Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin | Kapitel 26

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Irgendwann in dieser Nacht saß ich wieder auf einem Baum. Dieses Mal jedoch ohne Schlafsack der mich vor den Mücken schützte und stattdessen mit einem Blätterumschlag um meinen linken Arm. Bisher hatte ich mich noch nicht getraut nachzusehen, ob der Umschlag gegen die Schwellung half. Ich hatte die Befürchtung dass, wenn es nicht besser wurde, mir die Sponsoren wieder absprangen da sie nun glaubten, dass ich viel zu eingeschränkt war. Chancenlos. Und wenn er mich wirklich behinderte war ich das vermutlich auch.

Meine Hand schmerzte und ich war unglaublich wütend. Wütend darauf, dass sie mir diese Viecher auf den Hals gehetzt hatten und ich so dumm war mich hatte beißen lassen. Sollte ich doch gewinnen, dann würde ich beim Siegerinterview den Spielmachern deutlich machen, was ich von ihnen hielt.

In dieser Nacht machte ich kein Auge mehr zu, da ich immer dann wenn ich sie schloss wieder die Spinnen vor mir sah. Durch eine Mutation zu sterben war eine Sache. Wenn sie groß, blutrünstig und gefährlich war. Auch im Kampf gegen einen Tributen zu sterben war eine ganz andere Sache. Doch von kleinen winzigen Spinnen abgenagt zu werden, auf die man normalerweise einfach drauf treten konnte, darauf hatte ich wirklich keine Lust und diese Blöße wollte ich mir auch nicht geben.

Als die Sonne aufging und ich überraschenderweise nur drei Mückenstiche zu beklagen hatte, ich war eben schneller als diese dummen Viecher, beschloss ich nun doch den provisorischen Umschlag abzunehmen. Die Schmerzen hatten aufgehört und ich hoffte, dass dies ein gutes Zeichen war und nicht bedeutete, dass mein Arm gleich absterben würde.

Vorsichtig löste ich ihn von meiner Hand und konnte mir dann ein breites Grinsen nicht verkneifen. Es sah Welten besser aus, war wirklich am Verheilen. Was auch immer das genau für Kräuter und Blätter gewesen waren, ich hatte mal wieder mehr Glück als Verstand gehabt und sie halfen. Aus diesem Grund verließ ich meinen Baum im nächsten Moment um noch einen zweiten solchen Umschlag zu machen, damit die Schwellung endgültig verging. Weit kam ich jedoch nicht, da vor mir plötzlich ein Junge auftauchte.

Er blickte mich genauso überrascht an wie ich, was mir zeigte, dass er nicht nach mir gesucht hatte, sondern wir uns nur zufällig begegnet waren. Ich glaubte es war der Junge aus Distrikt 9. Der den ich als ziemlich stark eingeschätzt hatte, obwohl er kein typischer Karriero war. So wie es aussah hatte ich damit Recht gehabt, immerhin war er immer noch am Leben und zeigte nicht die geringste Verletzung auf. Ihn hatten diese dummen Spinnen scheinbar nicht besucht. Außer er war ebenfalls davon gekommen und war nicht so dumm gewesen und hatte sich beißen lassen.

Kurz sah er mich unsicher und fast schon mitleidig an, was mich zunächst verwirrte. Wieso sollte ein Tribut Mitleid mit einem anderen haben? Vor allem jetzt, so kurz vor dem Ziel? Doch dann fiel mir wieder in, dass er mit Sicherheit noch der Meinung war, dass ich das hilflose und weinerliche kleine Mädchen war, das so viel Angst vor den Spielen hatte. Und jetzt musste er mich töten, was seinem Gewissen vermutlich gar nicht gut tat, da ich überhaupt keine Chance gegen ihn hatte.

Ich konnte mir vorstellen, dass er gerade wirklich genau das dachte. Verschonen würde er mich sicher trotzdem nicht, nicht wo das Ende der Spiele doch in greifbarer Nähe war. Doch da ich nicht so war wie er glaubte, hatte ich einen Vorteil. Ich unterschätzte ihn nicht, so wie er mich mit Sicherheit.

„Du hast lange durchgehalten.“, meinte er und es klang beinahe so als wollte er mir gut zureden, während ich nur gerade so ein Schnauben unterdrücken konnte.

„Du auch.“, erwiderte ich und begann ihn einzuschätzen, wobei mein Blick den Sperr in seiner Hand traf. Damit hatte er sich bisher verteidigt und mit Sicherheit andere Tribute getötet, sonst wäre er jetzt nicht mehr am Leben. Er konnte den Sperr allerdings auch als Distanzwaffe nutzen. Ich musste schnell und unauffällig zugleich Deckung suchen.

„Was war es?“, fragte er weiter und blickte auf meine immer noch gerötete und leicht geschwollene Hand, während ich langsam in Richtung Baum ging.

„Spinnen. Hunderte von Spinnen.“, antwortete ich, als sein Blick weiter ging und er erst jetzt die Axt in meiner Hand erblickte. Ein paar Sekunden verstrichen in denen er verwirrt darauf starrte, ehe er zu begreifen schien. Ich hatte die Axt und war noch am Leben. Außerdem kam ich aus Distrikt 7. Der Verdacht lag nahe, dass ich damit umgehen konnte.

Der Sperr flog wirklich in meine Richtung, doch da war ich schon hinter den Baum gesprungen. Feigling! Und Idiot, denn nun hatte er nichts mehr um sich zu verteidigen, was es für mich einfach machte. Wäre da nicht das Messer gewesen, welches er nun aus seinem Gürtel gezogen hätte und mit dem er nun versuchte auf mich einzustechen. Doch im Gegensatz zu ihm hatte ich mich auf einen Kampf eingestellt, war deshalb vorbereitet und brauchte nur einen einzigen Hieb um ihn zu Boden zu strecken.

Blut trat aus der Wunde an seinem Hals, doch als keine Kanone erklang schlug ich schnell noch ein zweites Mal zu, da ich nicht wollte, dass er unnötig leiden musste. Nun erklang die Kanone und er war tot. Und ich war meinem Sieg wieder ein Stück näher gekommen. Nur noch zwei Tribute standen zwischen mir und meinem Zuhause.

Ich begann wieder meine Axt zu säubern, danach tat ich das was ich eigentlich vorgehabt hatte, bis der Junge einfach so aufgetaucht war.

Die Blätter und Kräuter waren dieses Mal schnell gefunden, immerhin wusste ich jetzt genau wonach ich suchte, weshalb ich nur kurze Zeit später erneut einen Umschlag um meine Hand wickelte. All das tat ich, mit dem Geräusch des Hovercrafts in meinen Ohren.

Johanna Mason - Geschichte einer SiegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt