Kapitel XXIX.

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XXIX.

(07.02.1692)

Sie waren wie ein Bergsee, ein tosendes Meer, wie der Himmel, wie Stahl und Schiefer in einem. Tausend Blaufacetten gaben sich in diesen zwei Pupillen die Hand.
Aber eines hatten all diese Blautöne gemeinsam: Sie waren klar. Klar wie ein Gebirgssee, dieser Mann konnte mir auf den Grund meiner Seele schauen und ich war vollkommen machtlos gegen ihn.
Er war wie eine Erscheinung, wie … ich konnte es nicht sagen, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, keinen Satz bilden. Ich war schlicht und ergreifend einfach vollkommen sprachlos.
Etwa schulterlanges rotblondes Haar umgab sein kantiges Gesicht in dem die blauen Augen den unübersehbaren Hauptteil ausmachten. Er trug ein Hemd und einen dicken Mantel, darunter einen Kilt in der gleichen Farbe wie Alasdair ihn hatte. Schwere dicke Stiefel und ein aufwendiger Sporran rundeten das Bild perfekt ab.  
Er wirkte wohlhabend, autoritär, edel, freundlich und intelligent, ein perfekter Führer für einen Clan von Kriegern, Alten, Frauen und Kindern. Eine perfekte Mischung aus allem was einen Herrn ausmachte.
„Donald, dich schickt der Teufel!“ lachte er und wirkte dabei nicht älter als 35, sein Blick wanderte warm über seinen guten Freund, welchen er wohl sofort erkannt hatte.
Donald grinste in seiner gewohnten Manier und zuckte mit den kräftigen Schultern. „Nur Campbell, mein Freund, nur Campbell – aber der Unterschied ist täuschend gering, du hast schon Recht.“
Auf diese Worte zog sich MacIans Grinsen zusammen, er runzelte nachdenklich die Stirn. Ob er besorgt wirkte? Ich konnte es nicht richtig einschätzen. „Willst du es mir erklären?“
„Sicher“ zuckte Donald mit den Schultern und schob mich kurzerhand in Richtung der Holztische, an welchen MacIan Platz nahm. Donald und ich ließen uns ihm gegenüber nieder und ich war mehr als nur froh ihn neben mir zu haben. MacIan hatte eine angeborene Autorität die mich unglaublich nervös werden ließ.
Er deutete nickend auf mich. „Und ihr? Habt ihr einen Namen?“
„Jean“ murmelte ich eingeschüchtert von seiner enormen Ausstrahlung, „Jean... Galbraith.“
MacIan nickte und schenkte mir ein warmes Lächeln, wobei er seine weißen Zähne entblößte. Ich hatte keine Ahnung wieso, aber ich hatte das böse Gefühl das er ganz genau wusste wer ich war.
„Kann ich euch einen Tee anbieten? Ihr seid ja ganz durchgefroren“ seufzte er und deutete auf unser Kopfnicken einer jungen Bediensteten an Wasser aufzusetzen.
„Also“ wandte er sich wieder an Donald, „was ist so dringend das du mich aus dem Schlaf jagst, alter Freund?“
„Wir kommen von Campbell“ knurrte der Hüne und begann die ganze Geschichte zu erzählen. Von seinen Reisen und wie ihn Campbell gefunden und in die Grotte da unten gesperrt hatte, wie ich aufgetaucht war, er erklärte unsere Flucht und die Stunden durch den Schneesturm. MacIan hörte wortlos zu, nickte oft und ich spürte noch viel öfter seinen Blick auf mir, aber ich wagte es nicht ihn zu erwidern. Stur sah ich über seine Schulter und betrachtete die kleinen Fensterchen mit den geschlossenen Fensterläden. Davor hingen gespannte Felle und tatsächlich, es drang kaum Kälte hinein.
„Na da hat euch wohl wirklich der Teufel geschickt“ seufzte MacIan und betrachtete mich dann wieder mit seinen klaren Augen.
„Ihr seid sicher mehr als nur erschöpft. Ich lasse euch oben Zimmer herrichten und heißes Wasser machen, man wird euch neue Kleider hinlegen. Danach bekommt ihr eine Stärkung und dann reden wir noch einmal ganz in Ruhe, ist das in Ordnung?“


Eine schmale blonde Frau begleitete mich die schweren Holztreppen hinauf in den zweiten Stock. Hier gab es eine Menge Zimmer und man deutete mir ich solle mir eines der letzten beiden aussuchen, in dem anderen würde Donald dann schließlich unterkommen. Er unterhielt sich unten noch mit MacIan, vermutlich über Dinge die man als Frau nicht wissen sollte.
Während ich mich auszog, brachte man mir eine Schüssel mit warmem Wasser und ein Stück duftende Seife. Ich wusch mich und spülte am Ende noch meine Haare aus, welche unter den Tagen in der schottischen Wildnis gelitten hatten – sie waren ganz verfilzt.
Mithilfe eines Kamms entfilzte ich sie und ließ sie an der Luft trocknen, während mir die junge Frau ein neues Kleid brachte. Es war mir ein wenig zu groß, aber dafür war es erstaunlich warm – aus dem gleichen Stoff wie Alasdairs Tartan, nur einfarbig hellbraun.
Während ich mich am Kamin aufwärmte, brachte man mir eine Schüssel mit Suppe, sowie ein Stück Fleisch und Brot und Käse. Ich aß gierig und trank den heißen Tee so schnell, das ich mir dabei noch die Zunge verbrannte.
In meinen Mantel gewickelt, satt, gewärmt und mit noch leicht feuchten Haaren trat ich schließlich wieder vorsichtig die Holztreppe hinab. Die Sonne war schon seit einer Weile aufgegangen, tauchte die Landschaft in ein trügerisch unschuldiges weiß.
Ich fühlte mich hier irgendwie noch unwohl, denn ich hatte sofort bemerkt das das hier wirklich das Haus von MacIan war. Ein paar Zimmer für Gäste waren zwar da, aber das Badezimmer war sicherlich für alle hier. Es war irgendwie merkwürdig, kannte ich diesen Mann hier doch nicht – allerdings ließ er mich voller Vertrauen in sein eigenes Haus und geizte mit keinerlei Großzügigkeiten. Es machte mich … misstrauisch.
Er saß mit einem dampfenden Becher unten auf den Holzbänken und studierte eine Karte, welche vor ihm lag, der große Kamin spendete heimelige Wärme. Als ich in die große Halle trat, sah er auf.
„Jean“ lächelte er einladend, nicht so wie Campbell, sondern eher wie ein Vater oder zumindest ein verdammt guter Freund. Und doch wusste ich dass dieser Freund nicht mein Freund war, zumindest so lange nicht, bis ich mir es ehrlich erkämpft hatte.
„Kommt zu mir, ich würde gerne noch ein paar Worte mit euch wechseln.“
Unsicher kam ich näher und ließ mich ihm gegenüber auf der Holzbank nieder. Endlich fühlte ich mich wieder wohl, sauber und warm. Zwei dicke Fäustlinge aus Wolle und Fell lagen in den Taschen meines Mantels, auch die hatte man mir gegeben. Die Menschen waren hier wirklich mehr als nur großzügig, auch wenn ich Neugierde und einen Hauch von Misstrauen in ihren Gesichtern gelesen hatte. Höflich und dienstbeflissen waren sie alle mal.
„Ich hoffe man hat euch bestens versorgt? Fehlt es euch noch an etwas?“
„Keinesfalls“ platzte es überrascht aus mir heraus, „ich fühle mich wie neugeboren, Dankeschön MacIan.“
Die Menschen hier waren so ganz anders als bei Campbell. Alles hier war anders, auch wenn ich mir sicher war das MacIan und sein Clan mindestens den gleichen Reichtum besaßen wie Campbell.
Nur verteilten sie es anders.
Während Campbells Burg vor Prunk trotzte und die Menschen dafür abgemagert und arm waren, lebte MacIan nicht in Saus und Braus – dafür sahen aber auch die Rinder gesund und die Menschen glücklich aus.
Ich wünschte mir dass das hier irgendwann mein Zuhause sein könnte. Ja, so verblüfft wie ich über den Gedanken war, war es doch die Wahrheit.
„Donald hat viel über euch erzählt, ihr scheint eine mehr als nur mutige Frau zu sein“ begann er und beobachtete mich mit seinen blauen Augen wie ein interessantes Insekt.
Ich zuckte ein wenig beschämt mit den Schultern und quetschte ein Lächeln hervor. „Einer musste ja dafür sorgen dass wir rauskamen. Donald hätte das gleiche getan, er war nur nicht in meiner Position.“
„Vielleicht, nur das Donald vermutlich nicht so clever gewesen wäre“ lachte er, „wie habt ihr es geschafft ihnen weis zu machen ihr habt Keuchhusten?“
„Ich hatte noch ein Messer in meinen Stiefeln“ gab ich zu, „man hat es mir nicht abgenommen als man mich in den Kerker gesperrt hat. Vermutlich haben sie es einer Frau nicht zugetraut. Ich hab mir in die Wangeninnenseiten geschnitten. Das Blut kam ja von allein.“
Verblüfft sah er mich an. „Hat das denn kein Medikus gesehen? Donald sprach davon das man euch untersucht habe.“
„Nun.. ich hab so doll gehustet und gespuckt das keiner so nah dran kam“ gab ich nun zu und musste plötzlich lachen. „Das ist nicht das Bild einer feinen Dame, habe ich Recht?“
„Genau das richtige Bild, wenn ihr mich versteht“ zwinkerte er. „Ihr seid eine bemerkenswerte Frau. Aus Campbells Festung auszubrechen ist keine einfache Sache“ schmunzelte er über meine Bescheidenheit. „Haben bisher nur ein paar Männer geschafft.“
Ich zuckte erneut mit den Schultern, denn mir war das schrecklich peinlich. Ich spürte tatsächlich wie meine Wangen heiß wurden! MacIan fand das augenscheinlich hingegen äußerst unterhaltsam.
„Ihr braucht euch nicht zu verstecken, Jean. Ich weiß alles und ich ziehe meinen Hut vor euch. Ihr scheint mir sehr mutig und mehr als nur intelligent.“
„Na ja.. das .. ist .. unter den Umständen hätte jeder so gehandelt.“
„Nein“ sein Blick verlor sich irgendwo über meiner Schulter. „Nein, eben nicht. Wenn es euch an irgendetwas fehlt, dann sagt es nur. Scheut keinerlei Worte.“
Ich nickte und dachte einen Moment darüber nach. MacIan war ganz schön ruhig wenn man bedachte dass eine Garde der englischen Armee ihn und seinen Clan vernichten wollte.
Oder hatte Alasdair nichts gesagt? Nein.. so dumm war er nicht. Mir war danach ihn danach zu fragen, aber ich traute mich nicht. Ich musste erst wissen wie viel der Mann vor mir schon wusste.
Stockend räusperte ich mich und setzte mich ein wenig gerader auf, es war mir unheimlich unangenehm, aber ich musste so schnell wie möglich Al finden. Nur so konnten wir die Katastrophe vielleicht noch irgendwie abhalten.
„Nun .. darf .. ist euer Sohn hier? Hier irgendwo? Alasdair?“
MacIan schwieg einen verdammt langen Augenblick, sah mir fordernd und musternd in die Augen.
Er wusste es. Er wusste es verdammt, schoss mir durch den Kopf.
Er wusste alles, er wusste von mir, er wusste von Alasdair, er wusste von der Garde, von Campbell, er wusste einfach alles.
„Er räumt mit ein paar Männern die Gebirgspfade vom Schnee frei. Ihr könnt hinauf gehen, er wird außer sich sein.“
Verwundert riss ich die Augen auf. Er wird außer sich sein…? Nun daran zweifelte ich nicht, ich war mir nur sicher das MacIan etwas anderes meinte als ich – Alasdair würde nämlich toben wie ein Gewitter.
Was zum Teufel noch mal wusste MacIan wirklich? Alles? Ganz alles? Oder nur das was seinen Clan betraf? Verdammt, ich wurde verrückt. Nein, ich war es schon.
Er begann zu schmunzeln. „Ich bin vielleicht alt, Jean. Aber ich erkenne was ich sehe. Mein Sohn verschwindet für eine Menge von Tagen, taucht plötzlich wieder auf und läuft fast gegen Bäume, weil er so in seinen Gedanken steckt. Nach ständigem Bohren rückt er mit der Sprache raus und erzählt mir von einer wunderschönen Frau mit dem Namen Jean. Und ein paar Tage danach taucht eine wunderschöne Frau in unserem Dorf auf und ihr Name lautet Jean. Und jetzt fragt diese Jean nach meinem Sohn. Das klingt nicht wie ein Zufall, findet ihr nicht auch?“
„Aber“ haspelte ich panisch hervor, stoppte aber von selbst. Aber, aber, ja was aber? Scheiße.
Er erhob sich elegant und schmunzelte dünn. „Nun geht schon, ihr könnt ihm ausrichten das ich ihn und euch selbst zum Mittagessen erwarte. Donald und meine restliche Familie werden auch da sein. Fühlt euch wie Zuhause, Jean.“
Ich nickte brav und erhob mich nun ebenfalls. Was anderes blieb mir ja auch praktisch nicht übrig. Ich hatte fürchterliche Angst da jetzt hinauf gehen zu müssen, aber MacIan ließ mir ja praktisch keine Wahl.
Zögernd setzte ich mich in Bewegung und fand den Weg allzu bald nach draußen. Es hatte aufgehört zu schneien, aber die Welt lag immer noch unter einer festen Schneedecke. Er knarzte leicht als ich die ersten Schritte ging. Grübelnd holte ich die Fäustlinge zu Tage und schob das Tuch was man mir gelassen hatte, noch enger um meinen Hals. Der Wind wehte eisig kalt.
Einen Moment lang sah ich mich um und versuchte mich ein wenig zu orientieren, in einiger Entfernung erhoben sich die Felsen in den Himmel, ein schmaler Pfad war niedergetrampelt wurden und ich sah in einiger Entfernung kleine braune Punkte. Menschen, vermutlich jene die die Pfade ins Gebirge vom Schnee befreiten.
Seufzend fuhr ich mir mit den warmen Handschuhen übers Gesicht und raffte meinen Rock ein wenig, ehe ich langsam in die Richtung lief.
Der erste Mann der mich registrierte, war ein junger Bursche. Vielleicht 16, sah er sich nervös um und kam mir dann ein paar Schritte entgegen. Ich schwitzte von dem steilen Pfad, meine Wangen waren sicherlich schon puterrot.
„Hallo? Kann ich ihnen helfen?“ fragte er leise, wohl aus einem inneren Zwang. Er sah eher aus als hätte er Lust so weit weg zu rennen wie es nur ging.
Warum nur? Gegen den eisigen Wind aus Flocken blinzelnd, kam ich wieder zu Luft.
„Hallo, mein Name ist Jean und ich .. ich suche einen Alasdair. Man hat mir gesagt er sei mit hier oben?“
Der Junge wurde leicht rot, sein dunkles Haar war vom Wind ganz zerzaust und seine Wangen ebenfalls von der Kälte rot. „Alasdair? Alasdair MacDonald? Ja, er ist dort oben irgendwo, ich hab ihn jedenfalls dort vor ein paar Minuten gesehen, ich könnte .. na ja.. ich könnte vielleicht“ – „Was stotterst du denn so!?“ unterbrach ihn ein weiterer Junge, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
Er hatte rotblondes Haar und ein hübsches Gesicht, Sommersprossen tummelten sich wohl das ganze Jahr auf seinen Wangen. Er schlug dem Braunhaarigen freundschaftlich auf die Schulter und zog dann mit einem Blick auf mich, seinen Hut vom Kopf.
„Mylady“ zwinkerte er keck und setzte sie sich wieder auf. „Wie kann ich euch weiter helfen?“
Flirtete der gerade mit mir?
Mein Gott, der Junge war keine 20! Mich räuspernd kniff ich die Augen zusammen und betrachtete den Lausbub von oben bis unten. Seine Augen funkelten voller Lebensfreude und Charme, dem liefen nicht nur die Jugendlichen hinterher – ich wettete jede Frau vom Kleinkindalter bis zur Großmutter fand ihn schlichtweg bezaubernd.
„Ich suche einen Alasdair, man hat mir gesagt er sei hier oben.“
„Ihr sucht meinen Bruder?“ grinste er und mir schlief bald das Gesicht ein. Bruder? BRUDER? Dann musste dieser Prinz hier vor mir Edan sein. Wie hatte ihn Al so treffend beschrieben?
Und mein jüngster Bruder, gerade 17 Winter alt geworden, Edan, hat nur Blödsinn, Whisky und Frauen im Kopf.
DAS glaubte ich ihm sofort. Jetzt wo ich ihn gesehen hatte, ergab diese Beschreibung wirklich einen Sinn.
Schmunzelnd sah ich ihn an. „Ja, euren Bruder. Wo ist er denn nun?“
„Warum meinen Bruder?“ er zog einen wirklich hinreißenden Schmollmund. „Alle wollen nur zu meinem Bruder. Ich bin auch nett, ich bin sogar noch witziger als er. Warum nicht zu mir?“
„Es ist nicht so als würde ich an euch zweifeln, aber ich muss trotzdem mehr als nur dringend zu Alasdair und nun verratet mir den Weg“ seufzte ich schließlich, denn es fehlte allemal an Zeit.
Edan seufzte herzzerreißend auf. „Ach man… kommt mit, ich führe euch zu ihm.“
Auf mein zustimmendes Nicken setzten wir uns in Bewegung und liefen noch ein paar Schritte den steilen und felsigen Pfad nach oben, ehe wir uns ein wenig nach rechts schlugen.
„Da vorn, seht ihr ihn? Ich muss wieder runter, wir dürfen hier eigentlich nicht hoch. Bis später!“ rief er noch, schon war er wieder verschwunden.
Ich sah Alasdairs Rücken, der breite muskulöse Rücken, die kräftigen Arme und die langen goldbraunen Haare, ich würde ihn unter tausend Männern erkennen.
Zitternd und frierend stand ich nun da, meine Hände in dicken Handschuhen und traute mich nicht auch nur einen Schritt zu gehen. Brauchte ich letztendlich aber auch nicht, denn ein weiterer Mann deutete in einiger Entfernung auf mich und rief irgendetwas.
Alasdair drehte sich leicht und sah mich einen kurzen Moment einfach nur an. Ich traute mich immer noch nicht irgendetwas zu tun, ich blieb einfach stehen und starrte ihn bewegungslos an.
Er wirkte so vertraut und doch irgendwie anders, der lange Bart war ab, sein Haar gestutzt und neu zusammen geflochten. Er trug wie die anderen Männer Hosen mit Stiefeln und dicke Mäntel.
Langsam und wie in Zeitlupe rammte er seine Schaufel in den Schnee und kam auf mich zu gelaufen und auch wenn ich wusste das das jetzt einem schrecklichen Klischee glich, konnte ich meine Füße nicht bremsen. Mit einem Mal setzten sie sich in Bewegung und liefen ebenso auf ihn zu, wie er auf mich.
Sein Gesicht zeigte Verblüffung und Erstaunen, Sorge und Zuneigung, er konnte es nicht glauben, traute seinen Augen nicht. Er war zu einem offenen Buch für mich geworden.
Ich lächelte leicht und lief schneller, so schnell das ich schließlich meinen Rock raffte und ihm in die Arme fiel.
„Jean“ murmelte er über mir, ich horchte seinem klopfenden Herzen und zum ersten Mal wurde mir richtig echt klar, dass dieser Mann ein Mann war. Nicht eine Einbildung oder ähnliches, nein, er war wirklich echt.
„Ich träume richtig?“ hauchte er an meinem Ohr, sein warmer Atem prickelte an der eiskalten Haut.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, du hast die Kugel doch geteilt.“
„Ja aber …“ murmelte er immer noch flüsternd, als würde er es nicht glauben wollen, als würde jemand unseren Worten lauschen.
Ich löste mich von ihm und legte meine Hände an seine kalten Wangen. Es waren die gleichen Augen, nur glänzten und funkelten sie jetzt viel mehr.
„Ich bin hier, Al. Richtig mit Fleisch und Blut, ich musste dir .. Campbell und seine Banden, sie wollen dich, deine Brüder und deinen Vater – den Clan ein für alle Mal auslöschen! Ich konnte nicht einfach .. ich musste irgendetwas tun. Ich .. ich .. kannst du dich an Foley erinnern? Der Mann vom Friedhof? Er war bei mir und es war nicht Foley, er war Fingal, der Mann von Großmutter und er hat mir so viel darüber erzählt und“ „Jean!“ unterbrach er mich kurzerhand und legte seine Lippen auf meine.
Und ich schwieg.
Das einzige was ich dachte war, das seine Lippen immer noch genauso schmeckten.
Aber eins war anders geworden, der leichte Hauch einer verbotenen Frucht war weg. Jetzt schmeckte es nach etwas das nur für mich bestimmt war- es schmeckte nach der besten Sache die mir jemals gehört hatte.                        

22 Days;Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt