V. Klatschklar

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°°oJo°°

An einem besonders warmen Abend entschloss ich mich nach Littleton zurück zu fahren; ich hatte bis jetzt, nach mehreren Wochen, nichts von ihr gehört, gar nichts und es erfüllte mich mit einer zähen Masse an Traurigkeit, die ich nicht vermochte abzuschütteln. Hatte sie meinen Brief falsch verstanden oder gar nicht bekommen? Konnte sie meine Schrift nicht lesen? Ich konnte mir nicht erklären warum sie mich nicht anrief. Wenn ich am frühen Abend losfuhr, wäre ich noch vor Mitternacht bei ihr. Sie nur kurz sehen, in ihre Augen sehen und ihren süßen Mund vielleicht berühren. Danach könnte ich sofort den Rückweg antreten, um pünktlich sechs oder sieben Uhr wieder am Set in Wales zu erscheinen. 

Ich stieg in den silbernen Audi, schaltete das Navigationsgerät ein. Es brachte mich auf den richtigen Kurs, die raue Landschaft lag in den Armen eines Abendrots während ich an ihr vorbei sauste. Als ich die Hälfte der Strecke erreicht hatte, oder dies zumindest glaubte, sagte die Stimme des Geräts nach einer Kreuzung: „Bitte wenden!“
Ich tat dies. Dann: „Drehen Sie nach Möglichkeit um!“ Auch dieser Anweisung folgte ich. Dann erneut: „Bitte wenden!“ An einer Tankstelle hielt ich an und kaufte mir eine Straßenkarte der Umgebung. Das Navigationsgerät schaltete ich ab und ließ mir von dem Tankstellenwart den Weg zeigen. Die Karte war aktuell, warnte mich aber nicht vor Baustellen oder Umleitungen sodass ich dreißig Minuten lang durch Wiltshire fuhr, orangerot leuchtende Ampeln passierte und einer Kombination aus Karte und Wegweisern folgte. 

Viel später als ich eingeplant hatte, erreichte ich das stille Dorf. Und als ich endlich die Einfahrt ihres Hauses erreichte lag es im Dunklen da, fast so wie ich es an meinem letzten Abend hier verlassen hatte. Ich klingelte, klopfte an Tür und Fenster. Kein Zucken. Nicht mal der Kater saß irgendwo am Fenster und beobachtete mich. War sie verreist? Mit Holly mitten im Schuljahr? Unwahrscheinlich! Sie musste irgendwo hier sein. 
Ich fuhr zur Farm. Auch dort war alles dunkel, jedoch begrüßte mich der Hund. Ich war froh dass er mich erkannte und freundlich begrüßte. „Hey Kumpel“, sagte ich und tätschelte seine Flanke. „Du weißt nicht wo sie ist oder?“, fragte ich ihn und kraulte ihn hinter den Ohren. Er blickte mich an und ließ dann von mir ab um sich vor den Zaun der Schafweide zu legen. Ich stieg zurück in den Wagen, startete und lenkte um. Zurück in Littleton fuhr ich am Apple Tree vorbei! Hell erleuchtet strahlte das Pub in der Dunkelheit. Natürlich! Wo sonst sollte sie sein?! 

Schief stellte ich den Wagen entgegen der Fahrtrichtung in eine Lücke, schloss ab und rannte hinüber. Durch das Fenster konnte ich sie bereits sehen. Sie und Mr.Cooper und sein schneeweißes Surfergrinsen. Übelkeit stieg in mir auf. Ich beobachtete sie noch einige Momente durch das Fenster und das warme Licht aus dem Pub schien auf mein Gesicht. Es war ein Anblick der mich erschauern ließ und der den Knoten in meiner Brust, welche noch immer das Messer in mir fest umschloss, anschwellen und fester werden ließ. Als nächstes stürmte ich hinein, hätte mich zu gerne auf diesen Typen gestürzt. Aber ich stand einfach nur da, einfach nur so, wie mich auch all die anderen die hier saßen anstarrten. Ich schluckte. 

