Kapitel IX.

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IX.

„Was hab ich gesagt? Es hat sich gelohnt, schau nur wie groß das Nest ist!“ strahlte er mich begeistert an und ich … versuchte ihn zu verstehen. „Misteln sind wertvoll, wir haben sie immer dabei.“

„Echt?“

„Mhmm!“ schmatzte er auf einem Sauerampferblatt herumkauend, „Das ist in seltenen Fällen überlebenswichtig. Bei der Schlacht vor 4 Jahren in  Killiecrankie hat sie mir und meinem Bruder das überleben gesichert.“

Ich schwieg, denn die Geschichte erschütterte mich und machte mir wieder von neuem klar, dass er definitiv aus diesem Jahrhundert kam. Er war so weit weg, geistig und physisch und doch saß er hier vor mir.

„Ich hatte einen üblen Schnitt im Oberschenkel und wäre fast verblutet. Gott sei‘s gedankt das wir Misteln dabei hatten.“

„Und was ist mit Sauerampfer? Der auch?“

Er lachte leise und knuffte mich in die Seite, „Nein. Aber er schmeckt.“

Ich beließ es dabei und so schlenderten wir einfach weiter über den sandigen Weg bis sich das kleine Wäldchen lichtete und wir direkt am Ufer eines kleinen Sees standen. Er funkelte dunkel und blaugrün in der Sonne, an den Seiten saßen Frösche und hier und da sah man Vögel die vom Wasser tranken.

„Wow!“ entfuhr es mir, „Das ist ja .. wunderschön!“

Alasdair schmunzelte und zog sich sein Plaid von den Schultern um es feinsäuberlich zusammen zu legen. Dann folgten der kleine Beutel und seine Messerscheide.

Als ich es sah, sah ich ihn wohl ziemlich geschockt an, denn seine Miene wurde fragend. „Was ist?“

„Was tust du?“

„Willst du mit deinen Kleidern baden gehen?“

Ich wollte ehrlich gesagt überhaupt nicht baden gehen. Er schien es zu bemerken, denn seine Miene wurde unverständlich. „Bei diesem Wetter? Das wäre pure Verschwendung! Jetzt schau nicht so, du musst ja nicht mitkommen, mhm?“

Ich war gerade so maßlos überfordert, das ich nur nicken und mich ins Gras fallen lassen konnte.

Alasdair schien es nicht zu stören, denn er zog sich weiter einfach aus und warf alles auf den Stapel mit Kleidern.

Als er allerdings nach seinem Kilt griff, wurde mir dann doch irgendwie anders. Der Kerl wollte sich komplett ausziehen und ich … tat nichts. Ich blieb einfach sitzen, meine Augen wie festgeklebt an seinen kräftigen gebräunten Beinen. Man konnte an seinem rechten Oberschenkel eine zwei Zentimeter breite und ungefähr 20 Zentimeter lange Narbe ausmachen. Das war sie dann wohl.

Ich schämte mich für mein Geglotze. Ich schämte mich so entsetzlich sehr, ihr würdet es mir nicht glauben.

Sein Hemd flog, sein Kilt flog und schließlich stand er da so am Ufer wie er eben war und sah sich nachdenklich um. „Meinst du wir sind hier allein?“

„Ich hoffe es!“ rief ich zurück und starrte auf die gebräunte Linie, die die Grenze zwischen seinem Po und der Oberschenkel bildete. Am unteren Ende seines Rückens saßen zwei entzückende Grübchen .. wenn auch ein paar zu viel rotgoldene Haare genau diesen Rücken bedeckten.

Dieser Mann er … Gott, mein ganzer Körper begann zu kribbeln und ich presste meine Beine zusammen um das verräterische Ziehen zu unterdrücken. Verdammte Scheiße, ich wollte mit .. nein. Nein, nein, nein.

Er lief ins Wasser und ich konnte die angestaute Luft aus meinen Lungen endlich herauslassen. Ich fühlte mich schrecklich.

Alasdair schwamm ein paar Runden und ich sah ihm dabei zu, kam dann aber auf ein paar Schritte näher und ließ mir das warme Wasser um die Füße spülen.

22 Days;Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt