Kapitel III.

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Kapitel III.

Er versuchte seinen Schnitt schließlich selbst zu versorgen, scheiterte aber schon bei seiner Schulter, die er sich bei irgendwelchem Hochland-Geprügel verzerrt hatte. 

Ich übernahm es letztendlich und versorgte seine Wunden, während er grimmig in die Flammen des Kamins starrte. Kein Widerstand ging von ihm aus, er verhielt sich ruhig, atmete flach und zuckte nicht ein einziges Mal. 

„Du kannst die Nacht hier schlafen."

Mit aufgerissenen Augen sah er mich an und schüttelte dann den Kopf, als hätte ich ihm sonst was vorgeschlagen. „Niemals. So etwas schickt sich nicht. Ihr seid eine unverheiratete Frau."

Ich hätte ihm das nie und nimmer erzählen sollen. „Hier ist es nicht schlimm wenn man nicht verheiratet ist, geschweige denn wenn ein Mann im Haus ist."

Er schüttelte erneut den Kopf wie ein sturer Esel. „Das kann ich nicht machen."

„Hör auf so stur zu sein!" fuhr ich ihn an und wedelte mit der Hand herum. „Du schläfst die Nacht hier auf dem Sofa. Und ich hinter verschlossener Tür in meinem Bett. Es wird nichts passieren."

„Aber" - „Nein" unterbrach ich seinen beginnenden Redeschwall einfach und sah ihn resolut an. Er sackte in sich zusammen und nickte schließlich leicht.

Leise packte ich die Wasserschüssel und das Tuch auf den Tisch und lehnte mich dann nach hinten, während ich eine Weile sein Gesicht betrachtete, auf welchem erneut die Schatten der Flammen tanzten. Es war als wäre sein Gesicht ihre Leinwand. 

„Wann bist du geboren?"

„1665" antwortete er wie aus der Pistole geschossen. „Am 9 Juni, mitten im Sommer."

Im Kopf rechnete ich schnell nach und kam zu dem Entschluss, dass er wohl 27 Jahre alt war. Oder halt 349. Je nach dem. 

Wenn man bedachte wie müde er vorhin bei Tageslicht ausgesehen hatte, dann tippte ich wirklich auf die zweite Zahl. 

Seufzend klopfte ich mir auf die Oberschenkel und stand auf.„Na gut, ich geh jetzt schlafen. Wenn etwas sein sollte, klopf drei Mal gegen die Tür, in Ordnung?"

Er nickte brav, auch wenn er weiterhin meinen Blick mied. Ich war schon fast die Treppen ganz nach oben gegangen, als ich noch einmal stehen blieb und ihn mit ernstem Blick ansah. „Versprich mir, dass du morgen früh noch da bist. Diese Welt hier ist nicht einfach, Alasdair."

Seine blauen Augen wirkten fast schwarz, er nickte. 

„Gut, dann schlaf gut."

Ich schloss oben die Tür hinter mir und ließ mich mit einem stummen Seufzen auf die Bettkante nieder. Das Holz quietschte leicht und die frische Bettwäsche roch gut. Ich stützte den Kopf in die Hände und schloss die Augen. Ich hatte das Gefühl hinter meiner Stirn hackten Bergleute nach Gold. Das war alles unglaublich verrückt. 

Und wenn ich morgen einfach die Polizei rufen würde und ihn ...? Nargh. Auch das schien nicht der richtige Weg zu sein, dafür war er zu verloren und durcheinander. Ich musste eine Lösung für das Ganze hier finden. Es gab sie, nur wie sah sie aus?

Ich verschob das ganze auf Morgen, zumindest beschloss ich das nach einer Weile. Obwohl ich schon im Bett lag, ging ich noch einmal zur Tür und warf einen Blick nach unten ins Wohnzimmer. Er lag auf dem Boden vor dem Kamin, eingewickelt in sein Plaid. Sein Gesicht von mir abgewandt, hätte ich zu gern gewusst was zur Hölle er gerade dachte. Es war irre einen mir fremden Mann in meinem Haus zu beherbergen, absolut irre. Und trotzdem ... keine Ahnung. Seufzend schloss ich die Tür wieder und pustete die kleine Kerze aus. Der Rauch verbreitete sich wohlriechend in dem Raum und von draußen waberte der Geruch nach Frost hinein. Ich zog mir die dicke Bettdecke bis zum Hals und schloss die Augen. 

22 Days;Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt