Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin | Kapitel 24

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Jagen. Ich würde die anderen Tribute jagen. Das zumindest war mein Ziel gewesen. Als Problem stellte sich jedoch heraus, dass diese verdammte Arena riesig war und ich keine Ahnung hatte, wo ich nach den Anderen suchen sollte. Überall waren nur Bäume, Gras oder andere Dinge, die in einem Wungel wuchsen. Es gab viel zu viele Verstecke: So dauerte es fast einen ganzen Tag bis ich endlich mal zumindest die Spur eines anderen Tributes fand. Er schien nicht darauf zu achten, seine Spuren zu verwischen. Vielleicht war er zu überheblich oder aber auch verletzt. Oder er war einfach ein ziemlicher Trampel und kam erst gar nicht auf diese Idee, das konnte natürlich auch sein. Was es auch war, er machte es mir unglaublich leicht.

Ich verfolgte die Spur und mein Herz schlug schneller, während mein Gehirn darüber nachdenken wollte, was ich da gerade tat. Ich jagte einen Menschen. Wenn ich ihn fand würde ich ihn töten. Es machte mir nicht so viel aus wie es sollte, da ich einfach nur nach Hause wollte. Im Grunde war ich wie ein Karriero. Nur besser. Ich tat es nicht weil ich nach Ruhm strebte.

Doch ich durfte nicht darüber nachdenken, das würde mich nur behindern. Ich musste diese Stimme in meinem Kopf einfach ignorieren. Wenn alles vorbei konnte sie sich ja kurzzeitig wieder melden.

Die Spur führte mich, so fand ich, ziellos durch den Wungel. Wer auch immer es war, er hatte eindeutig kein Ziel vor Augen. Was ziemlich überraschend war, da sich der Tribut als das Mädchen aus Distrikt 4 herausstellte. Eine der beiden letzten Karrieretribute. Sie hatte ein Schwert, es würde also auf einen Kampf hinauslaufen. Doch ihr Bein war verletzt. Trotzdem hatte ich kein Mitleid. Sie konnte auch die Mörderin von Charly sein und mit Sicherheit war sie die Mörderin eines anderen Tributen.

Ich stieg auf einen Ast, damit mich das Knacken verriet, immerhin wollte ich nicht feige oder hinterhältig dastehen. Meine Axt hielt ich dabei jedoch fest umklammert.

Das Mädchen, falls ich den Namen jemals wusste hatte ich ihn wieder vergessen, wirbelte sofort herum und entdeckte mich, woraufhin sie ihr Schwert erst hob und dann wieder sinken ließ.

„Du bist es. Ich dachte schon, es wäre jemand bedrohliches.“, sagte sie überheblich und ich musste mich beherrschen, mich nicht wie ein Tier auf sie zu stürzen. Arrogantes Miststück.

„Was ist denn mit deinem Bein passiert? Bist du gestolpert? Bist wohl nur Sand unter den Füßen gewohnt.“, gab ich biestig zurück. Das konnte ich auch, doch mit Sicherheit noch besser. Hass half für gewöhnlich perfekt dabei. Außerdem meinte Treen einmal, ich hätte eine außergewöhnliche Begabung für plötzliche Biesthaftigkeit. Der Schlag gegen seinen Hinterkopf der auf diese Bemerkung folgte war für ihn nur noch eine weitere Bestätigung gewesen.

„Das? Ach das ist nur ein Kratzer.“, behauptete sie und hob ihr Schwert nun doch wieder, was Zweifel an ihrer Aussage aufkommen ließ. Vor allem da sie in mir wohl doch eine Bedrohung zu sehen schien, was ja, da sie mich vermutlich immer noch für das schwache Mädchen hielt, schon etwas heißen musste.

„Ich habe deine Spur verfolgt, was nicht gerade schwer war, immerhin hast du dir keine Mühe gemacht sie zu verwischen. Entweder du bist ziemlich dumm oder du bist zu schwer verletzt.“, erwiderte ich noch, doch dann beschloss ich meinen Mund zu halten. Es brachte nichts wenn ich Zeit schindete, der Moment würde kommen. Lieber früher als später.

Sie knurrte, doch sie machte immer noch keine Anstalten mich anzugreifen weshalb ich wusste, dass sie dazu gar nicht in der Lage war. Aus diesem Grund setzte ich mich in Bewegung, hob die Axt an und traf damit auf die Klinge ihres Schwertes, doch damit hatte ich gerechnet, genau das war mein Plan gewesen.

Ich drückte mit der Axt gegen ihre Klinge, ließ nicht zu dass sie einen Schlag ansetzten konnte. Im gleichen Moment trat ich mit dem Fuß jedoch auf ihre Wunde, was sie aufschreien ließ.

Das Schwert fiel, meine Axt schwang durch die Luft und streifte ihre Kehle, eine Kanone erklang. Danach war es vorbei.

All das dauerte vermutlich keine fünf Sekunden und trotzdem fühlte es sich für mich wie eine halbe Ewigkeit an. Das Einschneiden der Klinge, das Blut, der Aufprall des toten Körpers. Meine Kaltblütigkeit, wie ich ohne zu blinzeln töten konnte.

Ich war ein brutaler Killer. Das Kapitol hatte mich dazu gemacht. Und ich verspürte nicht einmal Reue. Im Gegenteil, ich redete mir ein, dass ich es auf die beste Weise getan hatte die mir möglich war, nämlich kurz und schmerzlos. Sie musste nicht leiden, es war gleich vorbei. Wenn ich schon tötete, dann nur auf diese Weise. Vielleicht wirkte es kaltblütig, für mich war es eine innerliche Vereinbarung, wie ich gut damit umgehen konnte. Und irgendeine Lösung musste ich finden, sonst hätte ich das niemals durchziehen können.

Wie immer wenn ich meine Axt benutzt hatte säuberte ich auch dieses Mal die Klinge, doch erst nachdem ich einige Meter zwischen mich und die Leiche gebracht hatte. Ich hörte ein Hovercraft, das mit Sicherheit den toten Körper abholte, danach war es wieder still. Zumindest solange bis die Tiere wieder in ihrer Tätigkeit fortfuhren und normale Dschungelgeräusche zu hören waren.

Drei Tribute waren noch am Leben. Drei männliche Tribute. Ich war also das einzige Mädchen, das noch übrig war. Ein Mädchen, das es den Jungs zeigen würde, da ich auch sie erwischen würde. Genau deshalb machte ich mich erneut auf den Weg und hielt Ausschau nach Spuren. Ich hatte keinen Hunger und wollte nichts essen. Bis es Nacht war dauerte es noch, doch ich war nicht müde. Stattdessen wollte ich weiter solange ich noch gute Sicht hatte. Ich wollte raus aus dieser Arena und umso weniger Zeit ich hier noch verbringen musste, desto besser.

Dieses Mal dauerte es auch nicht so lange wie beim ersten Mal, als ich erneut eine Spur entdeckte. Und wieder folgte ich ihr, meine Axt fest umklammert.

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