Kapitel XXVI.

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XXVII.

(06.02.1692)

Der alte weißhaarige Mann, der mich stark an eine Mischung aus Professor Albus Dumbledore aus Harry Potter und Gandalf dem Weißen aus Herr der Ringe ohne Bart erinnerte, begann mich schließlich zu untersuchen.
Ich sollte meinen Mantel ausziehen, denn er horchte meine Lunge ab, während ich so stark und ächzend hustete, dass er eigentlich nichts hören konnte und auch nicht allzu nah an mich heran kam.
Denn eins wusste ich – meiner Lunge ging es fantastisch, allenfalls hätte ich diesen Höllentrip durch das nächtliche Schottland nicht überlebt.
Er maß Fieber, warf einen Blick in meine Ohren und in meine Nase und ich grub alle Kenntnisse und Fähigkeiten meiner Kindheit vor. Mit denen hatte ich es schon geschafft meinen Vater hereinzulegen und mir so einen freien Schultag zu erkämpfen, seien es Klausuren, blöde Klassenfahrten, oder auch nur Wandertage gewesen.
Mit Hilfe eines kleinen Stäbchens aus Holz, drückte er schließlich meine Zunge hinab und warf einen Blick in meinen Hals. Weil ich mir so schreckliche Mühe gab immer noch wie verrückt zu husten, entdeckte er wohl die offenen Schnitte an meiner Wangenhaut nicht – es schien ihm jedenfalls nichts komisch vorzukommen.
„Muss ich jetzt sterben?“ krächzte ich irgendwann und sah ihn mit meinem besten Klein-Mädchen-Blick an. Er zog die buschigen Augenbrauen zusammen. „Nein. Ich denke ihr habt zusätzlich eine böse Lungenentzündung, denn der Keuchhusten ist laut meiner Einschätzung noch im Anfangsstadium.“
Scheiße! Oder doch nicht? Ich war mir nicht mehr ganz sicher was mir besser gefiel, Keuchhusten oder Lungenentzündung.
„Deswegen das Blut?“
„Ja. Ich werde aller zwei Stunden bei euch vorbei kommen, um neue Medizin zu verabreichen. Für das erste wird Elona einen Tee kochen. Das hier ist Solanum dulcamara L, das bittersüße Nachtschattengewächs. Es beruhigt die Lungen und die Bronchien. Elona wird es in euren Tee mischen.“
Er unterbrach sich kurz und griff nach einer kleinen braunen Flasche, aus welcher er etwas in eine winzige Schüssel füllte. Es klackerte leise und ich reckte meinen Kopf, um einen Blick auf das Etikett werfen zu können.
Morphin.
„Das ist Morphin, es wird euch fürs erste die schrecklichen Schmerzen nehmen. Die Dosierung ist sehr gering, nehmt es mit einem Schluck Tee ein. Die Wirkung sollte sich in Eile einstellen. Ich gehe noch einmal in den Kräutergarten, ich bin in wenigen Minuten wieder da.“
Ich nickte unschuldig und sah zu wie er verschwand.
Und dann war mein Augenblick gekommen.
Elona war ebenfalls auf dem Gang, vermutlich nahm sie seine Forderungen entgegen – die braune Flasche stand jedenfalls ganz unschuldig vor mir.
Genauso unschuldig wie ich eben geschaut hatte. Und doch waren wir nicht unschuldig, Morphin war tödlich, mein Hass auf Campbell mittlerweile auch.
Ich sprang auf, schnappte mir die Flasche und drehte mich von der Tür weg. Wohin? Panisch überlegend, denn es konnte jederzeit jemand hier hinein kommen, riss ich meinen Rock hinauf und schraubte die Flasche auf. Wie viele Kugeln brauchte man um einen Mann auszuschalten? Ich nahm so viele wie ich konnte und pfriemelte die stecknadelgroßen Kügelchen in das breite Bändchen. Und hingegen aller meiner Ängste, funktionierte es halbwegs. Die Brosche, meine Fingerspitzen fuhren über die Worte und mit einem Mal wusste ich wieder wofür ich hier kämpfte.
MacDonald. Durch Wasser und Land. Durch alles was sich uns in den Weg stellte!
Ich schraubte die Flasche eilig zu und stellte sie wieder auf ihren Platz, ehe ich mich vorsichtig auf dem Bett zusammen rollte. Es brauchte auch keinen weiteren Moment, da ging die Tür auf und Elona kam hinein. In ihrer Hand trug sie eine dampfende Tasse.
„Bitte seid vorsichtig, er ist schrecklich heiß. Und trinkt ihn, er wird euch nicht schmecken, aber es ist wichtig.“
Leidend nickend schloss ich die Augen, beobachtete sie jedoch unter meinen dichten Wimpernkränzen. Vermutlich dachte sie ich würde schlafen, denn sie beendete ihre Arbeit schweigend und verschwand dann leise durch die Tür.
Ich schlug die Augen wieder auf, ich musste Donald und Blár befreien, ich musste zu Alasdair, ich musste die Schlüssel besorgen – und vor allem musste ich eine Gelegenheit finden Campbell zu vergiften.

22 Days;Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt