III. Klatschklar

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°°oJo°°

„Allegra!", erschrocken fuhr ich zu ihr herum und der süße Blick aus ihren braunen Augen traf mich hart in der Mitte meines Magens. „Was machst du hier?", fragte ich und ließ mich wieder auf die Bank vor mein Essen sinken.

„Ich wollte dich sehen! Ich vermisse dich!" Ihre Hand legte sich über meine und fröstelnd entzog ich sie ihr um mich meinem Mittagessen widmen zu können. „Es ist wirklich schön hier, findest du nicht?", fragte sie bedeutungslos und setzte sich neben mich.
„Ja" Noch schöner wäre es mit ihrer Abwesenheit!
„Sehen wir uns später? Ich suche mir ein Zimmer und werde mich umsehen ob ich hier irgendwo einen Tee und Internet bekomme, hoffentlich beides in einem Buchladen!"
„Mh", grummelte ich und schob den leeren Teller von mir fort. „Wie lange bleibst du?"
„Solange wie du es wünschst" Sie küsste einmal mehr meine Wange und verschwand.

Als sie gegangen war, informierte ich die Security nicht nochmals von ihr gestört werden zu wollen, ich wollte mich auf meine Arbeit konzentrieren und sie war der Inbegriff einer verstimmten Geige. Da ich mich zu gern in meine Arbeit stürzte, blieb sie mir vorerst fern, erst zwei oder drei Tage später traf ich sie, als sie mir regelrecht auflauerte um mich zu einem gemeinsamen Abendessen zu überreden. „Wie laufen die Dreharbeiten?"
Ich hatte vergessen, dass ich vor vielen Monaten eine Übersicht meiner Termine und Dreharbeiten an unseren Kühlschrank gepinnt hatte und sie zu 60% über alles informiert war was die nächsten Monate betraf.

„Sehr gut", murmelte ich. „Die Rolle ist atemraubend, vielschichtig und intensiv, dass ich mir nicht sicher bin ob ich ihm gerecht werde, er war viel mehr als ein Poet und Trunkenbold"
„Ich weiß dass du die Rolle des grantigen Wüstlings perfekt ausfüllst" Stille. Dann griff sie ein völlig anderes Thema auf. „Ich habe vor einigen Tagen mit deiner Schwester gesprochen – du hast ihr also nichts gesagt?"
„Nein, das wirst du selbst tun, du hattest Courage mich über Wochen zu belügen, jetzt solltest du den Mut haben ihr die Wahrheit zu sagen!"

Allegra und meine Schwester Leslie waren gute Freundinnen geworden nachdem ich sie einander vorgestellt hatte. Sie sahen sich nicht häufig, aber wenn sie in der gleichen Stadt zu tun hatten, ging es sehr herzlich fast schon geschwisterlich zwischen den beiden zu. Nur mein Bruder Larry war Allegra gegenüber skeptisch gesinnt. Es war beinahe etwas übernatürliches, er hatte von Anfang an gesagt sie wäre nicht gut für mich und würde mir Qualen bereiten. Sollte ich ihm vielleicht Chloe vorstellen? Was würde er über sie sagen? Vielleicht genügte ja schon ein Foto, um eine vage Auskunft zu bekommen. „Johnny?" Sie schob ihren Ellbogen drängend zwischen meine Rippen.
„Entschuldige bitte, was sagtest du?", fragte ich und schnitt ein Stück Filet in mundgerechte Stücke.
„Ob du das Penthouse wieder beziehen möchtest wenn du hier fertig bist?"
„Ich denke nicht!", sagte ich trocken.
„Also wirst du mir weiterhin fern bleiben?" Ihre Stimme war flehentlich, beinahe weinerlich. Aber ich wollte kein Mitleid in mir aufkommen lassen, nicht für sie.
„Ich kann dir nicht in die Augen sehen ohne mir zu wünschen du würdest ersticken. Wie sollte ich mit dir zusammen leben? Du bereitest mir Albträume, schreckliche Albträume!"
„Wenn wir es nur versuchten?", sagte sie. „Es tut mir immer noch unendlich leid was ich getan habe!"
„Was du getan hast, ist unentschuldbar für mich auch wenn ich zu wenig Zeit für dich hatte"
„Ich bitte dich nur mir zu verzeihen, ein kleiner Teil von dir liebt mich noch, das sehe ich. Und weißt du nicht mehr? Es war Schicksal dass wir uns trafen!"
„Allegra, wir hatten eine schöne, ja wunderschöne Zeit zusammen und ich habe dich sehr geliebt, dann hast du unser Kind getötet und auch einen Teil von mir, das kann ich dir nicht verzeihen, niemals!"
„Ich will dich nicht verlieren!"

Vor dem Restaurant verabschiedeten wir uns voneinander, sie versuchte es immer und immer wieder mich umzudrehen, zurück zu gewinnen. Ich spürte es in ihrem Kuss den sie mir liebevoll auf die Lippen setzte. Ich wollte sie nicht mehr, nie mehr. So klar wie an diesem Abend konnte ich es bisher nie sehen. Sie hatte mich bereits verloren und es gab nichts was sie tun konnte um mich zurück zu holen, um sich mein Herz zurück zu holen. Nach allem was geschehen war, konnte ich doch nie wieder vertrauen und wollte es auch nicht. Selbstschutz! Der soweit ging, dass ich mein Herz eisern verriegelte und ich mir nicht einmal sicher war, ob ich Chloe vertrauen wollte; die vage Zuneigung zu ihr konnte daran nichts ändern. Und der Umstand, dass ich ihr einen Brief hinterlassen hatte in dem ich versuchte mich und meine Gefühle zu erklären und sie sich tagelang nicht meldete, trug nicht dazu bei eine neue Sicherheitsbasis in mir zu bilden.

°°oCo°°

Er verschwand, einfach so, ohne mir auch nur ein Wort zu sagen. Zuerst dachte ich, er müsste nach unserem Fast-Fick allein sein um sich mit seinen Emotionen zu arrangieren und deswegen einige Tage im Cottage bleiben. Aber so war es nicht. Eines Abends wollte ich mich vergewissern dass alles in Ordnung war und fuhr am Cottage vorbei. Es war dunkel im Haus, keine Reaktion auf mein Klopfen. Ich nahm den Schlüssel der unter der Kerze lag und verschaffte mir Zutritt. Er war verschwunden und mit ihm fast all seine Sachen, er hatte nur einige Bücher und Kleinigkeiten zurückgelassen, offensichtlich benötigte er sie nicht länger. Ich zog seine Jacke fester um meine Schultern, angelte mir ein Buch aus dem Stapel der auf dem Tisch schwankte und verließ das Cottage.
Meine Ängste wurden Realität: er ließ mich allein. Ich selbst hatte schon viele Männer verlassen, aber nie hatte ich sie vermisst oder gar einen weiteren Gedanken an sie verschwendet. Erst jetzt begann ich zu spüren wie sich die andere Seite anfühlte. Ich selbst hatte ihn weggeschickt, aber nicht weil ich ihn nicht wollte, weil ich Angst hatte zu viel zu wollen, Angst hatte ihm könnte etwas zustoßen und Angst vor seinen Gefühlen und vielleicht auch vor meinen eigenen die ich nicht verstand.

Am Tag nach meiner Entdeckung saß ich mit Ann und Hazel im Café, nippte resigniert an meinem Kaffee und stocherte in meinen Bohnen ohne sie zu essen. Ich hatte keinen Hunger. Seine Lederjacke lag neben mir und bestätigte, dass er nicht nur ein Traum war, dass er wirklich war, dass er mich wirklich geküsst hatte und dass wir wirklich beinahe Sex auf meinem Piano hatten.
Hazel tätschelte mütterlich meine Hand: „Mädchen, iss etwas, du siehst blass aus!"
„Sie hat Liebeskummer!", sagte Ann. Nannte man es so? War es das? Liebte ich ihn? Nein, niemals! Ich konnte nicht lieben. Ich hatte nur Bauchweh wenn ich an ihn dachte und an seine Küsse, die endlos in mir echoten.
„Du hast nichts von ihm gehört?" Hazel schüttelte nur den Kopf. Ich hatte die Hoffnung dass er ihr wie letztens, bezüglich des Cottages, Bescheid gegeben hatte.
„Er hat mehrere Monate im Voraus bezahlt, deswegen lässt er nichts von sich hören!"

Maggie die immer beiläufig an unserem Tisch vorbei schlich um einige Gesprächsfetzen aufschnappen zu können, sagte später: „Also ich glaube nicht, dass er sich wieder hier blicken lässt!" Wie zufällig ließ sie eines ihrer einschlägigen Magazine an unserem Tisch zurück. Ann war schneller als ich und blätterte die Zeitung bereits durch als ich erst registrierte, dass etwas von Liebescomeback unter seinem Foto auf dem Cover stand.
„So eine Ratte!", fluchte Ann. „Er knutscht mit seiner angeblichen Ex-Verlobten"
Neugierig riss ich ihr die Zeitung aus der Hand und hielt die Luft an. Er und eine Frau in einer liebevollen Umarmung auf der Straße, daneben dein Foto eines Kusses, darunter die beiden auf einer Gala und das alles umschlossen von einer Reportage.
„Allegra Cunningham – was'n das schon für ein komischer Name?!", jodelte Ann, nahm mir die Zeitung weg und warf das Blatt in die nächste Ecke.
„Ihr glaubt doch wohl nicht was ihr da lest?", hakte Hazel nach und schielte über ihre Tasse in die Ecke in der das Heft lag.
„Fotos lügen nicht", sagte Ann und in ihrer Stimme klang etwas Bitterkeit mit.

„Hättest ihn wohl doch gescheit küssen sollen!", sagte Maggie und schenkte uns Kaffee nach.
„Was weißt du denn schon!", fauchte ich sie an und war über meine emotionale Reaktion überrascht.
„Ich weiß vermutlich mehr über ihn als du!", sagte sie spöttisch während ich mich am Tisch hochzog und zum Sprung ansetzte.
„Das gibt dir aber nicht das Recht dich einzumischen oder dir ein Urteil zu erlauben!" Eifrig blies ich mir eine Locke aus dem Gesicht und setzte mich wieder auf die Bank.
„Lass nur Mädchen, sie ist nur eifersüchtig!", meinte Hazel in einer entspannten Tonlage.
„Auf was soll sie schon eifersüchtig sein, er ist nicht hier sondern bei einer Anderen!", sagte Ann.

Bei einer Anderen! Es hallte immer wieder durch meinen Kopf.

Feuermond | Johnny Depp Fan-FictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt