III. Dreimal mehr Schafe

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Ich wandte mich ab, drehte mich auf die andere Seite, ihm den Rücken zu. So war es mir lieber. Beruhigt atmete ich ein und aus und dachte über seine Worte nach. Liebe. Ein verworrenes Geflecht aus Buchstaben, für mich irgendwie nicht greifbar. Vor meiner Natur konnte ich es verschweigen, aber nicht vor mir selbst.

Seine Worte ließen mich an seinen Brief denken, den hatte er schon viel früher geschrieben. Wusste er es da schon? Fühlte er zu diesem Zeitpunkt bereits so? Seit unserem ersten Kuss? Vielleicht sogar seit dem ersten, den wir (ich!) unfreiwillig an Ostern tauschten. Schon so lange? Ich neigte mich zur Seite und sah, dass er schlief. Er lag auf der Seite, zu mir gewandt, sein Atem ging gleichmäßig. Ich berührte seine weichen Haarspitzen und dann blitzte ein Gedanke in mir auf, so dass ich mich pfeilschnell aufsetzte und aus dem Bett sprang. Er hatte nichts bemerkt, ich schlich ins Bad und schloss die Tür ab, öffnete das Fenster.

Ich hakte meine kleinen Finger ineinander und als sich meine Daumen berührten wurde ich einen winzigen Moment im Nichts umher geschleudert. Dann krachte ich wieder mit dem Gesicht voran gen Erde. Jedoch landete ich weich auf meiner Couch in Littleton. Es war stockduster und als ich in die Küche hinüber sah, entdeckte ich Calidus' schwarze Gestalt auf dem Küchentisch.

„Was machst du denn hier?", fragte ich, schaltete die Lampe über dem Tisch an.
„Ich esse!", sagte er und versuchte, einen Apfel zwischen den Pfoten zu balancieren. „Hazel gibt mir nur Katzenfutter, das ist staubtrocken und schmeckt nach Insekten und Blutegeln!"
„Woher weißt du wie Blutegel schmecken?"
„Das weiß ich nicht, aber so ähnlich stelle ich es mir vor", sagte er und stemmte seine Zähne in den Apfel und zermalmte ihn. „Kannst du mich mitnehmen? Ich möchte nicht wieder zur Katzenfutterlady!", jammerte er.
„Nein!", sagte ich gereizt und zog die Augenbrauen zusammen. „Du gehst gefälligst zurück und keine Diskussion, dafür habe ich keine Zeit", sagte ich. „Mir ist etwas eingefallen", meinte ich und klemmte Calidus unter den Arm. „Wenn der Zettel eine Kopie des Briefes von John erstellen konnte, dann hat er vielleicht die Daten von den Ebenen gespeichert! Ich weiß nur nicht wie ich sie abrufen kann"
„Frag ihn doch, vielleicht gibt er sie dir freiwillig weil er dich mag"

Wir schlüpften durch die Schlafzimmertür, ich knipste das Licht an und sah mich um, wenn der Zettel nicht durch den Türschlitz verschwunden war, musste er noch hier im Zimmer sein.
„Bist du da kleiner Freund?", fragte ich.
Zerknittert kam er unter dem Bett hervor und nickte. Er wirkte irgendwie erschöpft und traurig. Fühlte er sich etwa einsam? „Kannst du mir die Informationen der Ebenen geben?", fragte ich ihn und Calidus zischte hämisch. „Es ist wichtig!" Ich stupste den Zettel an und leuchtende Schriften schärften sich auf der Oberfläche und wechselten sich mit den Zeichen ab die im Hintergrund verschwommen in verschiedene Richtungen flossen. Aus meinem Nachttisch angelte ich ein Notizbuch und einen Stift. „Ich werde es mir schnell notieren", sagte ich zu den beiden, schob die Kappe vom Füller.

„Weiß dein Menschenfreund eigentlich wo du bist?", fragte mich Calidus.
„Nein, er schläft hoffentlich. Habe es so aussehen lassen als sei ich ins Bad gegangen und aus dem Fenster gestiegen"
„Tsz, du bist ja ein richtiges Biest!", maunzte er. „Hätte ich dir gar nicht zugetraut"
„Ich sollte so schnell wie möglich zurückkehren, falls er aufwacht!"

Als ich anfing die Zahlen zu notieren schob der Zettel meine Hand fort und den Stift ebenso. Dann sprang er in die Luft, vollführte einige Salti und die leuchtenden Buchstaben rieselten in schwarzer Tinte aus ihm heraus und blieben in meinem Notizbuch hängen.
„Äußerst praktisch", meinte Calidus begeistert und fuhr mit der Pfote über das Papier. Die Schrift war trocken.
„Vielen Dank", sagte ich zu dem Zettel, der fünf Seiten gefüllt hatte. Ich strich mit dem Finger über ihn und legte ihn auf meinen Nachttisch. „Bald bin ich wieder da", flüsterte ich ihm zu, da ich die Befürchtung hatte, dass er sich einsam fühlte. Vielleicht sollte ich ihn demnächst zurück bringen damit er unter seinesgleichen war und nicht hier auf der Erde vor sich hin vegetierte. Ich steckte das kleine Notizbuch in mein Nachthemd und Calidus blickte mich misstrauisch an, als wir wieder unten in der Küche standen.

„Hast du Spaß mit ihm meine Liebe?", fragte er.
„Bist du etwa eifersüchtig?", war meine Gegenfrage, da ich nicht gewillt war ihm seine zu beantworten.
„Ein bisschen vielleicht", gab er grummelnd zu. „Weil du so nett zu ihm bist, außerdem mache ich mir Sorgen um dich. Er ist ein Mensch"
„Ein sehr lieber Mensch", fügte ich hinzu und küsste den Kater zwischen den Ohren. „Jetzt geh zu Hazel zurück und sei ein braver Kater", sagte ich.
„Wenn's sein muss und er dir so wichtig ist" Calidus stöhnte genervt und sah mich noch einmal an bevor er an die Katzenklappe herantrat. „Ich hoffe für dich, dass du das Richtige tust"

Ohne ein weiteres Wort sprang er durch die Klappe und war verschwunden. Und dann verschwand auch ich wieder, gerade rechtzeitig, denn John hämmerte bereits an die Badtür im Hotel. Schnell schloss ich das Fenster und drehte den Schlüssel im Schloss. Ich linste erst durch den Türspalt und schlüpfte dann durch selben hindurch.
„Was ist los? Alles in Ordnung?", fragte er und berührte meine Wange.
„Ja! Ich habe nur vergessen Zähne zu putzen", log ich. Obwohl ich das bereits am Abend vorm Schlafen erledigt hatte, ich hoffte er würde sich in seinem verschlafenem Zustand nicht erinnern. Er nahm meine Hand, zog mich mit zum Bett und drapierte die Decke über uns.
„Immer wieder bringst du mich um meinen Schlaf, weißt du das?", flüsterte er.
„Wieso?", fragte ich.
„Ich träume von dir und wache auf und jetzt da du weg warst, konnte ich nicht mehr schlafen", murmelte er.
„Du träumst von mir?"
„Ja, ich habe immer noch denselben Traum wie schon vor Wochen", erklärte er und schmiegte sich ins Kissen. „Immer wieder willst du mir dieses Licht geben, aber ich kann es nicht nehmen"
„Merkwürdig!", kommentierte ich.

Es war der Traum, den ich ebenfalls hatte - immer noch. Das erwähnte ich nicht, aber ich fragte mich ob wir den Traum zur gleichen Zeit hatten, in derselben Nacht. Falls ja, wäre das unserer Verbindung geschuldet? Wie auch immer ich das bewerkstelligen sollte, ich musste alsbald in Erfahrung bringen was für ein Zusammenhang bestand. Ich wartete bis er schlief und drehte mich dann wieder auf die andere Seite. Unter der Bettdecke kramte ich das Notizbuch aus meinem Nachthemd hervor und schob es unter mein Kopfkissen.

Da ich in der Nacht kaum schlief, beobachtete ich ihn. Es hatte etwas beruhigendes und friedliches zu sehen wie er leise, gleichmäßig atmete und gelegentlich den Kopf zur anderen Richtung wandte. Als es zu dämmern begann, driftete ich in unseren Traum ab. Wir trafen uns wieder, das Licht strahlte unberührt zwischen uns, er lächelte, als wüsste er, dass ich direkt neben ihm lag, schlief und den gleichen Traum hatte.

Später wachte ich auf, weil er an meinem Ohr knabberte und leise meinen Namen sagte. „Chloe bist du wach?", fragte er sanft und streifte den Bogen an meinem Ohr mit seinen Lippen. Ich lag auf der Seite und John hatte sich an meinen Rücken geschmiegt. Dann fühlte ich seine Finger, die meine Haare zur Seite schoben und über die geflügelte Drei an meinem Hals strichen.
„Chloe?", raunte er leise und küsste meinen Haaransatz. „Ich weiß dass du wach bist!" Er liebkoste meinen Hals und biss mir zärtlich in den Nacken.
„Ja, ja ich bin wach", schnurrte ich und neigte den Kopf zu ihm.
„Hast du gut geschlafen?", fragte er und schlang seine Arme um meinen Körper, einen um meine Hüfte, und zog mich an seine Brust. Johns Finger rafften den Saum meines Nachthemds zusammen und schoben es nach oben. Ich ließ mich in seine Arme sinken, von seinen Händen verführen, von seiner Stimme leiten und gab mich ihm hin während die Sonne durch die Vorhänge blinzelte und er sich wie süßes Gift in meinem Körper ausbreitete.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 24, 2021 ⏰

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