„Mr Johnny!“ Holly kam angerannt und sprang mir regelrecht in die Arme. „Es ist toll, dass du wieder da bist“ 
„Hallo Prinzessin“, sagte ich und setzte sie ab ehe wir uns gemeinsam an die Bar setzten und Mr.Cooper ignorierten. „Möchtest du einen Kakao?“ 
„Oh ja gerne“, rief sie aus. 
„Einen Kakao und ein stilles Wasser“, sagte ich leicht verbittert zu Chloe.
„Was ist stilles Wasser?“, lachte Mr.Cooper. Alle anderen lachten mit. Chloe rührte sich nicht und verzog auch keine Miene. Ihre Finger klopften auf dem Tresen einen Takt. 
„Du hast dein Getränk bei deinen Aufgaben stehen!“, sagte sie zu Holly und deutete mit einem gespannten Zeigefinger auf ihren Platz. Holly zog sich zurück und begann eifrig in ihr Heft zu schreiben. Die Luft knisterte und ich rieb mir die Hände an meiner Hose ab, ein Ritual um mich selbst etwas zu beruhigen, mich und meine Umwelt, aber nicht die Luft um uns herum. Die Pub-Besucher hatten immer noch ein Auge auf uns. Nicht auf uns beide. Auf uns drei. Mr.Cooper rührte mit  einem Strohhalm in seinem Glas, sodass einige Flöckchen vom Boden aufgewirbelt wurden. Chloe stellte mir ein Glas Wasser vor die Brust, unsicher ob es wirklich das war was ich wollte. Aber sie sagte kein Wort und sah mich nicht an. Als wollte sie mich ignorieren, griff sie nach einem Glas um es mit einem Geschirrtuch bearbeiten zu können. Mr.Cooper grinste blöde in sein eigenes und ich musste daran denken wie er ihre Hand sanft berührt hatte als ich durch das Fenster sah, erst ihren Handrücken, dann den Bogen der vom Daumen hin zum Arm führte. Mir wurde wieder schlecht. Vor allem wenn ich daran dachte, wie sie ihn dabei ansah, so als würde es ihr gefallen. Wieder die Hand über dem Stoff entlang.

„Meine Bitte hat dir wohl nicht gefallen?“, platzte ich heraus.  
„Bitte was?“, fragte sie und strengte sich an, an mir vorbei zu sehen. Am Fenster saß der Kater, mal wieder zum Sprung bereit. 
„Komm mit raus!“, sagte ich und lehnte mich über den Tresen um ihren Arm erfassen zu können. 
„Nein, sehen Sie nicht dass ich Gäste habe?“ 
Ich sah mich zu allem Überfluss nach hinten um. „Natürlich ist mir das nicht entgangen!“
„Aber?“
„Wir waren doch schon etwas weiter als dieser Augenblick glauben lässt?“, deutete ich an.
„Wir waren nirgends! Sie haben sich anders entschieden!“, sagte sie und kräuselte leicht die Nase. 
„Bitte Chloe!“ Ich umklammerte sie fester. „Die kommen schon ein paar Minuten ohne dich klar“, sagte ich und meinte damit die zwei kleinen Grüppchen die vor ihren halbvollen Gläsern saßen. Sie blickte kurz auf, während ich sie vor zog und in einer Bewegung vom Stuhl rutschte und sie vor mir hinaus in die klare Luft schob. 
„Was soll das?“, krähte sie.
„Was soll was?“, verlangte ich. 

„Na das hier? Warum sind Sie hier?“, fragte sie mit bebender Stimme. 
„Wegen dir!“
„Haha!“ Spöttisch lachte sie auf und wandte sich ab, hin zu ihren Stiefeletten deren Verschlüsse halb offen waren. Sie atmete heftig und strengte sich wohl an mir keine rein zu hauen. „Mistkerl!“, murmelte sie. 
Ich schob mich in ihr Blickfeld zurück und suchte den Kontakt zu ihr. Sie ließ mich allein. 
„Ich bin wegen dir hier – nur wegen dir, um dich zu sehen“ 
„In der Zeitung -“ 
„Oh nein Chloe, bitte sieh mich an!“ Ich fiel ihr ins Wort und hob ihren Kopf mit beiden Händen, sodass sie mich nicht ignorieren und mir nicht ausweichen konnte. „Du darfst nicht glauben was in den Zeitungen steht, gar nichts, kein einziges Wort, hörst du?“ Sie versuchte zwischen meinen Fingern zu nicken. „Es ist fast alles gelogen, erfunden und für später konserviert. Sie wollen eine gute Story damit die Menschen ihre Zeitung kaufen, damit Menschen ein Bild haben, irgendwas. Sie sind neugierig und viele lassen sich damit füttern, mit endlosen Märchen und Lügen“, erklärte ich. 

„Aber die Fotos?“
„Die sind alt, bearbeitet oder es wird etwas so ausgelegt, dass es interessant genug erscheint, es dient alles der Geschichte und der Zeitung“ 
„Wieso hast du mir nie von ihr erzählt?“
„Ich denke wir waren noch nicht so weit“, flüsterte ich. 
„Dann erzähl mir von ihr, von euch. Ich weiß doch eigentlich gar nichts von dir, außer dass du zeichnest, viel liest und Rotwein in vielen kleinen Schlucken trinkst“ 
„Nicht jetzt – Cookie!“, ich strich ihre Locken, die sofort wieder hervor hüpften, hinters Ohr. Fragend blickte sie mich an. „Du bist süß, wenn du in Rage bist!“, säuselte ich.

Feuermond | Johnny Depp Fan-FictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt