III. Keine Macht der Vernunft

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Mehr als über die Security, ärgerte ich mich über die wahnwitzigen Frauen. Der Park war gesperrt und dennoch harrten sie wie Glucken auf ihren Plätzen aus, während ich über den Parkplatz schlich und die Lage sondierte.
An den Seiten des Parks verliefen schwarze Eisenzäune, ebenfalls bewacht von der Security. Die Männer sahen robust aus, aber waren sie auch flink und wendig? Aus der Entfernung schätzte ich die Höhe des Zauns ab, keine drei Meter. Überwindbar. Ich schloss die Lederjacke, zog den Gurt meiner Tasche fest.

Ich wählte die rechte Parkseite, stürzte zwischen zwei Autos hervor und beschleunigte die Schritte, als ich in Höhe des ersten Bodyguards den Zaun ansteuerte. Er setzte mir nach und trieb mich in die Nähe des anderen, der weiter hinten Position hatte. Er versuchte, mich im Lauf abzufangen. Ich wich aus und hechtete über ihn hinweg, sprintete auf eine Ziegelsäule zu, sprang auf den Absatz des Zauns und stemmte die Beine im Lauf gegen die Säule. Mit der linken Hand zog ich mich nach oben und in einer Drehung flog ich seitlich über die Eisenstäbe. Auf der anderen Seite landete ich in einer Rolle und kam auf beiden Füßen zum Stehen. Grinsend sah ich mich nach den Männern um, die fluchend in ihre Funkgeräte sprachen.

Dann rannte ich wieder, quer über den akkurat gekürzten Rasen, zwischen Kugelbäumen hindurch und erreichte die ersten Zelte der Filmcrew. Da wechselte ich in ein normales Schritttempo, sodass man mich nicht beachtete. Ich mischte mich unter das Team und schlüpfte zwischen zwei Lager, um der Security zu entkommen. Einen von ihnen täuschte ich, indem ich mich an die Zeltfläche drückte. Der andere jedoch drängte mich aus meinem Versteck direkt in die Arme eines historischen Filmdarstellers.

„Cookie?", hörte ich eine vertraute Stimme. Eine Stimme wie Schottischer Whiskey. Als ich mich umdrehte, erkannte ich ihn kaum unter seiner Verkleidung.
Die Security zog sich zurück, nachdem John erklärte, dass wir uns kannten und dass von mir keine Gefahr ausging. Ich schmiegte mich in seinen Arm und war erleichtert, dass ich in ihn gestoßen war und nicht in die Frau neben ihm. Ein Crewmitglied verkündete eine Pause und Johnny lenkte mich zu einem Trailer. Bevor wir in ihm verschwanden, machte er mich, trotz Verstimmung über ihre Anwesenheit, mit Allegra Cunningham bekannt. Es war die Frau, die ich mit ihm auf den Fotos in Zeitungen gesehen hatte. Sie war es, die in den letzten Jahren sein Leben bestimmt hatte. Sie war es, die ihn zutiefst verletzt hatte und die für seine Augenringe verantwortlich war. Ich wusste nicht, was sie getan hatte, ich hoffte nur, er würde es mir eines Tages anvertrauen.

In seinem Trailer war es wohlig warm und Chopin empfing mich aus dem Radio. Warum war er schon wieder da? Und warum schwächten mich seine Stücke auf angenehme Weise? Ich versank in den Klaviertönen wie in einem Glas Honig und war unfähig mich daraus zu befreien. Ich sah mich um, empfand den Anhänger als nicht geräumig aber zweckmäßig. In einer Ecke der Schlafbereich, in einer Nische das Bad und gegenüber vom Bett Kochstelle und Kühlschrank.

„Ist dein Beruf gefährlich?", fragte ich, betrachtete seine sonderbare Filmkleidung. Allen voran die dunkle Lockenpracht, die er auf dem Kopf trug. Den Oberkörper schmückte ein kalkweißes, durchaus offenes Hemd mit Spitzen besetzten Ärmeln. Pluderhose und hohe, schwarze Stiefel dekorierten die Beine. Er wirkte herrschaftlich und erinnerte mich an das alte England.
„Eigentlich nicht", entgegnete er. „Riskante Szenen übernehmen Doubles. Ich versuche, vieles selbst zu drehen. Bin mal vom Pferd gefallen und unfreiwillig ins Meer gestürzt. Es ist harmlos, bis auf einige kleine Blessuren hin und wieder"

Das nervöse Kribbeln in meinen Fingerspitzen sorgte dafür, dass ich die Antwort nahezu überhörte. Denn der weite Ausschnitt seines Oberteils ließ mich vergessen, weswegen ich eigentlich hier war. Er stand dicht bei mir, streifte mir die Jacke von den Schultern. Zimt, Meer und Tabak roch ich an ihm. Ich mochte das Meer, das Wasser und Apfeltee mit Zimt. An den dachte ich, als seine Hand an meinem Hals entlang glitt und er nach dem Zeichen fragte. Kein Mensch sah es. Niemals. Beinahe sprachlos, stammelte ich eine Erklärung zusammen. Das Geheimnis darum blieb vor ihm verborgen, ich wollte nicht riskieren, ihn heute zu verlieren. Stattdessen fragte ich, was er von mir erwartete. Und alles was er wollte, war Zeit, nur Zeit. Die Konstellation überforderte mich, es gab ein zeitliches Ungleichgewicht zwischen uns. Sie war an ihn gebunden, aber nicht an mich. Er war nicht fähig uns mehr zu geben, es war paradox und ich wollte seine Zeit nicht. Ich wollte ihn und wenn wir nur diesen Augenblick hatten, würden wir ihn für immer verpassen. Vielleicht.

Feuermond | Johnny Depp Fan-FictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt