Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin | Kapitel 16

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Die anderen Interviews zogen an mir vorbei ohne dass ich auch nur ein Wort davon mitbekam. Ich hatte es hinter mir. Und ich wollte niemanden umbringen und musste nicht einmal weinen, um wie ein kleines Mädchen rüberzukommen. Es war wirklich gut gelaufen und das war das Einzige woran ich im Moment denken konnte und auch wollte.

Die Hymne wurde eingespielt, danach war die Show zu Ende. Mit einem ziemlich befreiendem Gefühl folgte ich Charly nach unten, wo uns Jason bereits erwartete.

"Gut gemacht ihr zwei.", sagte er und klopfte uns auf die Schultern.

Ich konnte nicht anders als breit zu grinsen. Was sollte ich sagen, ich mochte Lob.

"Jetzt aber hoch mit euch, ich will dass ihr ausgeschlafen seit.", bestimmte er und schob uns dann zum Aufzug.

Oben angekommen ging ich sofort in mein Zimmer und schälte mich aus dem Outfit. Anschließend steuerte ich das Badezimmer an, um ein letztes Mal zu duschen. Ich hatte keine Ahnung wie der morgige Tag verlaufen würde, am Ende bekam ich dann nicht mehr die Gelegenheit dazu!

Während das Wasser angenehm auf meine Haut prasselte schloss ich die Augen und gab mich meinen Gedanken hin, die sich unaufhörlich in den Vordergrund drängen wollten. Morgen war es soweit. Ich musste in die Arena. Dann würde ich töten müssen, wenn ich überleben wollte. Und das wollte ich auf jeden Fall. Aber würde ich es auch können? Konnte ich jemanden sein Leben nehmen?

Ich schüttelte den Kopf um diesen Gedanken wieder zu verscheuchen. Darüber würde ich mir den Kopf zerbrechen wenn es soweit war. Oder lieber auch nicht. Aber am Ende würde ich es doch tun, so wie alle anderen vor mir auch. Wenn es um mein Leben oder dass eines Fremden ging, dann fiel mir die Entscheidung nicht schwer.

Ich stellte das Wasser ab und kletterte aus der Dusche. Auf einem Hocker lagen mehrere Handtücher und ich schnappte mir das Oberste um mich abzutrocknen. Überrascht stellte ich fest, dass es unglaublich weich war. Sollte ich gewinnen, würde ich definitiv eins davon mitgehen lassen.

Nachdem ich in einen scheußlich rosa Schlafanzug geschlüpft war, ging ich zum Bett und kuschelte mich dort unter die Bettdecke. Ich bezweifelte, dass ich schlafen konnte, doch ich musste es wenigstens versuchen.

Ich schloss die Augen und dachte an zu Hause. An den Wald, an meine Familie, an Treen. Was sie wohl gerade machten? Ob er auch an mich dachte? Ob ich ihm fehlte?

Überrascht von meinem eigenen Gedanken legte ich die Stirn in Falten. Das Kapitol tat mir eindeutig nicht gut. Ich fing schon an mir Gedanken über Dinge zu machen, an die ich sonst nie denken würde.

Doch trotz dieser Feststellung konnte ich nicht verhindern wieder an ihn zu denken. Ich dachte daran wie wir im Wald herumblödelten, wie wir gemeinsam das Holz klein hackten und daraus einen Wettbewerb veranstalteten, oder wie wir einfach nur im Gras lagen und in den Himmel starrten. Er war seit Jahren mein bester Freund und mit ihm verbrachte ich einfach am liebsten Zeit. Nicht dass ich ihm das jemals sagen würde.

Auch wenn die Erinnerungen unbedeutend waren, halfen sie mir dennoch zu lächeln. Und sie halfen mir auch nicht an Morgen zu denken und in einen traumlosen Schlaf zu gleiten. Zumindest konnte ich mir nicht anders erklären wieso es plötzlich hell war, als ich das nächste Mal meine Augen öffnete.

"Johanna!", rief Jason keine zwei Sekunden später und verschlafen drehte ich den Kopf in seine Richtung. Wehe er zog mir wieder die Bettdecke weg!
"Na endlich! Du hast doch echt die Ruhe weg! In einer halben Stunde müssen wir los und du liegst immer noch in den Federn."

Sofort riss ich die Augen weit auf und saß kerzengerade im Bett.

"Halbe Stunde?", wiederholte ich mit schriller Stimme und hüpfte aus dem Bett.

"Wieso hast du mich nicht früher geweckt?", zischte ich ihn an, während ich ins Badezimmer sauste.

Schnell putzte ich mir die Zähne und wusch mein Gesicht, ehe ich zurück ins Zimmer lief. Jason war verschwunden, aber auf dem Bett lagen nun ein Stappel mit Kleidung, welche mit Sicherheit für die Arena waren.

Mit klopfendem Herzen schlüpfte ich in die schwarze Hose und den grünen Pullover und schnürte die dazugehörenden Stiefel. Die Klamotten waren leicht und dünn, in der Arena konnte es also zumindest nicht zu kalt sein. Ich schnappe mir einen Haargummi von der Kommode und band mir einen Zopf, danach ging ich ins Esszimmer um noch etwas zu frühstücken. Keine Ahnung wie ich so kurz vor der Arena überhaupt Appetit haben konnte. Aber ich hatte ihn.

Am Tisch saßen alle bereits versammelt und Camilla plapperte mal wieder ohne Ende. Ich setzte mich zu ihnen und mein Blick fiel auf Charly, der ganz weiß im Gesicht war. Sofort packte mich ein beklemmendes Gefühl. Vermutlich sah ich ihn jetzt zum letzten Mal. In ein paar Stunden konnte sein Leben schon zu Ende sein.

"Viel Glück.", sagte ich automatisch, auch wenn es Schwachsinn war das zu wünschen. Es würde nichts nützen. Das Glück war schon bei der Ernte nicht auf unserer Seite gewesen.

"Danke. Dir auch.", entgegnete er und versuchte ein wenig zu lächeln.

Jason blickte daraufhin kurz von mir zu Charly und schien zu warten ob noch etwas kam, ehe er zu sprechen begann.

"Ich werde nicht sagen, dass ihr etwas essen sollt, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ihr nichts runter bringen werdet.“, nun ja, vielleicht irrte er sich was mich betraf,  „In ein paar Minuten machen wir uns auf den Weg. Ihr werdet zusammen mit dem Hovercraft zur Arena fliegen. Dort nehmen euch eure Stylisten in Empfang und geben euch die restliche Kleidung, falls ihr noch etwas bekommt. Ich will kein Lebewohl sagen, denn ich erwarte einen von euch wieder zu sehen."

Während der letzten Worte sah er mich an, schien mir sagen zu wollen, dass er auf mich setzte, doch ich senkte nur den Blick. Ich wollte keine anderen Erwartungen erfüllen müssen sondern nur die meinen.

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