6.3 Begegnungen

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°°oJo°°

Ich hatte mir keine Gedanken über den Inhalt der Verabredung gemacht, wusste weder wohin noch was und über die Vernetzung der hiesigen Straßen war ich ebenso wenig informiert wie über mögliche Lokale.

„Steigen Sie aus!", sagte Ann um mit mir den Platz tauschen zu können. Als sie hinter dem Steuer saß und den Wagen startete, fragte sie ob ich Französisch möge. Was sie damit meine wollte ich wissen.
„Französisch, Küche, meinte ich. Was dachten Sie denn?"
„Oh nichts ich - ja Französisch klingt gut", murmelte ich peinlich berührt.

Das fing ja sensationell an, dachte ich innerlich seufzend, rutschte ein Stück in meinen Sitz hinab. Ann fuhr uns nach Salisbury, wo sie den Wagen in einer winzigen Straße abstellte in der das noch regennasse Kopfsteinpflaster orange schimmerte wie der leuchtende Himmel über uns. Sie überließ mir den Schlüssel, meinte wir seien da und stieg aus. Ich war beruhigt dass sie sich nicht sonderlich herausgeputzt hatte, lediglich ihr aschblondes Haar war gebändigt und stach nicht wie üblich kreuz und quer in sämtliche Himmelsrichtungen. Sie trug eine dunkle schlackernde Jeans und unter ihrer Jeans-Jacke einen roten Wollpullover. Ann führte mich den Fußweg entlang, sprang über Pfützen oder lief Slalom um gleiche, vorbei an zusammengewürfelten Häusern, die sich jeweils in Form und Farbe unterschieden, doch zusammengepresst in einer Linie aufgereiht waren. Das Regenwasser plätscherte noch in den Blechrinnen und fiel vom frischen Grün der Bäume. An einer im Dunkeln liegenden Straßenecke, da ein gewaltiger Ahorn seine Schatten warf, blieben wir stehen. „Da wären wir", sagte Ann erfreut, deutete noch auf das Restaurant während sie gen Eingang tänzelte und der gelbgrüne Blütenteppich ihre Schritte schluckte.

Eine angenehme Duftmischung aus Kaffee, längst erloschenen Zigaretten und Schokoladenkuchen kam mir entgegen als ich Ann in die Lokalität folgte. Auf einer roten Eckledercouch ließen wir uns nieder und während ich mir noch meine Jacke von den Schultern schob, schwirrte bereits ein Kellner um uns herum, trällerte uns das Tagesmenü vor, ehe er uns die Karten überließ.
„Wirklich nett von Ihnen dass sie Chloe mit den Schafen geholfen haben", sagte sie, blätterte eilig in der Karte umher, vor, zurück, klappte sie zu, wieder auf.
„Kein Problem", meinte ich. „Das habe ich gern getan" - jedenfalls für das Wohl der Schafe.
„Sie entwickeln sich prima, alle drei, Sie sollten sich die putzigen Dinger ansehen. Wie Sie wissen werden Kinder viel zu schnell groß, das gilt auch für Lämmer"

Sie schlug die Karte erneut auf, ließ ihren Finger auf und ab gleiten, bis sie an einer Zeile hängen blieb. „Mögen Sie Schenkel?", fragte Ann unvermittelt? „Froschschenkel!"
„Oh ich weiß nicht, ich glaub nicht"
„Sie tun mir leid, die Frösche, sie werden nur für den gastronomischen Zweck gezüchtet, sie leben nur um gegessen zu werden", erklärte sie. „In meinem zweiten Leben will ich jedenfalls kein Frosch sein"
Ich auch nicht! Mit einem tragischen Lächeln im Mundwinkel klappte ich die Karte zu und entschied mich gegen die Schenkel. Wir bestellten, sie Rindersteak mit Pommes und Salat, ich Lammfilet auf Tomatensalat. Dann ging es weiter mit Schenkeln und Grillen, die ich auch nicht auf meinem Teller haben mochte. Ann hatte wirklich eine merkwürdige Auffassung von Konversation während des Essens, nicht nur Grillen und Schenkel waren Bestandteil unserer Konversation, auch Wunden in der Größe von Handflächen und offene Knochenbrüche. Ich versuchte meinen Rotwein zu genießen, ließ ihn über meine Zunge gleiten und würgte ihn herunter. Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit dass Ann ein Adrenalinjunkie ist und ein gestörtes Verhältnis zu Gesprächsthemen während des Essens hat. Während sie mir ihre sonderlichen Stories von Eisbaden und Basejumping erzählte, kaute sie genüsslich auf ihrem Rind und schnalzte gelegentlich mit der Zunge. Die Hände behielt man beim Eisbaden übrigens über Wasser, immerhin konnte es beim Eisbaden zum spontanen Absterben gewisser Körperteile kommen und so hatte man wenigstens die Hände sicher geschützt. Ich wollte nicht einmal daran denken wie kalt das Wasser in Finnland sein mochte und schon gar nicht wie kalt die dazugehörige Lufttemperatur sei.

Ann war im Redefluss sodass ich kaum zu Wort kam, was mir zum einen relativ gelegen kam, ich nichts über mein Privatleben preisgeben musste, zum anderen war es ermüdend ihrer monotonen Stimme zu lauschen und ihr genügend Aufmerksamkeit entgegen zu bringen um nicht unhöflich zu sein oder desinteressiert zu wirken. Zu meiner Zufriedenheit verlief der Abend recht schnell und im schimmernden Laternenlicht gingen wir zum Wagen zurück. Da ich mir die Strecke der Hinfahrt eingeprägt hatte, konnte ich uns ohne Umwege zurück nach Littleton fahren, Ann vierzig Minuten später vor ihrem Haus absetzen. Zum Abschied streckte sie mir die Hand entgegen die ich dankbar annahm, mich für den aufschlussreichen Abend bedankend.

Kurz vor zehn entschied ich mich noch dazu ins Apple Tree zu gehen, stellte den Wagen vorm Cottage ab und ging die wenigen Schritte zu Fuß durch die schmalen finsteren Gassen. Aus der Entfernung erblickte ich Miss Sullivan hinter dem Tresen. Einen Wimpernschlag lang blieb ich stehen, als mir jedoch die Albernheit bewusst wurde, setzte ich meinen Weg fort und ließ meine Bedenken verblassen. Ein dunkler Schatten rauchte an mir vorbei als ich mich durch die Tür schob. Der komische Kater! Die Tür fiel krachend hinter mir zu und verschiedene Augenpaare folgten mir während ich auf einen Barhocker glitt. Miss Sullivan tauchte nur wenige Sekunden später verwirrt hinter dem Tresen auf und fuhr sich durch ihre Locken. Ein freudiges Lächeln auf den Lippen fragte sie: „Mr. Depp, Sie hier?" Sie lachte - mich aus? „Ich erliege allmählich der Vermutung dass Sie mich mögen. Sie hatten doch nicht etwa Sehnsucht nach mir?

„Mindestens so sehr wie nach einem Stein in meinem Schuh" Leicht gekränkt wandte sie sich ab, mir erst wieder zu, als sie mir ein Glas Wein vor die Brust stellte.
„Und trinken Sie nicht mit Eile, sie könnten sich verschlucken!"
„Gewiss!"
„Wieso streitet ihr euch eigentlich immer?", eine Frage die mir noch nie in den Sinn gekommen war, kam von dem kleinen Mädchen mit den blonden langen zotteligen Haaren. Wir stritten nicht! Wir konnten uns nicht ausstehen und das schlug sich negativ auf unsere Kommunikation nieder.
„Wir streiten uns nicht, Holly. Mr. Depp ist der Meinung ich sei eine hinterlistige Schlange"

Die Kleine bedachte mich mit einem unterkühlten Blick und der komische Typ neben ihr lachte sich einen ab. Miss Sullivan hatte recht, aber dass die Kleine das mit anhören musste tat mir irgendwie leid, sie schien nicht besonders angetan von der Antwort.
„Chloe hat dir nichts getan", sagte sie.
„Da wäre ich nicht so sicher", meinte ich, nippte an meinem Wein.
„Sie sind ein alberner Ignorant", fauchte Chloe mir regelrecht entgegen sodass ich mich zurücklehnen musste um zu verhindern dass ihre Nase gegen die meine prallte.
„Wo sie recht hat-", warf der Typ neben Prinzessin ein und prostete mir mit einer halbleeren Flasche zu. Natürlich war das gemeine Volk gegen mich.
„Was ist ein Ignorant?", fragte die Kleine während sie versuchte zwei Bierdeckel aneinander zu lehnen. Chloe indes schleuderte mir einen säuerlichen Blick entgegen. „Ein Idiot!", zischte sie einer Schlange gleich.
„Also so was wie ein Schaf?"
„Genau, Holly, ein Ignorant ist ein dummes Schaf!"
Prinzessin kombinierte hervorragend für ihr Alter. Die Kleine sah zu mir hinauf, lächelte fröhlich vor sich hin nachdem sie mir in die Augen geblickt hatte.

„Wie lief denn Ihr Date?", fragte Miss Sullivan die beidhändig auf dem Tresen gestützt lümmelte.
„Es war kein Date", sagte ich.
„Dann, wie lief Ihre Verabredung?"
Augenverdreher meinerseits!

„Es lief wunderbar, Ann ist wirklich außergewöhnlich - nett"
„Ja und völlig wahnsinnig wollten Sie noch erwähnen"
„Ja, aber ich wollte es nicht derart unschön darstellen"

„Mr. Johnny, warum sind Sie nicht mit Chloe ausgegangen?", fragte Holly.
„Ach Holly, lass Mr. Depp in Ruhe, er möchte nicht belästigt werden!"
„Schon in Ordnung" Prinzessin trug ja keine Schuld an unseren Differenzen. Miss Sullivan räusperte sich, stemmte die Hände in die Hüfte, schüttelte die Augen zu Schlitzen verzogen den Kopf.
„Weißt du Prinzessin, Chloe hat mich gebeten mit Ann auszugehen"
„Und wenn ich Mr. Johnny bitte mit Chloe auszugehen, wird er das dann auch tun?"
Ich zuckte mit den Schultern - natürlich wollte ich nicht mit ihr ausgehen. „Mr. Johnny, Chloe liebt Sie, sie weiß es nur noch nicht"

Feuermond | Johnny Depp Fan-FictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt