Kapitel XIX.

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XIX.
(31.01.2014)

Vor Schreck glitt mir die Kanne aus den Händen und ergoss sich über dem Boden, ein paar Spritzer landeten auf meiner Hand, welche ich zischend zu mir zog.
„Scheiße!“ fluchte ich lauthals und riss den Wasserhahn auf, ehe ich eiskaltes Wasser über meine brennende Hand laufen ließ.
„Jean!?“ rief Alasdair aus dem Wohnzimmer und kam mit raschen Schritten näher. „Bei Gott! Was hast du denn gemacht!?“
Die Kanne lag in Scherben auf dem Boden, das Wasser lief unentwegt über die alten Dielen, Tränen standen in meinen Augen. Mir wurde das alles hier zu viel, viel zu viel!
„Den Boden gegossen, gottverdammt!“ schrie ich beinahe und begann fast zeitgleich zu schluchzen. „Verdammte Scheiße hier!“
„Was ist denn?“ er kam näher und griff nach meiner Hand, „Hast du dich verbrannt?“
„Sieht man das nicht!?“ Ich war eine tickende Zeitbombe, das wusste ich. Oh ja, das wusste ich sogar sehr genau.
„Jean!“ knurrte es jetzt auch ein wenig verärgert und wieder war da dieser warnende Tonfall, dieser, der Frauen in seiner Zeit in ihre Schranken wies.
Al griff nach meiner Hand und besah sie sich schweigend. „Hast du Möhren da? Oder Kartoffeln?“
„Nein“ schluchzte ich und nickte dann, „Doch! Da drüben irgendwo .. keine Ahnung“
Alasdair kroch halb in die Ecke und zog das Bund Möhren hervor, ehe ich fragen konnte was um alles in der Welt er da tat, begann er sie in Scheiben zu schneiden und jede einzelne auf die geröteten Stellen auf meinem Handrücken zu legen.
„So.. wird gleich besser.“
Ich sah ihn zwar skeptisch an, aber im Grunde genommen waren die Stückchen wirklich angenehm, denn sie kühlten.
„Und?“ schmunzelte er und sah mich mit einem verdammt niedlichen Lächeln in den Augen an. „Was und?“ murmelte ich, peinlich berührt über meinen erneuten Ausbruch. Er musste ja inzwischen wirklich denken ich sei eine verrückte Furie.
Immer noch schmunzelnd zog er mich an sich heran und ich genoss den winzigen Moment, vergrub meine Nase an seiner nackten, duftenden Haut und versuchte die ganze Welt auszublenden.
„Al?“
„Mhm?“ Seine Brust brummte bei diesem Ton, die kleinen goldenen Härchen kitzelten meine Wange, aber auf eine verdammt angenehme Art und Weise.
„Der Mond steht schon am Himmel.“
„Ich weiß“ flüsterte er genauso zurück und fuhr mit der Hand über meinen Rücken. „Noch ist er nicht ganz rund, aber bald.“
Was hieß bald? Ein Tag? Zwei Tage? Drei? Es war grausam, ja, das Wort beschrieb es wohl am besten.

Ich schlief an diesem Abend einfach nicht ein. Alasdair schnarchte neben mir leise vor sich hin, ich spürte seine Hand besitzergreifend auf meiner Hüfte und seinen warmen Körper hinter mir, aber auch das nützte nichts. Zum Fenster strahlte der Mond hinein und auch die Vorhänge die ich schon vorgezogen hatte, konnten sein Licht nicht verbergen. Er verhöhnte mich, ich wusste es.
Alasdair stand schon auf dem Brett, er war kurz davor ins Wasser zu springen und ich war gefesselt von Seilen der Zeit auf dem Schiff. Ich fürchtete mich vor dem Moment, ich wollte ihn nicht kommen sehen und doch .. doch wollte ich für ihn das Beste. Ein grauenhafter Spalt.
„Kennst du die Sage vom Mond und der Sonne?“
Ich war überrascht seine raue, leise Stimme zu hören und zuckte erschrocken zusammen. Al sah das wohl als Verneinung.
„Vor vielen, vielen Jahren verliebten sich die Sonne und der Mond ineinander und heirateten, obwohl sie so unterschiedlich waren. Die Sonne immer heißblütig und feurig, der Mond kühl und reserviert. In der Hochzeitsnacht wollte die Sonne den Mond verführen, aber er wandte sich ab und wollte nichts als schlafen. Während er ihr also den Rücken zudrehte, wurde die Sonne fürchterlich wütend. Sie war so in ihrem Stolz verletzt, das sie aufsprang und sich schwor nie wieder mit dem Mond eine Nacht zu verbringen. Für das erste war es dem Mond egal, aber am nächsten Morgen erkannte er seinen Fehler und es tat ihm fürchterlich leid. Er eilte seiner Braut nach und wollte sich entschuldigen, aber die Sonne zeigte ihm nur die kalte Schulter. Sie wollte nichts mehr von ihm wissen und seit dem eilt der Mond der Sonne nach, um sie umzustimmen.
Obwohl die Sonne sich geschworen hat ihn nie wieder an sich heran zu lassen, vereinigt sie sich manchmal mit ihrem Liebhaber an ganz bestimmten Tagen um eine einzige, kurze Nacht mit ihm zu teilen.“
„Ich hab das Gefühl er verfolgt uns.“
Al regte sich, seine Hände glitten über meine Taille hinauf und legten sich auf meinen Bauch. Sie waren ganz warm, ein wenig rau. „Es ist nur einfach bald Vollmond, das ist alles.“
Ja eben. Das war alles, das war ja das schlimme.
Seufzend drehte ich mich zu ihm, verflocht meine Beine mit seinen unter der Decke und lächelte. Auch auf seinen Lippen erschien ebenfalls ein Lächeln, Worte brauchten wir nicht. Hatten wir fast nie gebraucht.
Al hob die Hand und vergrub sie in meinen offenen Haaren, zog mich an sich heran und küsste mich verlangend. Als ich mich löste, blieb sie wo sie war.  
„Weißt du was ich an dir liebe?“ hauchte er an meinen Lippen, sah mir ganz tief in die Augen.
„Was?“
„Dein Haar.“ Er wickelte eine der dicken Strähnen um den Finger und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Es ist wunderschön.“
Schmunzelnd entzog ich ihm meine Mähne und schüttelte sie, „Lass, ich mag sie nicht.“
Verblüfft sah er mich an, „Wie bitte?“
„Ich mag sie nicht! Sie haben ein Eigenleben.. ich krieg sie nie zur Ruhe.“
Al schüttelte den Kopf. „Sie können einen Mann ganz schön aus der Fassung bringen.“
Grinsend vergrub ich den Kopf an seiner Brust und schloss die Augen. Bis mir ein was bewusst wurde.

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