Als wir an einem großen Gebäude ankamen brannten meine Augen bereits. Eigentlich wollte ich nur eingeschüchtert wirken weshalb mir deshalb ein paar Tränen über die Wange liefen. Doch als ein Raunen durch die Menge ging, als mir ein Schluchzer über die Lippen gekommen war, beschloss ich doch noch richtig loszulegen. Ich glaubte es zwar nicht, doch vielleicht fühlten sie sich ja tatsächlich ein wenig schlecht dabei mich armes hilfloses Mädchen zu sehen. Allein der Gedanke über diese Möglichkeit reichte aus um mich weiter anzustacheln. Ich hätte vermutlich alles getan, damit es ihnen schlecht ging.
Im Gebäude angekommen, in dem sich laut Camilla die Erneuerungsstudios befanden, brachte sie uns zu den einzelnen Räumen. Doch bevor ich meines betreten konnte packte mich Jason am Arm und zog mich an sich heran.
„Benimm dich. Du musst jetzt alle Selbstbeherrschung aufbringen die du besitzt um die Rolle hier weiter zu spielen.“, flüsterte er mir ins Ohr.
„Wieso?“, fragte ich und klang tatsächlich ein wenig eingeschüchtert.
„Weil du gleich auf den schlimmsten Horror vor den Spielen treffen wirst. Nämlich auf den Vorbereitungsteam.“
Ich wollte noch etwas erwidern, ihn fragen was er damit meinte, doch ich hatte keine Gelegenheit mehr dazu, da er mich nun einfach in das Zimmer schob. Und leider hatte er nicht übertrieben.
Allein ihr Anblick war die reinste Folter. So viel Farbe und das noch dazu in dieser Kombination hatte ich noch nie gesehen. Von der gelblichen Hautfarbe der einen wurde mir ganz schlecht und bei den Wimpern der anderen fragte ich mich wie lange es wohl dauerte, bis ihre Augenlider abreißen würden. Diese Frage war jedoch sogar ziemlich interessant und ich begann sofort zu hoffen, dass es passierte. Tat es jedoch nicht.
Stattdessen musste ich aus meinen Klamotten schlüpfen und wurde in ein merkwürdiges, ich nannte es mal Nachthemd, gestopft, ehe sie mir befahlen, dass ich mich auf eine Liege legen sollte. Danach begann die Prozedur schon und ich musste mir die Lippen blutig beißen um sie nicht mit wilden Beschimpfungen um mich zu werfen.
Ich krallte meine Hände in das Lacken unter mir und biss die Zähne zusammen. Der Schmerz durchzucket kurz mein Bein, danach verschwand er und ließ ein schmerzhaftes Brennen zurück.
Zum gefühlten hundertsten Mal hatte eine dieser schrulligen Kapitolmenschen einen Streifen von meinem Bein gezogen, welches die Haare dort entfernen sollte. Scheinbar war sie aber zu dumm um das sauber zu erledigen, denn so oft wie sie das tat konnte man meinen sie würde jedes Haar einzeln ausreißen. Etwas, was ich in diesem Moment bei ihr nur zu gerne getan hätte.
Doch trotz allem was sie mit mir taten um mich laut ihren Angeben schöner zu machen, blieb ich ruhig liegen. Auch wenn ich ihr am liebsten an die Gurgel gesprungen wäre, da sie mich außerdem behandelten, als wäre ich ein kleines Kind. Doch ich redete mir immer wieder gut zu, dass ein Mord vor der Arena mein ganzes Image auffliegen lassen würde und ich deshalb ruhig bleiben musste. Trotzdem malte ich mir in Gedanken aus, welchen Abdruck meine Hand in ihrem vollgepuderten Gesicht wohl hinterlassen würde.
„So Kleines, das wärs.“, meinte sie endlich.
Kleines? Ich wusste nicht, wie oft ich das noch hören konnte, ohne zu explodieren.
„Jetzt komm mal bitte mit, du darfst jetzt in die Wanne.“, sagte da die mit der gelben Haut und ich sah sie verwirrt an. In die Wanne? Meinte sie etwa Badewanne? Soltel ich jetzt etwa baden? Sie hatten mich vorhin doch schon abgespritzt!
