I. Vertigo

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°°oCo°°

Ich entschied die gesamte Strecke zurückzufahren. Ich wollte meinem Körper die frische Luft nicht entbehren. Auf dem Rückweg krampfte immer wieder mein Magen, sodass mir beinahe der Lenker entglitt. Diesen Schmerz kannte ich nicht, ich wusste nur dass es keine Magenverstimmung war. Meine Gedanken schienen mir weh zu tun und dieses Gefühl wanderte direkt in meinen Bauch.
Der Tacho zeigte mehr an, als sein durfte und ehe mir bewusst wurde, dass ich andere Straßenteilnehmer gefährdete, hielt ich am Straßenrand an. Mein Blick war verschwommen. Nicht wegen des Regens. Sondern wegen meiner Tränen. Mein Gesicht war nass, als ich über meine Wange strich. Ich hatte noch nie Tränen vergossen! Niemals in 128 Jahren.
Ich versuchte, mich zu beruhigen, atmete tief ein und aus während meine Lippen zitterten. War der Sex mit John Schuld? Kein Grund, um nasse Augen zu bekommen oder? Nein! Ich wischte mir vergeblich das Gesicht ab und konzentrierte mich auf die Straße und den Weg, der noch vor mir lag.

Ich hatte kaum die Hälfte des Wegs zurückgelegt und musste mich so sehr konzentrieren, dass ich inzwischen darüber nachdachte in ein nahe liegendes Waldstück zu fahren, um nach Möglichkeit zurück zu transferieren. Es wäre definitiv ein Zeitgewinn, würde aber Energie kosten. Energie, die ich gegenwärtig nicht aufbringen konnte. Die Gedanken bohrten Löcher in meinen Magen und trieben mir weiterhin die Tränen in die Augen.

Ich riss mich zusammen, dachte nur daran regelmäßig zu atmen und legte den Rest des Wegs innerhalb einer Stunde zurück. Der Nieselregen blieb an meinem Visier hängen wie winzige Perlen in Spinnweben und ich war geneigt den Helm ab zu nehmen. Ich bemühte mich um eine klare Sicht auf den glitschigen Straßen und fuhr direkt zu Ann, da es inzwischen früher Nachmittag war und sie mich erwartete.

Sie wollte mich herein bitten, aber ich lehnte dankend ab. Ich wollte nur mehr Heim, den Kater versorgen und Holly bei den Hausaufgaben helfen. Sie zog die Stirn nach oben, als könne sie wittern was vorgefallen war. Ich ließ keinen einzigen Satz heraus, den sie hätte mit John verbinden können. Nachdem ich mich bedankt hatte, half ich Holly einen Helm über ihren Kopf zu stülpen.
„Bis morgen", rief ich Ann betont fröhlich zu.

„Was möchtest du heute Abend essen?", fragte ich Holly und half ihr aus den Sachen.
„Das was du möchtest", war ihre Antwort und munter zog sie sich auf einen der Küchenstühle hinauf und breitete Aufgaben vor sich aus.
„Ich habe keinen Hunger", sagte ich. „Du kannst essen was du möchtest!"
Sie blickte mich voll Argwohn an. „Geht es dir nicht gut?", wollte sie wissen. „Hast du geweint?"
„So ähnlich!", sagte ich und rührte einen Brei aus Schinken, Geflügel, Käse und Barbecue-Soße für Calidus zusammen. Nachdem er die Treppen hinab gestürmt und auf das Küchenbord gesprungen war, schnüffelte er an meinen Fingern. Dann sprang er wieder hinunter, schnupperte an meinen Füßen und stellte sich auf die Hinterbeine, um meine Hose besser inspizieren zu können.
„Chloe, du stinkst nach Sex!", sagte er. „Was hast du getan?"
„Doch nicht vor Holly!", warf ich ein.
„Ihr braucht keine Geheimnisse vor mir haben", sagte sie.
Er fuhr ein letztes Mal mit seiner Nase über meinen Handrücken und wandte sich an seinen Teller. „Du hast es getan", sagte er. „Das glaube ich einfach nicht. Das ist verantwortungslos von dir"
„Tut mir leid, Calidus, aber das geht dich absolut nichts an"

„Aber mich!", sagte Holly. „Ist doch gut, wenn sie endlich zusammen sind", sagte sie zu Calidus und fixierte ihn mit ihren grünen Augen. „Dann haben wir wenigstens eine Zukunft"
„Wovon redet sie?", wollte der Kater wissen.
„Ich habe keine Ahnung", warf ich ein und sah über Hollys Schulter in die Hausaufgaben.

„Nächste Woche ist übrigens die Klassenfahrt", sagte sie. „Und deswegen musst du morgen zum Elternabend"
Schon wieder? Und wieso wusste sie besser Bescheid als ich? Sollte ich nicht all diese Dinge im Auge behalten und den Überblick wahren? Ich holte mir einen Zettel aus der Schublade und wollte mir eine Notiz machen, als mein kleiner Freund angeflogen kam und sich demonstrativ für Vermerke anbot.
„Das ist aber nett von dir", sagte ich zu ihm und notierte Elternabend und Klassenfahrt.
„Dann wirst du Mr.Cooper wieder sehen", sagte Holly.
„Was für ein unsympathischer Mensch", ließ Calidus durchblitzen.
„Ja, total ätzend!", bestätigte sie.

Feuermond | Johnny Depp Fan-FictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt