Johanna Mason - Geschichte einer Siegerin | Kapitel 19

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Keine zehn Minuten vergingen, als man auch schon das laute Donnergrollen der Kanone hören konnte. Leise zählte ich mit und kam auf sieben Schüsse, was bedeutete, dass sieben Tribute ihr Leben gelassen hatten. Das war verdammt wenig. So niedrig war die Zahl schon lange nicht mehr und das wusste auch die Spielmacher.

Ob Charly wohl noch lebte oder ob ein Schuss seiner gewesen war?

Schnell schüttelte ich den Kopf. Ich durfte nicht an Andere denken. Nicht jetzt und auch zu keiner anderen Zeit. Wenn ich gewinnen wollte, dann gab es nur ein ich. Kein wir.

Da es keinen Sinn machte sich kurz vor Einbruch der Nacht auf den Weg zu machen, vor allem nicht wenn die Karrieros auf der Jagd waren, blieb ich erst einmal wo ich war. Hier oben, hoffentlich unbemerkt von allen Anderen, versuchte ich erst einmal zu schlafen. Ich brauchte meine Energie. Vor allem da ich nicht wusste, was alles auf mich zukommen würde.

Ich schlüpfte, so gut das eben auf einem Baum ging, in meinen Schlafsack, nur um kurz darauf wieder hinaus zu krabbeln. Okay, ich würde hier definitiv keinen Schlafsack gebrauchen. Wieso zum Teufel hatten sie mir dann einen in den Rucksack gepackt? Zusätzliche Waffen wären besser gewesen. Oder mehr zu trinken.

Die restliche Zeit verbrachte ich dann damit die Äste über mir so zu drapieren, dass ich etwas mehr im Verborgenen lag und meine Axt zu polieren, auch wenn sie das noch gar nicht nötig hatte. Aber ich musste etwas tun, konnte einfach nicht so untätig hier herum sitzen. Es juckte mich viel zu sehr in den Fingern selbst schon los zuziehen, doch das war noch zu früh und das wusste ich. Erst sollten die Karrieros die Drecksarbeit machen.

Mit zunehmender Dunkelheit wurde es zum Glück ein wenig kühler in der Arena, weshalb ich endlich nicht mehr so schwitzen musste. Ich fragte mich, wieso wir lange Sachen trugen, doch als die Sonne unterging wurde meine Frage sofort beantwortet.

Moskitos tauchten auf und versuchten etwas von meinem Blut zu ergattern, weshalb ich nun doch noch in meinen Schlafsack kroch um mich so vor ihnen zu verstecken. Lieber schwitzte ich weiter, als diesen gierigen Mistviechern etwas von meinem Blut zu überlassen. Die sollten sich eine andere Zapfsäule suchen, ich machte da nicht mit!

Irgendwann schienen sie das auch einzusehen, da sie wieder wenig wurden. Vielleicht hatten sie in der Nähe aber auch nur ein anderes Opfer gefunden, mir war das egal, Hauptsache sie gingen.

Ich strich gerade mit meinem linken Zeigefinger über das Metall der Axt, als mich die Hymne Panems innehalten ließ. Sofort spannte sich mein Körper an und ich setzte mich abrupt auf, da ich wusste, was das zu bedeuten hatte.

Damit wir Tribute einen guten Überblick darüber hatten mit wie vielen wir noch um den Sieg konkurrierten und wie viele es noch zu töten galt, wurden jede Nacht die Gesichter der Gefallenen am Himmel projiziert. So wie in diesem Moment.

Als erstes erschien das Gesicht des Mädchens aus Distrikt 5, was bedeutete, dass alle Karrieros sowie die Tribute aus drei noch am Leben waren. Verdammt! Ich hatte gehofft dass es wenigstens einen der Karrieretribute erwischte.

Beide aus Distrikt 6 erschienen am Himmel und ich erwischte mich dabei wie ich hoffte, dass als nächstes nicht Charly erschien. Das Mädchen aus 9 wurde gezeigt und erleichtert seufzte ich auf, ich mir schnell auf die Lippen biss. Seufzen in der Arena war verboten. Trotzdem war ich erleichtert, dass er zumindest den ersten Tag überlebt hatte.

Distrikt 11 und 12 mussten sich von beiden Tributen verabschieden, danach wurde der Himmel wieder schwarz. Langsam zählte ich in Gedanken nach, doch irgendwie kam ich auf 8 und nicht 7 Tote.

Hatte ich mich bei den Kanonenschüssen verzählt? Doch das konnte nicht sein, ich hatte doch so gut aufgepasst! Vermutlich hatte es später noch einen erwischt, ob aufgrund einer Verletzung, einer Mutation, der Karrieros oder sonst etwas. Dass ich die Kanone nicht gehört hatte war nicht merkwürdig, vor allem da ich ja nicht wusste wie groß diese verdammte Arena überhaupt war. Aber egal was die Ursache war, sie musste ziemlich weit weg sein, da ich nichts davon mitbekommen hatte. Falls es doch eine Mutation war, konnte ich also für den Moment beruhigt sein.

Mit dieser Einstellung lehnte ich mich zurück und erlaubte mir sogar die Augen zu schließen. Hier war ich fürs Erste sicher. Wie es weiter gehen würde, darüber machte ich mir erst morgen Gedanken. Oder je nachdem wann ich die Augen wieder öffnen musste. Doch lange dauert es nicht, da mich die Kanone hochschrecken ließ, gerade als ich dabei war einzunicken.

Sofort umklammerte ich meine Axt und hielt die Luft an um besser hören zu können, doch außer den nächtlichen Geräuschen des Wungels war nichts zu hören. Keine Stimmen. Und zum Glück auch nichts was auf eine Mutation hindeute. Doch das Kapitol hatte auch stille Waffen mit denen es töten konnte. Dem Sieger Blight hatten diese bei seinen Spielen fast das Leben gekostet.

Meine Augen suchten die Umgebung ab, doch es regte sich nichts. Hatten sie nun unsichtbare Waffen oder nicht? Das war unfair, wie sollte man etwas bekämpfen was man nicht sah?

Ich merkte wie ich mich immer mehr anspannte und wie sich die Angst in mir breit machen wollte.

Johanna, reiß dich zusammen!, ermahnte ich mich selbst. Ich musste nicht mehr das kleine hilflose Mädchen spielen, also durfte ich jetzt gefälligst nicht mehr so rüber kommen. Wie sollte mir Jason so sonst Sponsoren beschaffen?

Ich zwang mich wieder ruhiger zu werden und tatsächlich schaffte ich das auch. Vermutlich lag es an der jahrelangen Übung im Umgang mit Treen. Ruhig bleiben, auch wenn ich ihm am liebsten eine verpasst hätte.

Langsam erlaubte ich mir mich wieder zurückzulehnen, auch wenn ich die Axt fest an meine Brust gedrückt hielt. Ich wollte nicht mehr schlafen, traute mich das nicht mehr, doch mein Körper hatte da andere Pläne mit mir. Er schrie beinahe nach Schlaf und irgendwann gab ich diesen Kampf auf und die Müdigkeit siegte.

Johanna Mason - Geschichte einer SiegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt