XXI.
(02.02.2014)Als ich erwachte stand die Sonne bereits hoch am Zenit. Es war sicherlich weit nach Mittag und kaum realisierte ich die Umwelt um mich herum, schoss mir ein Schwall Tränen in die Augen. Ich traute mich nicht sie zu öffnen, spürte wie heiße Linien meine Wangen hinab rannen.
Weg.
Alasdair war weg.
Einfach weg.
Schluchzend versuchte ich Luft zu holen, scheiterte und keuchte nach Luft. Ich schlug die Augen doch auf, kniff sie jedoch gleich wieder zusammen. Es war zu hell, viel zu hell.
Die Vorhänge waren vorgezogen, Sonnenlicht strahlte zum Fenster hinein. Schottland, dieses verdammte verfluchte Land schien mich verspotten zu wollen.
Die Wahrheit stach mir ins Auge, seine Bettseite war leer. Kalt und leer. Wie mein Herz.
Mir die Hand auf den Mund pressend, verzweifelt versuchend mein Schluchzen zu dämmen, kroch ich hinüber und presste meine Nase auf das kühle Baumwolllaken. Es roch tatsächlich noch nach ihm. Nach Stein und Regen, nach kalten Winternächten und warmen Umarmungen, nach Haut und Mann, nach Alasdair. Der Schmerz der mich überrollte war gigantisch.
Ich hatte nie erwartet jemals mal so etwas zu erleben, hatte nie den verzweifelten Augen von Menschen getraut. Jetzt wusste ich es besser, erst jetzt bewies es sich - seelischer Schmerz weitaus schlimmer war als körperlicher.
Meine Sicht verschwamm immer mehr, ich rollte mich zu einem Embryo zusammen und presste meine Faust auf meinen brennenden Magen.
Es sollte aufhören, alles sollte aufhören. Ich wollte keine Uhr mehr ticken hören, ohne daran zu denken dass mir die verdammte Zeit Al genommen hatte. Ich wollte die Sonne nicht mehr aufgehen sehen, ich wollte nie wieder in das Gesicht des vollen Mondes blicken müssen.
Nun.. ich hasste diese Welt. Mit einem Schlag hasste ich alles hier.
Mein Blick glitt träge über das weiße Laken und blieb an etwas dunklem liegen, ich fuhr mir über die Augen und robbte nach unten um nach ihm zu greifen.
Es war Papier, das meine Hand griff. Wimmernd schlug ich es auf, kniff die Augen zusammen und wagte einen weiteren Blick.Doch dann entdeckte ich auf dem Boden in der Glut des Feuers etwas glänzen und als ich einen Schritt drauf zu ging, erkannte ich eine kleine Brosche.
Fein und aus reinem Silber gearbeitet, rund und mit einem Panzerhandschuh der ein lateinisches Kreuz über einer Krone hielt. Sie war wunderschön und funkelte auf eine beinahe gefährliche Art und Weise.
Ich versuchte die Schrift zu lesen, denn vier lateinische Wörter waren hinein geritzt.
Per mare per terras.Per mare per terras. Durch Wasser und Land. Ja, das beschrieb den Alasdair den ich kannte am besten. Durch Wasser und Land, Grenzen? Nein, Alasdair kannte keine Grenzen und wenn er welche gekannt hätte, dann hätte er sie mit verschmitztem Grinsen und siegessicherer Pose verschoben.
Unter Tränen musste ich lächeln, presste das kalte Silber fest an mich. Ich würde diese Brosche hüten wie mein Herz.
Auf dem weißen Pergament waren in reiner Handschrift Worte geschrieben, ich erinnerte mich wie er sie mir ins Ohr geflüstert hatte, wie er dabei gelächelt hatte, wie seine Augen gefunkelt hatten.
Tha gràdh agam ort– Ich liebe dich.
Wimmernd schlug ich den Brief zusammen und spürte kaltes an meinem Ellenbogen. Verwundert griff ich dahin und hatte etwas Rundes in der Hand. Etwa Traubengroß … sie sah aus wie die Kugel die wir zusammen in der Schmiede hergestellt hatten.
Doch nun hatte sie ihren Glanz verloren, das Gold schimmerte nicht mehr so glanzvoll, meine Sicht verschwamm und ich presste diese drei Dinge die mir von ihm geblieben waren, keuchend ans Herz.
Und dann … dann schrie ich all die Wut hinaus. Wut, Verzweiflung, Trauer. Aber vor allem Wut. Wut weil ich es war, Wut weil mir das Herz gebrochen wurde.
Von einem Gegner der kein Gesicht hatte.Mit Klopfendem Herzen kämpfte ich mich wieder nach oben und klopfte mir die Blätter von meinen nun feuchtnassen Wollstrumpfhosen, als es erneut knackte.
Stockend sah ich auf und direkt in ein paar strahlendblaue Augen, die mich förmlich durchbohren wollten.
„Faur!“ bellte der Mann, während ich ihn nur geschockt anstarren konnte.

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22 Days;
Historical FictionSchottland war unglaublich schön, vielleicht nicht für jedes Auge - aber vielleicht war es ja deshalb so schön? Wer wusste das schon. Jean war hier hoch gekommen um Urlaub zu machen und herauszufinden was ihre Großmutter Eilidh an dem rauen Land so...