Kapitel XXVI.

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XXVI.

(05-06.02.1692)

Donald und ich hatten uns in dieser dunklen Nacht noch stundenlang an den Gitterstäben einen Plan ausgedacht. Erst als der Morgen graute und oben eine Tür ins Schloss fiel, waren wir auseinander gestoben und hatten so getan als hätten wir beide noch geschlafen.
„Aber“ hatte er mal wieder eingeworfen, doch ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Wir machen es so und jetzt stell dich schlafend!“ zischte ich und schloss eilig die Augen.
Schwere Schritte ertönten auf der Treppe, er rüttelte an meiner Tür.
„Aufstehn‘ Göre! Hier, Essen“ so betont unauffällig wie möglich schlug ich die Augen auf und betrachtete den Kanten Brot mit einem skeptischen Blick. Daneben stand eine Schüssel Wasser. Wie klischeehaft!
Er schob beides durch den schmalen Schlitz am Boden und wandte sich dann nach rechts Donald zu.
„Könnte ich vielleicht ein wenig Butter dazu haben? Euer Brot hat die Angewohnheit leicht trocken im Abgang zu sein“ säuselte der Riese nebenan und ich musste mir das Grinsen schon wieder arg verkneifen. Dieser Schlingel!
„Halts Maul und friss, was andres kriegste ne!“ knurrte der bullige Mann mit dem Schweinebauch von gestern Abend und stapfte wieder die Treppe nach oben. Kurz darauf rumste eine Tür in ihre Angeln.
„Donald?“
„Mhm?“
„Ach nichts“ seufzend nahm ich den harten Kanten Brot und knaupelte mir mit meinen Fingernägeln ein Stück ab. Es schmeckte widerlich, aber war schon für den ersten schlimmsten Hunger in Ordnung.
„Du  Jean? Ich .. mir gefällt die Sache nicht.“
Ich wusste das er nicht vom Essen sprach oder diesem elendigen Kerker, er sprach von dem Plan den ich mir zurecht gelegt hatte.
„Du hast gesagt er hat die Schlüssel.“
„Normalerweise ist das auch so .. Campbell traut niemandem, sieh ihn doch an, das sieht man doch in seinem hässlichen Gesicht. Aber .. was wenn es doch anders ist und man dich erwischt?“
Dann würde ich mit Sicherheit nicht glimpflich davon kommen, das war mir bewusst. Aber es war der einzige Weg, die einzige Chance die wir hatten.
Wie gewinnen, wenn man Angst vorm verlieren hat?


Ein paar Stunden nach unserem kargen Morgenmahl ging oben die Tür wieder auf und verschiedene Stimmen schlugen aneinander. Nervös kniff ich die Augen zusammen und stand auf, würde er mich jetzt schon holen? Oh bitte nicht, das wäre das Ende!
Doch zu meiner – und wohl auch Donalds Erleichterung – war es nicht Campbell der da würdevoll die Treppen hinunter trat, sondern ein schlaksiger junger Kerl, hinter ihm einer der Wachen.
Er führte ihn wortlos in die Zelle neben meiner, verschloss das Schloss mit einem verdammt langen dunklen Schlüssel und warf uns noch einen Blick zu, ehe er die Treppen wieder hinauf trat.
Stille legte sich über uns, von draußen hörte man das Geklapper von Hufen, ein paar weitentfernte Stimmen.
„Wer bist du?“ fragte ich schließlich mutig und lehnte mich wie bei Donald an die Gitterstäbe, nun eben aber nach links.
Er war wirklich sehr schlaksig, auch wenn ich es bei näherem Betrachten eher drahtig und sehnig bezeichnen würde. Auf seinem Kopf tummelte sich rabenschwarzes Haar, seine Augen waren blaugrün und von einem dichten schwarzen Kranz umgeben. Alles in allem sah er sehr verwegen und düster aus.
Schmale, blasse Lippen öffneten sich wie in Zeitlupe. „Blár.“
Ich nickte registrierend, verwundert über seine Verschwiegenheit und drehte mich zu Donald, der ebenso interessiert aus der Wäsche sah.
„Warum bist du hier, Bürschchen?“
Blár erhob sich endlich von seiner knienden Position an den Wänden und kam, wie wir alle an die Zellentür. „Hab ein paar Pferde  gestohlen.“
„Und wurdest erwischt“ schlussfolgerte Donald. Blár nickte. „Aye.“
„Was sind ein paar?“ fragte ich und kniff die Augen zusammen, Pferde? Interessant.
Blárs verschwiegene Miene erhellte sich, ein verschmitztes Grinsen zog sich auf seine Lippen. Er sah aus als wäre er mächtig stolz auf seine Tat, egal wie sie ausgegangen war. „Oh.. so um die ein Dutzend?“
Donald grinste, „Was wolltest du damit?“
„Und wo sind sie?“ warf ich ein.
„Verkaufen“ zuckte er mit den Schultern, „Ich brauche Geld für die Überfahrt nach Irland. Ich will zurück in meine Heimat. Und wo sie sind? Keine Ahnung, ein paar hat er erwischt, der Rest ist abgehauen.“
„Du kommst aus Irland? Wie alt bist du, Junge?“
Er sah Donald musternd an und sein Blick veränderte sich, er wirkte zwar immer noch wie jemand der einem ohne zu Zögern die Taschen lehr räumte, aber Donald schüchterte ihn wohl doch ein. Oder war er einfach fasziniert?
„24 Winter.“
Donald nickte, fuhr sich über seinen Bart. „Wann fährt dein Schiff, Kleiner?“
„Übermorgen“ Blár leckte sich über die Lippen und sah uns interessiert an. „Sagt bloß ihr habt eine Idee wie wir hier rauskommen?“

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