Kapitel XXIV.

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XXIV.

(05.02.1692)


Das erste an was ich dachte war der Tod. Kohlrabenschwarze Augen, kein Hauch von Gefühl lag darin, kein Funken licht brach sich in ihnen. Tod.
Es war ein Mann der mich da auf ein paar Meter interessiert betrachtete, sein dunkelblondes Haar lag gebürstet wie ein wirrer Mob um seinen ovalen Kopf, seine Züge zeugten von Scharfsinnigkeit und erinnerten mich an eine Klinge. Eine verdammt scharfe Klinge.
Er kam einen Schritt näher und ich wich stolpernd zurück. Ich hatte keinerlei Ahnung wer dieser Mann war, aber ich wusste instinktiv dass ich die Beine in die Hand nehmen und rennen sollte.
Ich blieb letztendlich trotzdem wie angewurzelt stehen, musterte ihn nervös. Er hatte eine unheimliche Ausstrahlung, wie ein Loch. Dunkel und drohend, kalt und klamm.
Er trug einen langen dunklen Mantel, darunter konnte ich einen Kilt hervorblitzen sehen. Er war grundsätzlich blau, sah dem grünen von Alasdair zwar ähnlich, nur war der hier nicht von roten Linien durchzogen und wirkte generell wesentlich düsterer. Alles in allem trug er die gleiche Kleidung wie es Al getan hatte, doch irgendwas war anders.
„Sieh an, sieh an“ murmelte er und seine Stimme erinnerte mich an die einer schleimigen Schlange. Windend und schmeichelnd, drohend und zischend.
Dieser Mann war widerwertig und das wusste ich vom ersten Moment an.
„Was macht eine Frau hier so ganz allein?“
Nervös schluckte ich und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. „Ich … bin verloren gegangen. War mit einer Gruppe unterwegs und dann .. dann waren sie einfach weg.“
Ein feines Lächeln zog sich auf seine schmalen, blassen Lippen. „Wirklich?“
„Ja?“ knurrte ich nun, schon ein wenig mutiger und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Sein Blick wanderte von meinen Augen hinab und blieb gierig auf meinem nackten Dekolleté hängen.
Hastig schloss ich meinen Mantel und knöpfte ihn mit zitternden Fingern zu. Unter halb geschlossenen Lidern schenkte ich ihm einen bitterbösen Blick.
Ich saß tierisch in der Scheiße.
„Und wie hieß die Gruppe?“
„Hab ich vergessen“ knurrte ich wie aus der Kanone geschossen – ich hätte mir liebend gerne etwas sehr ausgetüfteltes einfallen gelassen, aber ich konnte bis hier her kein Wort des Hochland-Gälisch dass Al so manches Mal gesprochen hatte. Nicht eins… außer die Liebkosungen die mir er immerzu ins Ohr geflüstert hatte, aber die waren an dieser Stelle wohl reichlich unpassend.
Der Mann kam näher, so nah bis er mich schließlich mit seinen Schweineaugen ansehen und dabei langsam umrunden konnte. Ich blieb stocksteif stehen, zwang mich zur Ruhe.
Ich durfte auf keinen Fall auch nur ansatzweise auffällig wirken. Ich hatte nichts zu verbergen.
„Nun, sind wir mal ehrlich: Meine Männer patrouillieren seit Tagen in diesem Gebiet, haben seit Tagen keine Menschenseele mehr gesehen.“
„Ich bin ja auch schon seit einer Weile allein unterwegs“ knurrte ich ihn zwischen zusammen gebissenen Zähnen hindurch an.
Mit mildem Lächeln blieb er schließlich vor mir stehen. „Dann wird es euch doch bestimmt nichts ausmachen wenn ich euch vorerst Obdach gebe, nicht? Bis man eure Gruppe ausfindig gemacht hat.“
Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße!
„Oh das wird nicht nötig sein“ ich lächelte zwanghaft und sah mich nach der nächst besten Fluchtmöglichkeit um. Vielleicht … wenn ich ganz schnell rannte?
„Denkt nicht mal dran.“ Aus dem vorherigen Lächeln wurde jetzt die Zähnefletschende Fratze eines Wolfes. „Sie sind alle hier, ihr seht sie nur nicht. Und jetzt kommt mit.“
Er griff nach meinem Arm und wie von Zauberhand erschienen auf der anderen Seite des Flusses Männer auf Pferden. Ich schätzte sie auf ein Dutzend, sie sahen alle ungepflegt und verwildert aus, ihre schäumenden Pferde hielten sie mit grober Hand.
„Lassen sie mich los!“ fauchte ich ihn an und versuchte meinen Arm von ihm wegzuziehen, aber gegen seine Kraft hatte ich nicht die leiseste Chance. Er tat mir weh.
In einem kurzen heftigen Gerangel, schaffte er es meine Arme auf den Rücken zu drehen und dort fest zu halten, während sich die andere in meine Haare krallte und meinen Kopf nach unten zog.
„Na wer wird denn hier wild?“ säuselte seine zischende Stimme an meinem Ohr, ich versuchte tief einzuatmen.
„Lassen sie mich gefälligst los. Sie haben kein Recht mich zu zwingen!“
„Doch das habe ich, meine Schöne. Willkommen auf den Ländereien der Campbells von Glenlyon. Gestatten: Robert Campbell, Laird von Glenlyon. Ich habe alle Rechte dieser Welt.“

22 Days;Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt