Kapitel XXV.

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XXV.

(05.02.1692)


„Ich interpretiere euer Schweigen also richtig.“
„Ich schweige wann und wie ich möchte“ knurrte ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen und erhob mich ruckartig. „Und nun entschuldigt mich.“
Ich warf die Serviette auf meinen Teller, schob den Stuhl zurück und raffte meinen Rock, ehe ich auf die großen Flügeltüren zulaufen wollte.
Wollte. - Denn seine Hand griff hart nach meinem Arm und zog mich schwungvoll zurück. Ich krachte gegen seine Brust, roch seinen beißenden Atem auf meinem Gesicht.
Unsere Nasen waren keine 5 Zentimeter voneinander entfernt, er hielt mich grob an Ort und Stelle.
„Hier geblieben, meine Schöne. Ich entscheide wann ihr geht.“
„Lasst mich los. Sofort.“
Er ließ mich wirklich los, legte seine Hand aber auf meinen Rücken und schob mich so zu einer dunklen Kommode. Darauf standen Gläser und mehrere Karaffen mit dunkler Flüssigkeit. Er schenkte sich ein Glas ein und dann ein weiteres, drückte es mir in die Hand und ich sah ihn misstrauisch an. „Vergiftet?“
Ein schmales Lächeln ließ seine talgige Haut im Kerzenschein glitzern. „Warum sollte ich?“
Vorsichtig nahm ich einen winzigen Schluck, es brannte in meinem Rachen und auf meinen Lippen. Whisky.
„Wann habt ihr vor mich endlich gehen zu lassen? Ich war nie aus hier zu bleiben. Das ist Freiheitsberaubung.“
Das Grinsen das sich auf seine Züge legte war schleimig und widerwertig, es sah aus wie da Grinsen eines Bauers der sich gerade das fetteste Vieh ausgesucht hatte. „Wenn ihr mir zu Diensten wart.“
Ich stoppte in meiner Bewegung und sah ihn forschend über den Rand des Glases an, doch auch jetzt schien er kein Problem damit zu haben das ich in seinen Augen lesen konnte was seine Worte bereits gesprochen hatten, was er wirklich wollte.
Zu Diensten … das ich nicht lache. Ich knallte mein volles Glas auf die hölzerne Kommode, so schwungvoll das mir ein paar Tropfen der braunen Flüssigkeit über die Hand liefen und ging dann einen drohenden Schritt auf ihn zu.
„Solltet ihr wirklich denken das ich euch zu Diensten bin – in jeglicher Art und Weise – dann habt ihr euch geschnitten. Ich bin keine Hure, Laird Campbell und ich schwöre bei Gott, ich werde euch etwas in den Hals rammen, noch bevor ihr eure Hose geöffnet haben werdet.
Feuer ist nicht nur wärmend, man kann sich auch bitterlich daran verbrennen. Guten Tag.“
Ich raffte mein Kleid und dieses Mal hielt er mich nicht auf. Mit festen Schritten ging ich durch die Halle und mein Abgang wäre sicherlich in die Geschichte eingegangen, wäre da nicht seine provozierende Stimme gewesen, die meine Schritte abrupt stoppte.
„Na was haben wir denn da?“
Ich wirbelte herum und sah ihn am anderen Ende der Halle stehen, sein Blick lag auf dem kleinen zusammen gefalteten Zettel, welcher in der Hälfte der Strecke zwischen uns unschuldig auf dem Boden lag.
Alasdair!
Noch ehe mein erschrockener Verstand begreifen konnte, hatte er ihn in der Hand.
Es war wie in diesen Momenten in denen man wusste, dass jetzt etwas ganz schlechtes passieren würde. Wenn man das Kind stolpern sah oder die Schnitte vom Tisch fiel. Wenn man wusste das sich das Kind das Knie aufschlagen würde oder die verdammte Schnitte auf der Butterseite landete. Man wusste, dass es schief ausging.
Wir standen uns gegenüber, auf seinem Gesicht lag zweifelsohne Neugierde. Ich schluckte hart.
Langsam faltete er den Zettel auseinander, seine Augen huschten scannend darüber. Erkenntnis zeichnete sich auf seinen Zügen ab.
„Na das ist ja mal höchst interessant…Tha gràdh agam ort – Ich liebe dich, gezeichnet: Alasdair MacDonald.“
Es war tatsächlich der Brief von Al, er musste in meiner Eile aus meinem Mieder gerutscht sein. Starr hielt ich die Luft an, begegnete seinem Blick aus den toten schwarzen Augen.
Er lächelte seltsam. „Wusste ich es doch. Abführen.“


Obwohl ich es anfangs nicht für möglich gehalten habe, steckten sie mich allen Ernstes in einen Kerker. Zwei bullige Männer waren auf Campbells Ausruf an mich heran getreten und hatten mich unter Beißen und Spucken meinerseits durch sein halbes hässliches Haus geführt, ehe es eine steinerne Treppe hinab ging.
Es war das Erdgeschoss und nur spärlich von zerklüfteten Steinen gemauert. Sie hatten mich unter wüsten Flüchen in eine der Zellen gesteckt, die stählerne Gittertür verschlossen und dann war die Tür oben wieder ins Schloss gefallen.
Der Raum war klein und von den gleichen groben Steinen gemauert wie der Rest hier unten, gammliges Stroh lag herum und ein kleines vergittertes Fenster spendete nicht den leisesten Hauch von Helligkeit. Die Luft war muffig und kalt.
Fassungslos hatte ich die Hände zusammen geballt und ihnen nachgesehen, war dann mit dem Rücken am Stein hinunter gerutscht, bis ich zusammen gekauert wie ein Embryo dasaß.
Und so war es auch, ich wünschte mich zurück. Ich hätte niemals hier her kommen dürfen, ich wünschte mich zurück zu meiner Mutter, nach Manchester, vielleicht auch in meine kleine Wohnung.
Aber am meisten wollte ich zu Alasdair.
Ich saß in einem Kerker. Ich saß allen Ernstes in einem gottverdammten Kerker! Ich hatte das Gefühl den Verstand zu verlieren, das war alles so unreal und trotzdem fühlte es sich so widerlich real an.
Ich hatte mich tapfer durchs Dickicht gekämpft und nachts allein im Wald geschlafen – nur damit mich dieser Dreckskerl jetzt hier einsperrte?!
Womöglich saß ich jetzt für alle Zeit in diesem steinernen Gefängnis unter Campbells widerlichen Füßen, während diese Schlange ihn abstach wie ein Schwein.
Schluchzend vergrub ich das Gesicht in meinen Händen und ließ mich für einen Moment gehen. Ich wünschte mir nichts mehr auf dieser Welt als das er jetzt hier war, mich in den Arm nahm. Verdammte Scheiße noch mal!
Ich musste wohl sehr laut gewesen sein, denn ein kleines Knacken ertönte irgendwo rechts von mir und schleifende Schritte waren zu hören. „Schätzchen, du musst doch jetzt nicht heulen.“
Erschrocken zuckte ich zusammen und sah zu das ich auf die Beine kam, hier war noch jemand?! „W-Wer bist du?“
„Donald“ kam es wieder von rechts, ich reckte den Kopf ein wenig und presste meine Nase an die Gittertür, tatsächlich erkannte ich in der Zelle neben mir einen glatzköpfigen Riesen.
„Nicht heulen, ich mag keine heulenden Weiber.. die machen mich immer ganz rührselig.“
„Aber .. scheiße! Dieser .. Scheiße!“ platzte es aus mir heraus, ich schloss die Augen um die nächsten Tränen zu unterdrücken.
Verhaltenes Lachen kam von rechts, es hörte sich an wie Gewitter. „Was hast du denn gemacht das dieses Dreckschwein so ein junges Mädchen wie dich hier rein steckt?“
„Ich ..“ begann ich zögernd, konnte ich ihm einfach verraten das ich Alasdair kannte? Ich war nicht dumm, wir waren hier im Hochland, jeder konnte Feind sein, jedoch konnte auch jeder Freund sein.  
„Ich stehe in Verbindung mit Alasdair MacDonald“ meinte ich dann doch leise, viel hatte ich ja auch nicht mehr zu verlieren.
Donald lachte grölend neben mir los und das klang nicht mehr nur wie ein Gewitter, nein .. das war wie Kugelhagel.
Gottverdammt, dieser Mann hatte eine Stimme!
„Den Burschen gibt’s immer noch? Ich hab ihn das letzte Mal gesehen als er zwölf war, hätte nicht gedacht das der Kerl so lange überlebt!“
„Was? Wieso?“ haspelte ich hervor und presste meine Nase noch fester an die Gitterstäbe. Es tat weh, aber das war mir gerade vollkommen egal. Ich musste wissen was er damit meinte!
„Der Junge hat nicht nur seinem Vater graue Haare bereitet“ grinste Donald, der in der gleichen Position verharrte wie ich. „Immer mehr als nur waghalsig, darauf achtend das volle Risiko einzugehen, auch wenn die Hälfte gereicht hätte.. tzz! Und du bist jetzt wohl seine Frau? Nein, das wüsste ich ... Geliebte?“
„So ähnlich“ murmelte ich unsicher und sah ihn dann musternd an. Er hatte zwar grobe Gesichtszüge, war aber im Großen und Ganzen ein attraktiver Mann. Ich schätzte ihn auf Mitte 30, höchstens Anfang 40. Seine blauen Augen funkelten lebendig, die Narbe über seiner Augenbraue sprach ihre eigene Geschichte. Ob er Familie hatte?
„Wie bist du an Campbell geraten? Überhaupt hier rein?“
„Du musst wissen, ich kenne MacIan – also Alasdairs Vater – schon seit Jahren, ich habe sogar eine Zeit im Tal von Glencoe gelebt. Irgendwann jedoch wollte ich das Meer sehen und weiterreisen, hat sogar ganz gut geklappt. Vor ein paar Wochen bin ich jedoch an den Ausläufen von Loch Leven an Campbell geraten – ich schätze er hat sich sehr gut an mein Gesicht erinnert.“
„Wieso? Was .. wo ist da der Zusammenhang?“
Donald grinste breit, „Ich hab schon mit MacIan die Rinder der Campbells gestohlen, da hatte dieses Schwein noch nicht mal Haare am Sack!“
Oh… dieser Mann gefiel mir! War es Zufall dass ich ausgerechnet auf einen Mann traf, der scheinbar mit den MacDonalds in Verbindung stand? Ich hatte keine Ahnung, aber ganz ehrlich? Im Moment war es mir scheißegal, denn hier ging es um mehr als wirre Gedankenspiele.
„Er hasst MacIan und den Clan wie die Pest. Und Alasdair und seine Brüder sowieso. Sag mal, Mädchen, hast du rote Haare!?“
Sollte einer diesem Mann folgen! Mein Handgelenk war so schmal das ich es durch die Gitter schieben konnte, ich zog eine der Strähnen in die Länge und hoffte er würde sie sehen. „Ja.“
„Bei Ians Barte“ grunzte Donald und lachte dann noch lauter, „Campbell hat Angst vor Frauen mit rotem Haar. Kein Wunder das er dich hier reinsteckt.“
Ich kniff die Augen zusammen und konnte ihm nicht richtig folgen. Al hatte damals zwar erwähnt das er einen Laird kannte der Angst vor Rothaarigen Frauen hatte und das die Campbells grundsätzlich eine Abneigung dagegen hatte, aber Robert Campbell? Warum hatte er mich dann mitgenommen und wollte auch noch mit mir essen?
Ratlos schnaufte ich. „Er wollte unbedingt mit mir zu Mittag essen.“
Einen Moment war es still, dann erschien Donald wieder am Gitter. Sein Blick war beunruhigt. „Nein wirklich?“
„Ja“
„Das ist ungewöhnlich“ er fuhr über den wüsten Bart der ihm wohl hier gewachsen war und schüttelte dann den Kopf, „Hat er da schon gewusst das du mit Alasdair in Verbindung stehst?“
„Nein… nein, eigentlich nicht. Verflucht ich weiß es doch auch nicht!“ Zischend ließ ich mich am Gitter nieder und versuchte tief durchzuatmen.
Ich saß so tierisch in der Scheiße!

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