Ihre gelben Finger, bei denen ich immer noch befürchtete, dass sie irgendwann abfärben würden, packten meinen Arm und zogen mich so einfach mit.
Sie führte mich durch den kleinen Raum zu einer großen Wanne aus irgendeinem Gestein. Marmor? Zumindest hatte ich das Wort vor ein paar Jahren bei einem Tribut aus Distrikt 2 bei seinem Interview aufgeschnappt. Schien edel zu sein. Also nannte ich es jetzt einfach mal Marmor.
Gelbi schob mich also zu dieser Marmorwanne, die mit einer merkwürdigen Flüssigkeit gefüllt war, der ich eigentlich nicht zu nahe kommen wollte. Doch leider hatte ich dank meiner dummen Rolle keine andere Wahl.
„So, jetzt rein mit dir Liebes. Es wird gut tun, glaub mir. Anschließend kommt auch schon deinen Stylistin.“
Meine Stylistin. Schon allein der Gedanke an sie ließ meine Augen sich wie von selbst verdrehen. Seit 5 Jahren war Prescilla jetzt schon Stylistin für Distrikt 7. 5 Jahre, in denen wir immer ausshen wie ein Baum. Oder manchmal sogar wie der komplette Wald selbst.Seufzend glitt ich in die Wanne und musste einen Würgereiz unterdrücken. Was zum Teufel war das? Es stank bestialisch!
Ich versuchte so gut es ging nur durch den Mund zu atmen und schloss die Augen. Die Tussi hatte Recht, es tat tatsächlich gut!
Trotz furchtbarem Geruch in meiner Nase ließ ich es zu, dass ich mich ein wenig entspannte. Früh genug musste ich mich wieder auf mein Schauspiel konzentrieren, da hatte ich mir diese Ruhephase, so fand ich, verdient.
Lange wurde mir das allerdings nicht gewährt, da die Tür aufschwang und besagte Stylistin den Raum betrat.
Prescilla trug einen Ganzkörperanzug mit Leopardenmuster, dazu goldene Stiefel die ihr bis zu den Knien reichten. Ihre Haare schimmerten ebenfalls in dieser Farbe, während ihr Gesicht ziemlich düster geschminkt war. Was bitte sollte das darstellen?
„Hallo meine Liebe, du bist Johanna, nicht wahr? Wieso sitzt du eigentlich noch in der Wanne? Du solltest längst schon fertig damit sein.“, meinte sie ein wenig verärgert, woraufhin sofort zwei des Vorbereitungsteams mit Handtuch und Bademantel zu mir gelaufen kamen. Sie halfen mir heraus, rubbelten mich trocken und hüllten mich dann in den Mantel, ehe sie aus dem Zimmer verschwanden.
„Ach schlimm ist das mit diesen Praktikanten! Brauchen immer ewig!“, seufzte sie. Praktikanten. Das erklärte so einiges. „Wie ich mein altes Vorbereitungsteam vermisse! Aber leider hat sie mir dieser Arrogante Kerl aus 2 abgeschwatzt. Wie auch immer, wie geht es dir? Lass mal sehen ob sie auch gute Arbeit geleistet haben oder ob ich noch etwas nachhelfen muss.“, plapperte sie weiter ohne auch nur einmal Luft zu holen. Ich wusste bereits nach dieser Minute, dass sie ein Mensch war, den ich nie würde ertragen können. Wie konnte man nur so viel in so kurzer Zeit reden? Gab es dafür denn keinen Ausschaltknopf?
„Und schließ bitte deine Augen Johanna, ich möchte dass du dich überraschen lässt.“
Wie gefordert schloss ich meine Augen. Mir grauste es jetzt schon vor dem Moment, an dem ich sie wieder öffnen musste.
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Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin
FantasíaJeder weiß, wie sie die Spiele gewonnen hat. Jeder kennt sie. Oder glaubt sie zu kennen. Doch wer ist sie wirklich? Wie wurde sie zu der Frau, die sich vom Kapitol nichts mehr bieten lässt? Was ist die wahre Geschichte der Johanna Mason? Die Geschic...