Kapitel II.

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Kapitel II.

„Faur!" knurrte er mit tiefer Stimme, aber ich konnte nichts anderes tun, als ihn sprachlos anzustarren. Nicht nur das er eine mir unbekannte Variante des Gälischen sprach, er war selbst das Paradebeispiel für seltsam.

Seine Hüften bedeckte ein blaugrünkarierter Rock der vereinzelt von roten Linien durchbrochen wurde und den ich nach einigen Sekunden sprachlosen Starrens als Kilt identifizierte. Die muskulösen Beine steckten in gewickelten Lederstiefeln die ihm bis zum Knie gingen und das dreckiges Hemd, welches früher mit Sicherheit mal mit  Weiß betitelt wurde, hatte definitiv schon bessere Zeiten erlebt.

Alles in allem war ich fassungslos.

Ein breiter Ledergürtel, in dem rechts ein Messer steckte und links ein kleines Beutelchen aus Leder dran hing, hielt den Kilt an Ort und Stelle und machte mir zusammen mit dem mörderischen Gesichtsausdruck in dem kantigen, sonnenverwöhnten Gesicht klar, dass mit diesem Typen nicht zu spaßen war.

Wir starrten uns gegenseitig an und in dem Moment bemerkte ich auch die riesige Schramme an seiner Stirn, welche sich bis hinunter zur Schläfe und schließlich zur Wange entlang zog. Dass das nicht die einzige Wunde war, wurde mir schnell klar, denn er hielt sich die rechte Hand, welche in dem Zipfel seines Kilts eingewickelt war und zahlreiche Schnitte oder Schürfungen zogen sich überall an ihm entlang. Er sah aus wie eine gestrandete Fregatte. 

„Äh hallo?" versuchte ich es zaghaft und sah ihn ziemlich unsicher an. Er zog die buschigen Augenbrauen hoch und strich sich die schulterlangen hellbraunen Haare hinter die Ohren.

„Faur!"

Was zum Teufel war das für eine wahnsinnige Gestalt? Hier rumzulaufen und Frauen zu verschrecken, unmöglich. 

„Haben Sie sich verlaufen?"

„Sàmhchair!" knurrte er und kam einen drohenden Schritt näher. Panik kroch in mir hinauf, endlose Panik und mit jedem weiteren Schritt den er näher kam, ging ich einen nach hinten.

Weil ich mittlerweile verstanden hatte das weder er mich noch ich ihn verstand, hob ich in einer hilflosen Geste die Arme und sah ihn ängstlich an. 

„Verschwinde!" Ich hatte ihn verstanden. Er war in das reinere Gälisch der Lowlands gewechselt und obwohl es ihm nicht so leicht viel, kam es doch zumindest halbwegs verständlich aus seinem Mund.

Ratlos sah ich ihn an. Wer war er? Ein Wanderer der sich irgendwie verirrt hatte? Ein Mann der im Wald lebte und jetzt ... ich war wirklich mehr als nur verwirrt und erwartete ehrlich gesagt, der Boden würde mir langsam unter den Füßen weg sickern. Es war unglaublich merkwürdig. 

„Hilfe?" fragte ich und deutete auf seine Hand. Er schüttelte seine Mähne und sah hinunter auf die Wiesen, wo sich in einiger Entfernung der Asphalt der Straße auftat. Dann jedoch fiel sein Blick auf meinen karierten Rock und unmerklich zogen sich seine Augenbrauen zu einem gewaltigen Donnerwetter zusammen. „Cunningham!?"

Weil ich weder mit dem Namen etwas anfangen konnte, noch mit seinem forschen Blick, sah ich ihn weiter einfach ratlos an und versuchte so viel Unschuld wie möglich in meinen Blick zu legen.

Er grummelte. „Cunningham? Was suchst du hier?"

Blinzelnd schluckte ich und warf nervös einen Blick hinunter auf die Wiesen, wo ich den Schatten meines Autos im dämmernden Licht sehen konnte. Ich wollte, nein ich sollte abhauen. Und zwar schnell. 

„Ich ... bin hier und schau mir die Berge an" antwortete ich langsam, darauf Bedacht die Wirkung meiner Worte an seinem Gesicht sehen zu können.  Er nickte und knurrte dann etwas in seinen Bart, das sich stark nach einem Fluch anhörte.

22 Days;Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt