Kapitel XII.

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XII.

Als ich erwachte, schlief er noch tief und fest. Sein Atem kam regelmäßig und warm über seine beinahe schon unverschämt vollen Lippen, die große Nase und die markanten Augenbrauen waren ein wenig gerunzelt. Es sah aus als würde ein vollkommen unschuldiges Kind über etwas sehr wichtiges nachdenken.

Lächelnd streckte ich die Hand nach ihm aus, fuhr mit dem Zeigefinger hauchzart über die goldenen Härchen über seinen Augen und verschlang ihn mit meinen Blick. So unreal wie er hier bei mir war, so unreal war im Moment mein ganzes Leben. Ich sollte normalerweise bald zurück sein, mein Leben in Manchester wartete schließlich auf mich – aber ich wollte und konnte es noch nicht. Ich musste den Zauber genießen, wenigstens so lange er noch da war und so intensiv dass ich ihn mein ganzes restliches Leben würde spüren können.

Als er langsam diese azurblauen Perlen aufschlug und mich verschlafen anblinzelte, fühlte ich eine wahre Flut an Schmetterlingen in meinem Bauch. So schön, so stark und so … besonders. „Guten Morgen.“

„Morgen“ brummte es, dann schloss er sie wieder und schob seine Hand auf meinen Rücken um mich wieder näher an ihn zu ziehen. „Bist du schon lange wach?“

„Eine Weile“ meinte ich und zog kleine Kreise auf der warmen Haut, die die sein Hemd nicht verbarg. „Ich habe nachgedacht.“

„So? Und worüber?“

„Du musst dich hier doch wahnsinnig unwohl fühlen, oder? So .. in dieser Zeit?“

„Na ja“ er brummte nichtssagend und küsste mich, „Du machst es erträglich.“

Ich musste ihn wohl ziemlich verdutzt angesehen haben, denn er grinste. „Verstehst du nicht?“

„Seit du hier bist verstehe ich schon nichts mehr“ murmelte ich seufzend und legte den Kopf auf seine Brust. Alasdair lachte leise. „Ich habe mir eingeredet, dass ich das alles nur träume. Vielleicht auf den Kopf gefallen bin, ich will es so lange auskosten wie ich es habe. Dich so lange auskosten wie ich dich habe.“

Ich schmolz dahin. Aber welche Frau wäre das nicht bei seinen Worten? Er hatte dieses unbändige Talent es niemals so aussehen zu lassen, als meinte er es nicht 100 Prozentig ehrlich. Mit einem Seufzen spürte ich erneut einen Kuss. „Dein Haus scheint sich nicht zu sehr von den Häusern der reichen Engländer zu unterscheiden. Einzig und allein dieses Ding mit dem du dich fortbewegst macht mir Angst.“

„Wirklich?“ fragte ich erstaunt, hatte er sich doch sonst gut im Griff.

„Ich hasse das Ding“ brummte er missmutig und entlockte mir ein kleines Lächeln. Er hatte Recht, ich verzichtete so gut wie auf alles das ihn verwirren oder ängstigen könnte. Verpackungen von Lebensmitteln warf ich weg bevor er sie entdeckte, ich kochte Tee auf dem Blech im Kamin (Mir kam der Gasherd sowieso mehr als nur spanisch vor, seine Leitungen sowieso), wusch mich mit Wasser in Schüsseln und versuchte auch sonst alles zu umgehen das Fragen aufwarf. Das Haus kam mir entgegen, hier gab es schließlich fast nichts das wirklich mit der realen Welt des 21zigsten Jahrhunderts zu tun hatte. Einzig und allein meine Kleidung – und selbst die hatte ich so gut es ging ihm angepasst – ließ einen Aufschluss das hier irgendwas nicht stimmte und natürlich mein Auto. Das immer noch geliehen war .. ich wusste nicht mal wirklich wie lange noch. Aber die würden sich schon melden wenn die Miete ablief.

„Na los“ ich setzte mich auf, schob meine Haare auf eine Seite der Schulter und robbte dann zur Bettkannte. „Lass uns aufstehen. Wir haben heute ein paar Kräuter zu sammeln.“

„Das sind keine Kräuter“ rollte er erneut mit den Augen und brachte mich zum Kichern. „Du kannst die Nationalpflanze Schottlands nicht als Kraut bezeichnen.“

22 Days;Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt