Kapitel XV.

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XV.

Kaum trug ich die Einkaufskörbe mit meiner Beute auf dem kleinen zu gewucherten Weg in Richtung Haus, öffnete sich die Tür und Alasdair kam hinaus. Er verzichtete inzwischen auf sein Plaid, zumindest wenn es ihm nicht zu kalt wurde, und trat nur noch in dem alten Hemd und seinem Kilt auf. Irgendwie fand ich das schön, ich meine – das bedeutete doch das er sich wohl fühlte, oder?
Ein schmales Lächeln auf den Lippen, stand er da auf der Wiese und beobachtete jeden meiner näher kommenden Schritte.
Gott, er war so schön, dachte ich abermals und hatte Mühe nicht stehen zu bleiben und den Anblick in mich aufzuziehen. Das Gras ging ihm bis zu den Knöcheln, seine Beine waren bedeckt mit seinen urigen Wildlederstiefeln, ein schmaler Streifen Haut war zwischen Stiefel und Kilt noch zu sehen. Wind zog an seinen Haaren, unterstützte die unbändige Erscheinung, schwarzgraue Wolken hatten sich hinter ihm zusammen gebraut – Alasdair wirkte davor wie ein dunkler Gott. Eine Naturgewalt der kein Mensch standhalten konnte.
„Jean? Komm hinein, ein Sturm zieht auf!“ rief er mir auf die Entfernung zu und deutete mit seinem Kinn ins Haus. „Na komm schon!“
Ein Sturm zog also auf, ja? Ich wollte ihm am liebsten entgegen schmettern das er der gottverdammte Sturm war, ein Sturm der meine Grundfesten zerstört hatte. Aber ich tat es nicht, ich nickte und beeilte mich zu ihm zu kommen.
„Du hast lange gebraucht“ stellte er fest und nahm mir den einen Korb mit Gemüse ab. Den anderen mit den Verpackungen und Tüten hielt ich stoisch an mich, auch wenn es ihn wohl wunderte gab er nach und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen.
Überrascht blinzelte ich. „Ja“ fuhr ich mir durch die Haare und streifte mir die Schuhe von den Füßen, „Ja, ich weiß.“
„Du warst auf dem Markt“ stellte er dann mit einem Blick auf den Inhalt wieder. „Hast du was gefunden?“
Ich nickte, stellte erst den Korb auf den Boden und griff dann nach meiner Tasche, in welcher sich der hölzerne Kasten befand.
„Das ist er.“
Er sah mir prüfend in die Augen, war er unsicher? Ich konnte es nicht sagen und ganz ehrlich? Ich konnte mir nicht vorstellen das Alasdair jemals unsicher sein würde bzw. war.
Es war erstaunlich wie zärtlich seine Finger das vergoldete Messing berührten, er sah den Namen auf der Rückseite ebenfalls und nickte dann langsam. „Ist das alles?“
„Nein.. nein, in dem Kasten ist ein Brief, nimm das Samt hinaus“ meinte ich und räumte das Gemüse aus. Kartoffeln, Gurke, Möhren, Sellerie, Blumenkohl, Bohnen, Erbsen – alles einfache Sachen von denen ich mir durchaus vorstellen konnte, das Bauern aus dem siebzehnten Jahrhundert sie anbauten.
Ein kurzer Blick zu Alasdair bestätigte mir das er aufmerksam las, er schien manches Mal ein paar Schwierigkeiten mit dem Verstehen von Wortwendungen oder ähnlichem zu haben – es war ja schließlich nicht wirklich seine Muttersprache, auch wenn sie sich im Grunde nur sehr schmal von seiner unterschied. „Wo hast du ihn gefunden?“
„An einem kleinen Stand“ wich ich aus, ich hatte keine Lust ihm verständlich zu erklären das es mittlerweile Geschäfte gab wo man so was verkaufte. Dinge aus seiner Zeit, noch alter, noch jünger.
„Du lügst mich an.“
„Alasdair!“ seufzte ich und hob die Gurke, die mir auf den Boden gefallen war wieder auf, „Tu ich nicht. Vertraust du mir oder nicht? Wenn nicht, tut es mir Leid. Wir haben gerade andere Probleme als zu überlegen warum und wieso, wir müssen weiter suchen. Denn falls du es nicht gemerkt hast – die Zeit rast.“
Ich hatte ihn regelrecht angefahren, jetzt hielt ich abrupt den Mund und schluckte meinen Ärger hinunter. Meine Hände zitterten leicht, ich strich mir fahrig durch die Haare und versuchte krampfhaft mich zu konzentrieren.
Tief durchatmend stützte ich mich auf dem Holz ab und schloss einen Moment die Augen. Was hatte Großmutter mit diesem Gedicht gemeint?
„Jean.“ Er sagte nicht mehr, nur dieses eine Wort in einer unheimlich ruhigen gleichmäßigen Tonlage. Ich drehte mich zu ihm, sah ihm angespannt in die Augen und seufzte dann meinen ganzen Frust hinaus.
„Tut mir Leid, das war .. das war nicht so gemeint.“
Er schüttelte mit dem Kopf und schloss mich in die Arme, seine Wange lag an meinem Kopf, meine eigene an seiner Schulter. „Es ist das Gedicht, nicht? Es beunruhigt dich.“
Ich wollte es schon abstreiten, nickte aber schließlich langsam. Im Grunde genommen war es nicht mehr als ein blödes Gedicht, aber trotzdem … warum hatte sie es hinein geschrieben? Sollte es uns nur helfen das nächste Rätsel zu finden, oder war es ein gutgemeinter Hinweis? Eine böse Vorahnung? Fluch oder Segen?
„Kennst du es?“
„Nein“ seufzte Alasdair und schüttelte leicht mit dem Kopf, „Es ist .. auf grausige Art und Weise wunderschön.“
„Ja. Du Alasdair? Warum bist du .. warum warst du so wütend? Wegen dem Lied?“
Er löste sich von mir, fuhr sich durch die Haare, sah mich einen Moment schweigend an, ich konnte keine Regung in seinem sonst so aufgeschlossenen Gesicht erkennen, nur ein kleiner Muskel um sein Augenlied zuckte kurz.
Er räusperte sich schließlich und vermied meinen Blick, sah über meine Schulter. „Ja.“
Konnte er nicht ein verdammtes einziges Mal den Mund auf machen? Frustriert bemühte ich mich wieder zu normalen Atem zu kommen, mich zu beruhigen – ich wandte mich den Einkäufen zu. Langfristig konnte das so nicht weiter gehen, allerdings sind es ja auch nur noch ein paar verdammte Tage, dachte ich mit einem merkwürdigen Hauch von Galgenhumor.
„Lass uns .. lass uns einfach überlegen wie es weiter geht.“, beschloss ich kurzerhand und besah das Eingekaufte. „Ich werde erst mal was zu essen machen und dann .. ja dann .. du überlegst derweil was das nächste ist.“
Er nickte, holte Luft um einen neuen Satz zu beginnen, stoppte sich dann aber selbst und verschwand schnell in dem dunklen Wohnzimmer.
Seufzend sah ich ihm nach.

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