III. Eiertanz

82 6 0
                                    

°°oCo°°

„Und Sie? Was ist Ihre Berufung?", fragte Oliver Cooper.

Wenn der wüsste!

„Ich bewirte ein paar ungehorsame Schafe gleich in der Nähe. Und gelegentlich helfe ich im Apple Tree aus"
„Teuflischer Apfelkorn", lachte er. „Ich war schon lang nicht mehr da, ich wohne im Nachbarort Crawley"

Diskret räumte er seine Unterlagen zusammen und bequatschte mich mit Belanglosigkeiten, ehe er mich hinaus zu meinem Motorrad begleitete. Sichtlich beeindruckt strich er beinahe zärtlich über meine Honda. „Soll ich Sie ein Stück mitnehmen?", fragte ich.
„Oh ja gern!" Schneller als ich wahrhaben wollte, hatte er sich den von mir angebotenen Helm über gestreift und stieg hinter mir auf - dann gab ich Gas. Hinter mir vergnügtes jungenhaftes Quieken. Nur für ihn fuhr ich drei Mal ums Dorf und setzte ihn in Crawley vor einem modernen Backsteinhaus ab. Im fahlen Laternenlicht nahmen wir Abschied voneinander.
„Na dann, bis bald hoffentlich", sagte er.
„Ja, bis zum nächsten Mal"
„Vielleicht komme ich mal wieder auf einen Apfelkorn vorbei", fügte er forsch hinzu.
Ich gab nur ein Lächeln von mir und während ich wegfuhr, wurde er im Seitenspiegel immer kleiner und ich mir seiner Flirt-Versuche bewusst. Ich hatte einen alten kauzigen grauhaarigen Mann erwartet, aber nicht so einen jungen freundlichen Kerl, dessen Interesse ich anscheinend geweckt hatte.

„Du hast mir gar nicht erzählt, dass dein neuer Lehrer so nett und gut aussehend ist!"
„Ihgitt!!!" Holly verzog angeekelt das Gesicht. „Du wirst aber nicht mit ihm ausgehen oder so?", fragte sie.
„Ich weiß nicht, er ist nett, mehr nicht! Außerdem bin ich nicht auf der Suche nach einem Mann"
„Und du hast Mr.Johnny, der reicht doch, du brauchst nur einen!"
Wieso waren Kinder so naiv und gleichzeitig unverblümt ehrlich?
„Einer ist eigentlich schon zu viel!", sagte ich. „Schlaf jetzt!"

Calidus erwartete mich bereits, nach unserem Zusammentreffen im Wald hatten wir kaum Zeit gefunden um über die Vorkommnisse zu reden. „Ich habe seinen Traum gesehen!", sagte er. „Du warst so schön, Chloe!" Calidus berichtete ausführlich was er gesehen hatte und ich war noch immer überrascht dass ich in Mr.Depps Kopf umher spukte vor allem in dieser Erscheinungsform. „Ich weiß nicht was das bedeutet, ich denke dass du seinen Kratzer geheilt hast, muss eure Bindung gestärkt haben"
„Zwischen uns ist keine Verbindung", murrte ich.
„So glaub mir doch Chloe, da ist was und ich denke, dass Holly auch eine Antenne dafür hat! Sie will euch zusammenbringen! Und sie wollte mich mit deinem Alibi-Katzenfutter voll stopfen, weißt du eigentlich wie ekelhaft das schmeckt?"
„Hast du es gegessen?"
„Natürlich nicht! Deswegen wäre ich dir sehr verbunden würdest du mir noch etwas „Essbares" geben!" Armer Kater! In der Küche wärmte ich ihm die Pancakes vom Morgen auf und vermischte sie mit etwas Schinken und Käse.

„Dieses Versprechen das du mir im Wald abringen wolltest, wieso denkst du dass ich mich in ihn verliebe? Ich habe es noch nie getan, habe es nicht vor und ich will es auch gar nicht!"
„Nicht du entscheidest darüber, sondern das Schicksal und wenn er deine Bestimmung ist, wirst du dich unweigerlich verlieben, ich denke nicht dass du irgendwas dagegen tun kannst"
„Wie finden wir heraus ob er mein Schicksal ist?"
„Das musst du selbst herausfinden Chloe!"
„Weiß Boss nichts darüber, die wissen doch sonst auch immer über alles Bescheid"
„Ja da hast du Recht, aber das können selbst die nicht beeinflussen"

Die waren die großen Drei, die Obersten in unserem System, zwischen ihnen und mir stand nur mehr Boss. Ich war ihnen noch nie begegnet oder man hatte mein Gedächtnis so verändert, dass ich mich nicht mehr an sie erinnerte. Mehr als ihre Namen kannte ich nicht, ich war auch nicht über ihren Aufenthaltsort informiert. Meine Annahme war, dass sie sich irgendwo auf den Ebenen aufhielten oder sich wie viele andere von uns unter den Menschen inmitten des Geschehens verbargen. Boss war gewissermaßen der Vermittler zwischen uns, meine Anlaufstelle gab es Komplikationen, hatte ich einen Wunsch, brauchte ich mehr Geld oder in Bezug auf Holly, meine Vergangenheit, Zukunft oder Gegenwart.
Fehler wurden korrigiert, Menschen manipuliert, die Geschichte verändert.
Aber über die Liebe hatten sie angeblich keine Kontrolle?!

„Und wenn es, was ich nicht hoffe, so kommt?"
„Wirst du dich entscheiden müssen, für ein Leben mit ihm als Sterbliche oder du verzichtest auf ihn und bleibst was du bist!"
Ha, das konnte doch so schwer nicht sein!
Er war doch nur ein Mann! Mensch!
Sterblich!
Auf ihn konnte ich gewiss verzichten!
„Stell dir das nicht so einfach vor", tadelte mich Calidus sogleich und folgte mir in mein Bett. „Man kann die Liebe nicht überlisten!"

Ich hatte noch nie geliebt, ich kannte dieses Gefühl nicht, nur von Erzählungen und so konnte ich es mir auch nur vage vorstellen, dass es mich zerreißt würde ich zum Exempel auf ihn verzichten. Ich hatte nicht vor mein Herz an jemanden zu verlieren, schon gar nicht an den Schauspieler. Aber nach all dem was ich über die unergründliche Zuneigung erfahren hatte, konnte ich es mir nicht aussuchen und hatte keinerlei Macht darüber. Man sucht sich den Mensch den man lieben lernt nicht aus, es passiert einfach. Ich durfte mich von ihm nicht um den Finger wickeln lassen, sollte er dies in näherer Zukunft zu tun gedenken. Unwahrscheinlich! Oder?

Bis Ostern hörte ich nichts von ihm, nicht einen Hemdzipfel bekam ich zu sehen, er verkroch sich schon wieder in der Hütte und dieses Mal war ich sicher, dass es nicht an mir lag, sondern an der Frau aus seinem Traum. Vermutlich die Frau, die für seinen teils erbärmlichen Zustand verantwortlich war. Dass Calidus seine Fähigkeiten nutzte um in die Träume Mr.Depps zu sehen, hieß ich natürlich nicht gut, es war falsch und nicht fair. Aber ich bemühte mich nicht ihn davon abzuhalten, er hörte ja doch nicht auf mich.

Holly hatte entschieden Mr.Depp zu unserem jährlichen Osterfest einzuladen und Osterbrötchen für ihn zu backen. Das blieb an mir hängen, so verbrachte ich den Vorabend des Ostersonntags mit Backen in der Küche. Holly mochte diesen Mann so sehr und ich wollte sie nicht verletzen in dem ich ihr diese Freude verbat. Und deswegen liefen wir gegen Mittag, nachdem ich Calidus gezwungen hatte für Holly ein kleines Geschenk das ich mithilfe eines Körbchens locker an ihn befestigte zu verstecken, zum Cottage, wo Hazel Mr.Depp bereits in der Mangel hatte. Holly überreichte ihm die Brötchen. „Mr.Johnny, die hat Chloe für Sie gebacken!"
„Weil du es so wolltest!", fügte ich schnell hinzu um uns alle nicht in Verlegenheit zu bringen; doch Holly funkelte mich nur giftig an. Mr.Depp bedankte sich höflich bei uns beiden und während er im oberen Stock einen Pullover holte, stand ich mit offenem Mund vor einem Bild an dem er zur Zeit zeichnete, vor meinen Füßen lag ein Seidentuch am Boden. Ich erkannte mich sofort, ich sah aus wie ein Engel, es fehlten nur mehr die Flügel. Gerade als ich das Tuch vom Boden über das Bild hängen wollte, vernahm ich hinter mir ein Räuspern und wünschte ich hätte zusammen mit Holly und Hazel am Treppenabsatz gewartet. „Tut mir leid, ich wollte nicht - " Er riss mir den Stoff aus der Hand, legte es über seine Arbeit. Eine Mischung aus Enttäuschung und Verständnislosigkeit lag in seinem Gesicht und mit gesenktem Kopf verließ ich vor ihm das Cottage. Eine Weile sahen wir uns nicht an und wechselten kein Wort. Nur Holly plapperte haltlos auf ihn ein, erzählte dass sie bereits ihr Osterkörbchen gesucht und gefunden hatte (dabei vergaß sie nicht zu erwähnen dass ich nachlässig in der Wahl des Verstecks gewesen sei). Zum Glück sah sie meinen Augenverdreher nicht.

Hazel schickte uns an uns zu beeilen, sonst würden wir noch das Eierlaufen der hiesigen Ruheständler verpassen. Seit sich Hazel erinnerte, gab es jährlich an Ostern verschiedene Spiele für jedes Alter. Eierlaufen, Eierrollen, Kohlenschleppen, Paarlauf, Flaschentreten - für die Sieger gab es kleine Präsente, zumeist ein mehr oder weniger großes Körbchen mit Leckereien. Am Abend folgte das Osterfeuer zu dem nahezu jeder etwas beitrug. Am Abend galt es beim Eierdrehen (ähnlich dem berühmten Flaschendrehen) in lustiger Runde Haltung zu wahren, entweder trank man was die Flasche hergab, beantwortete fiese Fragen oder man küsste sich. Der eigentliche Sieger, war jener der am nächsten Tag weder grün im Gesicht war, noch im Schnittgerinne oder falschem Bett lag oder Erinnerungslücken hatte. Das waren all die unschönen Nebenwirkungen die es zu verzeihen galt. Hazel scheuchte uns über den Platz und durch eine gedrungene Gasse hin zur Festwiese auf der sich bereits Grüppchen versammelt hatten und geschwätzig über die Größe des Osterfeuers spekulierten.
Sie eilte zur Anmeldung und schrieb sich für einen Lauf ein, während ich Holly in eine der anderen Listen eintrug. Meinen Namen schrieb ich in keine der Listen und um Mr.Depp nicht zu verärgern verbat ich es mir ihn anzumelden. Für heute hatte ich genug Striche bekommen um auf seiner imaginären Todesliste einen Platz an oberster Stelle zu erhalten.

Feuermond | Johnny Depp Fan-FictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt