XXXI.
(07.02.1692)
Ich sah Alasdair erst bei dem Mittagessen mit MacIans Familie wieder. Gerade als ich auf dem Weg zu ihm gewesen war, hatte mich Donald abgefangen und zusammen waren wir zu einem gewissen Donnan gegangen.
Donnan MacDonald war über fünf Ecken und drei Kanten mit MacIan verwandt und – natürlich nach ihm – der Oberbefehlshaber der Clankrieger.
Donnan war … nun ja, lasst es mich versuchen:
Er war um die zwei Meter groß, ein Berg aus Muskeln und Sehnen, auf seinem Kopf tummelte sich wildes rostrotes Haar das er immer wieder genervt zur Seite strich. Seine dunklen Augen funkelten wie warme Glut und doch schienen sie in diesem akkuraten, beherrschten Gesicht herausragend leidenschaftlich.
Er hatte Unterarme wie ein Bär und eine ständig fluchende Schnauze wie ein betrunkener Kutscher – ich mochte ihn vom ersten Augenblick, denn er machte mir klar wie kräftig und machtvoll dieser von außen so kleinwirkende Clan wirklich war. Nur der leiseste Vergleich von ihm und Campbell ließ mir ein Lachen die Kehle hinauf perlen, es war gerade zu lächerlich.
„Hier Mädchen“ hatte er mich angeknurrt und mir eine dampfende Tasse zugeschoben, „deine klappernden Finger kann man ja nicht ertragen.“
Ich hatte dankbar gelächelt und die Tasse zu mir genommen, in weiser Voraussicht warmen Tee darin zu haben – hatte ich auch, allerdings ungefähr zwei Esslöffel Tee, der Rest musste heißer Whisky gewesen sein. Warm wurde mir jedoch allemal.
Jedenfalls waren ich und Donald bei Donnan um uns zu erinnern wie viele Soldaten bei Campbell positioniert waren, wie wir seine militärische Macht einschätzten und wie viel Soldaten wir geschätzt erwarten würden. Ich ließ sang und klanglos heimlich alle Informationen einfließen die ich auch schon MacIan gegeben hatte – das es 120 Mann waren, das sie versuchten sich hier einzunisten, das sie am Abend kommen würden, das man das ganze Spiel eventuell vielleicht sogar mitspielen sollte?
Nun, auf jeden Fall verbrachten wir beide eine ganze Menge Zeit bei Donnan und seinen Männern und so kam es jedenfalls dazu, dass ich Alasdair erst bei dem Essen mit MacIan und seiner Familie wieder sah.
Ich und Donald kamen als allerletztes, allerdings hatten wir beide ja auch einen guten Grund der wohlwollend durch Donalds großartige Erklärung aufgenommen wurde.
MacIan schien jedenfalls ziemlich zufrieden. „Wunderbar, wunderbar – dann sollte dem eigentlich nichts mehr im Weg stehen.“
„Aye“ brummte Donald und besah sich das reichliche Angebot an Speisen mit gierigem Blick. „Den Hurensöhnen werden wir schon noch den Gar ausmachen.“
Man bat uns Platz zu nehmen und wie nicht anders erwartet, lag meiner direkt neben Alasdair. Vorsichtig und ein wenig peinlich berührt schob ich mich auf den Holzstuhl und versuchte die neugierigen Blicke der anderen zu ignorieren.
Es waren ohne Donald und mich ein Dutzend Menschen, wie ich bei genauerem Durchzählen feststellte. Eine ganze Menge!
MacIan saß am Giebel und erhob sich mit einem kleinen Lächeln das durch und durch mir gehörte. „Da wir heute einen ganz besonderen und noch viel wichtiger: Einen gänzlich unbekannten Gast in unserer Runde haben, nehme ich mein Recht euch gegenseitig vorzustellen.“
Ich wäre am liebsten im Boden versunken! Alle schenkten mir ihr Lächeln, auch wenn Fragen hinter den Gesichtern standen. „Das ist Jean Galbraith und sie wird für die nächste Zeit vorerst mein Gast sein.
Nun, mich kennt ihr bereits und den Mann an euer Seite wohl ebenfalls. Ich sehe in eurem Gesicht das ihr mehr als nur verwirrt von der großen Runde seid.“
Ausgelassenes Lachen huschte durch den Raum, meine Wangen wurden noch röter (falls das überhaupt ging).
„Jedenfalls, die Frau hier an meiner Seite“ er unterbrach sich und eine wunderschöne Frau mit blondem Haar erhob sich. Sie hatte aristokratische Gesichtszüge und obwohl sie zart schien, war ich mir sicher, dass sie zäher war als ein Baumstamm.
Ihre Schönheit strahlte weise und irgendwie besonders, ich war mir sicher jede Frau war neidisch auf sie.
„Ich bin Sidheag, MacIans Ehefrau. Es freut mich euch kennen zu lernen, Jean.“ Und ihre Stimme erst!
Eingeschüchtert sah ich zu ihr hinauf und versuchte mich an einem Lächeln. Meine Stimme gehorchte mir nicht im Mindesten. „M-Mich auch.“
Hatte ich erwartet dass sie mir ein kühles Zucken ihrer Mundwinkel schenkte, so hatte ich mich getäuscht. Sie lächelte herzlich, sah wohl mehr als nur großzügig über mein Erstaunen hinweg.
Sie setzte sich und neben ihr erhob sich ein weiterer Mann. Er war noch jung, wenn auch älter als Alasdair und hatte feuerrotes Haar. Feine Sommersprossen und große blaue Augen kamen mir mehr als nur bekannt vor und mein Verdacht bestätigte sich auch.
„Mein Name ist Calum, Mylady.“
Er streckte die Hand aus und ich reichte sie ihm verdutzt, er setzte tatsächlich einen Kuss darauf und sah mich mit seinen strahlenden Augen intensiv an. „Erstgeborener Sohn MacIans of Glencoe.“
Ich schluckte hart und versuchte so freundlich zu lächeln wie ich es in diesem Moment herausgequetscht bekam. Verunsichert sah ich zu MacIan, der jedoch betrachtete scheinbar stolz das vorbildliche Verhalten seiner Familie.
Neben ihm erhob sich eine junge blonde Frau, sie hatte ein wunderschönes Kleid an und ein großer Babybauch versteckte sich offensichtlich nicht sehr erfolgreich darunter.
„Oh nein, bleibt sitzen“ entfuhr es mir heftiger als gedacht. Alle, wirklich alle sahen mich erschrocken an. Scheiße! „Nein, nein .. alles gut, aber ich .. ihr müsst doch nicht aufstehen, wartet, ich komme zu euch und ..“
Glockenhelles Lachen perlte aus ihrem schönen roten Kussmund. „Aber, aber! Ich weiß eure Sorge wirklich zu schätzen, Jean. Mein Name ist Muira und ich bin die einzige Tochter MacIans. Was hast du uns da nur für ein hinreißendes Geschöpf gebracht, Aly?“
Alasdair neben mir versteifte sich sichtlich. Ihr einen bitterbösen Blick schenkend, zischte er zwischen zusammen gebissenen Zähnen: „Nenn mich nicht Aly!“
Ich musste herzlich schmunzeln als ich seine Worte vernahm, er sah aus wie ein bockiger Fünfjähriger, während Muira eine hinreißende Schnute zog.
„Da sollte man meinen ihr seid beide erwachsen und dann so was“ brummte eine amüsierte Stimme rechts neben mir. „Pàdraig MacDonald, meine Liebe. Und das ist meine werte Frau Luag.“ Ein schmales Gesicht lächelte mich freundlich an, ich vermutete auch sie war schwanger, denn der kleine Bauch wollte nicht so recht zu ihrer schmalen Statur passen.
„Schön euch kennen zu lernen, Jean.“
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite“ antwortete ich ehrlich und bekam in den nächsten Minuten noch weitere gefühlte tausend Verwandte und Berater von MacIan unter die Nase gerieben. Da waren zum Beispiel noch Filibrath, einer von MacIans Brüdern, welcher scheinbar ein unermüdliches Reservoir an Guter Laune hatte, denn er strahlte und plapperte und riss Witze, das sich die Balken bogen. Außerdem war da ein weiterer Mann, er hieß Uilleam, war ein Vetter von MacIan und ein ziemlich düsterer Kerl. Düster und frohlockend, denn die Frauen mussten ihm mit seinen dunklen Locken wohl scharenweise hinterher laufen. Und dann war da noch Ranald. Einer von Alasdairs Brüdern, der der sein Bein verloren hatte. Er erhob sich genauso elegant wie die anderen und hätte ich es nicht gewusst, wäre es mir unter dem Tisch auch nicht aufgefallen.
Er war schön. Wirklich, ein unheimlich schöner Mann. Große grüne Augen strahlten in einem edlen Gesicht das mit erstaunlich vollen Lippen ausgeprägt war, das rotblonde Haar war zu einem Zopf gebunden und die Robe die er trug war edel. Alles in Allem war er unglaublich attraktiv und es hatte einen verdammt bitteren Beigeschmack, das an seinem Stuhl die beiden hölzernen Krücken lehnten.
Und dann war da ja natürlich noch Edan. Der Kerl grinste bis über beide Ohren, vor ihm stand ein Humpen Bier – wahrscheinlich war er schon ordentlich angetrunken.
„Edan, Mylady“ grinste er, „ihnen stets zu Diensten.“
Al rollte neben mir mit den Augen und bekam prompt einen Ellenbogen von seinem kleineren Bruder ab, während der weiter mit seinen großen Kuhaugen klimperte.
Al gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf und brummte etwas in seinen Bart.
„Schlagen ist verboten, Al.“, murmelte Edan beleidigt und sah seinen Bruder böse an. Der zuckte nur mit den Schultern. „Gibt’s da was wo das drin steht?“
Damit war die Diskussion wohl beendet, denn Edan zog eine Schnute und gab sich mit dem kleinen Schlagabtausch zufrieden.
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22 Days;
Historical FictionSchottland war unglaublich schön, vielleicht nicht für jedes Auge - aber vielleicht war es ja deshalb so schön? Wer wusste das schon. Jean war hier hoch gekommen um Urlaub zu machen und herauszufinden was ihre Großmutter Eilidh an dem rauen Land so...