„Hallo Jason, schön dich zu sehen.“, meinte Finnick und streckte meinem Mentor die Hand entgegen.

„Schön dich zusehen Finnick Wie geht es dir?“, begann Jason ganz locker zu plaudern.

Ich dagegen fühlte mich mehr als unwohl. Ich stand neben dem angeblich schönsten Jungen Panems und war dabei in Papier eingewickelt. Nicht zu vergessen, dass ich einen Vogel auf dem Kopf hatte. Großartig.

„Johanna komm, es geht los.“, rief Camilla plötzlich, die endlich aufgetaucht war. Ich war noch nie so froh gewesen ihre nervige Stimme zu hören, weshalb ich schnell zu ihr ging.

Sie brachte mich zu unserem Wagen wo Charly bereits stand. Schnell wollte ich mich nach oben hieven, was in meinem Outfit nicht gerade leicht war, doch die angebotene Hand von Charly schüttelte ich weg. Wenn ich schon aussehen musste wie ein halbes Buch wollte ich mir wenigstens die kleine Würde bewaren und selbst auf den Wagen steigen.

Als ich endlich oben war und eine aufrechte Position erreicht hatte, öffneten sich auch schon die Tore und der Wagen aus Distrikt 1, mit Tributen die eindeutig besser angezogen waren als wir, setzte sich in Bewegung. Nur wenige Sekunden danach trabten auch unsere Pferde los und brachten uns dadurch nach draußen, wo wir ganz Panem vorgeführt wurden.

Johanna Mason - Geschichte einer SiegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt