Kapitel XXXII.

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XXXII.

(07.02.1692)

Es war Alasdairs Stimme die mich zurück von den großen braunen Augen rief. Er zog mich beinahe panisch von dem Pferd weg.
„Was zum Teufel!?“ schrie er wütend, „bringt diesen Gaul hier raus, seid ihr noch bei Sinnen!?“
„Entschuldigt“ murmelten die Burschen und versuchten dem Pferd wieder Herr zu werden, aber keiner traute sich so richtig heran. Ich riss mich von Al los und griff nach dem ledernen Zaumzeug, ging vorsichtig auf Maon zu. Ich weiß nicht ob es real war, ob ich die Stimme in meinem Kopf wirklich gehört hatte, aber ich hatte das böse Gefühl das das hier die Realität war.
Maon. Er war ein Schlupfloch. Jemand der durch die Zeit wanderte! Um Himmelswillen!
Erst jetzt realisierte ich die Tragweite der ganzen Sache und spürte Schwindel in mir hoch kommen. Maon war mir ähnlich. Er wusste von meiner Geschichte, hatte mir seine erzählt.
Wir waren beide Flüchtlinge, Lebewesen die durch die Zeit gewandert waren. Er teilte sie! Er … er war in gewisser Weise ein Teil von mir.
Vorsichtig legte ich ihm das Zaumzeug an, Maon senkte seinen riesigen Kopf und erleichterte es mir. Sprachlose Stille.
„Gut, so ist es gut“ murmelte ich leise auf ihn ein, fuhr mit der Hand über den kräftigen graubraunen Hals des Kaltblüters. Seine Fellfarbe war schwer zu beschreiben, irgendetwas zwischen Grau und Braun, Mähne und Schweif waren ähnlich, nur ein bisschen Heller. Im Licht funkelte es wie abgenutztes, verschmutztes Silber. Alt, aber immer noch genauso wertvoll.
Al kam näher, aber ich hielt ihn zurück. „Lass ihn... er tut nichts.“
Schnaufend blieb er stehen, streckte die Hand aus und ließ Maon schnuppern. „Bring ihn in eine der Boxen. Na los, er hat geschwitzt.“
Vorsichtig griff ich nach dem Strick und Maon folgte mir ohne mit der Wimper zu zucken. Vorsichtig führte ich ihn in eine der leeren Boxen und schloss die Tür. Warm sah er mich an.
Nicht nur Alasdair sah mich um Fassung bemüht an, dem alten Uallas war doch tatsächlich die Pfeife aus dem Mund gefallen.
Schnaufend sah er Maon an. „Der ist doch viel zu fett für dich, Mädchen! Den kann man höchstens als Kutschpferd nehmen, aber da wir so einen adretten Scheiß sowieso nicht brauchen..“ er schlug sich lachend auf die dicke Wampe.
„Ich will den“ blieb ich stur und sah Al bittend an. „Bitte Al. Er ist der Richtige.“
Alasdair kniff die Augen zusammen und sah das wirklich beeindruckend große Kaltblut an. „Dann erklär mir mal wie du da drauf kommen willst, Jean. Er ist zu groß und außerdem viel zu wild, du hast keine Chance ihn unter Kontrolle zu halten. Wo zum Teufel kommt er denn eigentlich auf einmal her?“
„Man hat ihn ein paar Meilen nördlich gefunden“ antwortete einer der Jungen sofort und fürchtete wohl Als Zorn, denn die Worte kamen verdächtig schnell und stockend. „Ohne Sattel, Decke oder Zaumzeug.“
„Brut der Engländer“ befand eine andere Stimme plötzlich. Sie war tief und kalt, ein Mann trat in den Stall. Er war anders als die anderen in Dunklen Farben gekleidet, sein Mantel war länger und als er näher kam, sah ich die lange Narbe die sich über sein verunstaltetes rechtes Auge zog.
Das andere blitzte in kühlem Blau auf, sein Haar war Rabenschwarz. „Raus mit dem Gaul, erschießt es.“
Al schnaufte genervt und drehte sich zu dem Mann um. „Earc, wie schön dass du deine Meinung mit uns teilst – nur leider interessiert sich im Moment keiner dafür.“
Der Mann, ich schätzte ihn auf Mitte 30, lachte hämisch. Seine Schritte waren abgehackt und militärisch und doch sah man nur zu deutlich dass er in bester körperlicher Verfassung war. Sah man mal von seinem rechten Auge ab.
Maon wieherte dröhnend auf, schlug die Hufe gegen die Vordertür und wich zurück, kaum streckte dieser Earc seine Hand nach ihm aus. Panik.
„Und du? Du kleines schmächtiges Ding willst auf diesem Pferd reiten können?“ fuhr er mich spottend an, in seinem Auge blitzte pure Feindlichkeit hervor.
Sauer reckte ich das Kinn in die Höhe. „Warum nicht!?“
Wieder lachte er, dieses Mal noch lauter und dröhnender – das Geräusch wurde von den Wänden wieder gegeben und fraß sich in meine Eingeweide wie Gift.
Böse - dieser Mann war abgrundtief böse.  
„Schau dich doch an“ knurrte er, doch noch bevor ich irgendetwas sagen konnte, schob sich Alasdair zwischen uns. „Schluss jetzt mit diesem Kinderquatsch! Wir brauchen deine Hilfe hier nicht, Earc.“
„Dein Weib kriegt noch nicht mal ihren schmalen Arsch da hinauf, was will sie mit einem Pferd!?“ höhnte er Al mitten ins Gesicht und als hätte mich der Teufel geritten, quetschte ich mich zwischen sie. „Wetten wir?“
Earc ließ seinen Blick zu mir gleiten und verzog das Gesicht, ehe er lachte. „Um was? Die neuste Mode aus Paris?“
Suchend glitt mein Blick umher und versuchte fieberhaft etwas zu finden, das ihn treffen würde. Meine Augen blieben an seiner Hüfte hängen. „Um deinen Dolch.“
Earcs Augen weiteten sich, seine Hand legte sich schützend auf das Metall. „Ein Familienerbstück.“
„Ich will keine Details, ja oder nein?“
Einen Moment dachte er scheinbar nach, ich konnte seine Gedanken kreisen sehen. „Wettreiten“ schnurrte er dann plötzlich, ich roch seinen verfaulten Atem. „Bis zu den Bergriesen im Norden des Tals.“
Ich hatte keinerlei Ahnung was er meinte, geschweige denn wie weit die wirklich von hier weg waren – es war absoluter Schwachsinn in Mitten eines Schneesturmes ein Wettreiten zu veranstalten, aber ich hatte das unbändige Bedürfnis meinen Platz in dieser Welt zu behaupten.
„Seid ihr beiden noch bei Sinnen!?“ fuhr dann doch Al zwischen uns und blitzte uns mit seinen blauen Augen an. „Das liegt locker 2 Meilen von hier entfernt! Dort draußen wütet ein Schneesturm und die Engländer stehen vor unseren Türen!“
„Ich denk sie hat schon Bekanntschaft mit Campbell gemacht!?“ schnurrte Earc bösartig und sah ganz unschuldig drein. „Dann dürfte sie doch sicherlich keine Angst haben. Wir sind zur Dämmerung wieder hier.“
Al schnaufte unwirsch und griff nach meiner Hand. „Nichts da, für so einen Mist haben wir keine Zeit.“
„Al!“ fauchte ich und entriss ihm meinen Arm, „hör auf. Wir sind doch bald wieder da, ich lass es nicht auf mir sitzen das mich dieser Spinner für ein folgsames Hausmütterchen hält!“
Wütend sah er mich an. „Du kannst weder reiten, noch ein Pferd satteln, du kennst den Weg nicht und dieses Pferd ist nichts für dich. Wenn du wirklich sterben willst, dann gibt es da weitaus einfachere Wege!“
Genauso wütend wie er mich ansah, riss ich mich von ihm los und sah Earc an. Der grinste verschlagen. „Bis zu den Bergriesen, wir treffen uns da, beziehungsweise werde ich da auf dich warten, Mädchen. Ab … jetzt!“
Na warte nur! Zornig raffte ich meine Röcke und riss Maons Stalltür auf, er kam schon hinaus geschossen. Das Zaumzeug war fest genug, wie ich mit einem kleinen Ruck feststellte. Während Earc seinen Sattel auf ein braunes Pferd warf, nahm ich Schwung und stemmte mich an Maons Rücken hinauf, krallte mich in seine Mähne und drückte meine Fersen an seinen Bauch.
Er wieherte auf und galoppierte mit einem Satz los und während ich noch verzweifelt versuchte mich irgendwie festzuhalten, hörte ich Als Wutschrei. Das würde Ärger geben, mächtigen sogar, aber im Moment war mir alles egal. Ich war hier, ich gehörte dazu und keiner hatte das Recht mich zu beleidigen.

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