Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin | Kapitel 28

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Der nächste Tag war unglaublich ruhig. Es veränderte sich weder die Gegend, noch waren irgendwelche merkwürdigen Geräusche zu hören. Das Ganze gefiel mir überhaupt nicht, da es wohl darauf hindeutete, dass das Finale ganz überraschend kommen würde. Wenn es denn wirklich schon heute eingeläutet werden sollte.

Ich hatte seit ich in der Arena war mein Zeitgefühl verloren, weshalb ich auch nicht wusste wie lange diese Spiele schon andauerten. Vermutlich um die zwei Wochen. Oder so. Ich hatte wirklich keine Ahnung und konnte somit auch noch nicht sagen ob die Spielmacher es vielleicht noch ein wenig hinauszögern mussten.

Da ich nicht vorhatte die beiden anderen Tribute zu suchen beschloss ich wieder ein paar Fallen aufzustellen. Ich wusste nicht wie ich mir die Zeit sonst vertreiben sollte, wollte jedoch nicht unnötig dasitzen und warten. Das brachte die dämlichen Spielmacher am Ende noch auf dumme Gedanken wie Mutationen, Erdbeben oder wieder diese ekligen Spinnen. Wenn ich beschäftigt war wirkte ich vielleicht nicht ganz so langweilig.

Als ich gerade meine dritte Falle aufgestellt hatte kam mir plötzlich ein ganz anderer Gedanke, der mich böse grinsen ließ. Wieso stellte ich eigentlich Fallen auf um irgendwelche komischen Vögel zu fangen? Ich würde hier vorerst nicht weggehen, außer sie trieben mich hier weg. Sollte jedoch ein Tribut zu mir gescheucht werden oder auch zufällig vorbei kommen war ich ziemlich ungeschützt und würde mich mit diesen kleinen Fallen eigentlich sogar noch mehr verraten. Das würde sich ändern, wenn ich die Fallen nicht für die Tiere sondern für die Tribute baute.

Da ich diese Idee großartig fand machte ich mich sofort an die Arbeit. Ich stellte hauptsächlich Stolperfallen auf die schön Lärm machten wenn man sie auslöste. Der Wungel kam mir bei der ganzen Sache sehr gelegen, da er mir mit diesen komischen grünen Seilen die hier überall herumhingen das Ganze erleichterte.

Die Sonne war gerade am Untergehen, als ich meine Arbeit begutachtete. Die Fallen waren rund um einen Baum verteilt, der diese Nacht als mein Schlafplatz dienen sollte. Niemand würde sich so einfach nähern können, ohne dass ich es mitbekam. Außer die Spinnen. Aber ich fand, dass diese jemand anderen besuchen durften, immerhin war ich schon an der Reihe gewesen.

Ich kletterte auf den Baum und machte es mir so gut es ging bequem, als plötzlich eine Kanone erklang die mich unglaublich erschreckte. Sofort richtete ich mich wieder ein Stück auf und blickte mich um, doch um mich herum war alles ruhig. Außerdem war sie nicht allzu laut gewesen, es musste also doch ein ganzes Stück entfernt gewesen sein. Trotzdem raste mein Herz wie wild da mir klar war, dass nur noch zwei Tribute am Leben waren. Ich und entweder der Junge aus Distrikt 1 oder der aus Distrikt 10. Doch eigentlich müsste ich das bald erfahren, immerhin konnte es nicht mehr lange dauern bis die Hymne eingespielt wurde.

Ich umklammerte den Griff meiner Axt fest während ich darauf wartete, dass das Bild des toten Jungen am Himmel erschien und ich somit wusste mit wem ich es zutun hatte. Insgeheim hoffte ich ja, dass es den Tributen aus Distrikt 1 erwischt hatte, da mir ein untrainierter Gegner natürlich viel lieber war.

Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an in der ich abwechselnd an den Himmel blickte und dann meine Umgebung absuchte, als endlich die Klänge der Hymne zu hören waren. Schnell sah ich wieder nach oben und konnte den Jungen aus Distrikt 10 erkennen dessen Gesicht dort oben seinen Tod verkündete. War ja klar gewesen, natürlich musste es der Karriero sein der noch am Leben war.

Ich schimpfte noch ein wenig in Gedanken vor mich hin, ehe ich zu überlegen begann was den Jungen wohl getötet haben konnte. Zu diesem Zeitpunkt der Spiele gab es ziemlich viele Gründe und Möglichkeiten. Mutationen, der Junge aus Distrikt 1 dessen Namen ich entweder noch nie oder schon wieder nicht mehr wusste, Verletzungen, Hunger… So grausam es klang, ich hoffte der andere Junge war Schuld. Wenn sie sich einen guten Kampf geliefert hatten dann würden sie das Finale vielleicht noch ein wenig hinauszögern. Allerdings hätte sein Tod zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden können. Er war kurz vor Einbruch der Nacht gestorben, was bedeutete, die Spielmacher hatten jetzt bis zum Sonnenaufgang Zeit sich zu überlegen wie sie vorgehen sollten. Am Tag brachte man die meisten Zuschauer vor den Fernseher und wieso sollten sie nicht gleich den kommenden dafür hernehmen?

Ich wurde unruhig wenn ich daran dachte, vor allem da es mir sehr logisch vorkam. Wieso sollten sie noch einen Tag warten wo sie durch den Tod des Jungen, sollte er wirklich im Kampf gefallen sein, die Zuschauer gerade in diesem Moment noch am Bildschirm hatten? Die Neugierde und das Interesse war vielleicht deshalb gerade verstärkt da und wenn man zulange wartete, verlor man sie am Ende bloß wieder und musste sie neu aufbauen.

Nachdem ich mich mit diesem Gedanken abgefunden hatte aß ich mein letztes Stück Brot auf und leerte die Wasserflasche zur Hälfte aus. Danach befestigte ich das Messer an meiner Hose und hielt die Axt fest in meiner Hand, während ich den Rucksack auf meinen Rücken schnallte. Ich musste bereit sein, und zwar ab diesen Moment die ganze Zeit. Bereit dafür, dass es jeden Augenblick losgehen konnte und ich ein letztes Mal mein Leben verteidigen musste. Danach konnte ich als Siegerin zurück nach Distrikt 7 kehren. Zurück nach Hause, zu meiner Familie und zu Treen. Das Ziel war so nah und ob Karriero hin oder her, ich wollte mir den Sieg jetzt nicht mehr nehmen lassen.

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