1 | Ultraviolett

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Das triste, morgendliche Grau Londons war an diesem verregneten Junitag noch erdrückender, als ich anfangs angenommen hatte. Die vereinzelten roten Tupfer der Busse und Telefonzellen, waren das einzige, das etwas Farbe in die trostlose Hektik des gewöhnlichen Montags brachte. Abgesehen natürlich von meinem gepunkteten Regenschirm, der durch seine dekadente, dunkelviolette Farbe schiefe Blicke erntete. 

Vielleicht, dachte ich nachdenklich, lag es auch einfach an dem abgenutzten Griff, der aus gelben Plastik bestand und einen Vogelkopf darstellte. Was es auch immer war, es kümmerte mich nicht im geringsten. Der Regenschirm gehörte immerhin nicht einmal mir, sondern meiner Mitbewohnerin Hazel, die ihn sicherlich vermissen würde, sobald sie sich in fünf Minuten auf den Weg zur Uni machte. 

Ich hatte den Schirm in meiner verunsicherten Hektik aus der Garderobe gerissen und war umgehend hinunter zur Busstation geeilt. Und jetzt stand ich hier, zitternd und ein wenig außer Atem. Ich wandte meinen ungeduldigen Blick nach links und stellte erleichtert fest, dass der Bus bereits um die Ecke bog. Doch meine Vorfreude wehrte nicht lange, als ich enttäuscht feststellte, dass dieser völlig überfüllt war. Leise fluchend drängte ich mich hinein, durch die anderen Passagiere hindurch zur hinteren Treppe, wo ich mich am beschmierten Gelände gerade noch festhalten konnte, bevor der Bus sich in Bewegung setzte. 

Genervt seufzte ich, als ich spürte, wie sich eine meiner roten Haarsträhnen aus meiner Frisur löste und in mein Gesicht rutschte. »Na toll, Valerie«, ermahnte ich mich halblaut selbst »Du bist nicht nur zu spät, sondern siehst auch heute wieder bestechend gut aus«. Die anschließenden sieben Minuten Fahrt, versuchte ich panisch meine Haare wieder zu bändigen, die jedoch immer wieder widerspenstig aus der Klammer rutschten. 

Schlussendlich war ich mir sicher, dass ich es schlimmer gemacht hatte und keines Wegs besser. Nachdem ich endlich den überfüllten Bus verlassen hatte, machte ich mich hastig an dem Regenschirm zu schaffen, der einfach nicht aufgehen wollte. »Verflucht!«, zischte ich und versuchte ihn abermals aufzuspannen. Vergeblichst, der Mechanismus klemmte allem Anschein nach.

Nun stand ich also dort auf dem Gehsteig neben der Busstation, dem prasselnde Regen Londons hilflos aufgeliefert. Schlussendlich beschloss ich, da es noch zehn Minuten Gehzeit sein würde, ein Taxi heranzuwinken. Ich stieg sichtlich genervt ein und murrte nur widerwillig die gewünschte Adresse »Lankford & Sons. Die Anwaltskanzlei in der Oxford Street«. 

Der Taxifahrer, ein Schotte mittleres Alters, knurrte nur irgendeine unhöfliche Phrase und fuhr dann los. Völlig niedergeschlagen lehnte ich mich zurück und spürte wie das Regenwasser von meinen Haaren in meinen Nacken tropfte. »Wir sind da, Miss«, murmelte der Fahrer und streckte mir seine Hand entgegen »Das macht dann acht Pfund«. Mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen bezahlte ich und stieg hastig aus. Ich stand direkt vor dem Gebäude der Anwaltskanzlei und fühlte mich völlig verloren. 

Verunsichert huschte ich in die Eingangshalle und stieg in den leeren Aufzug. Gerade hatte ich den obersten Knopf gedrückt, als ein junger Mann den Aufzug betrat. Ich schätzte ihn auf Anfang zwanzig, doch der schwarze Anzug ließ ihn älter wirken. Mit abschätzigen Blick betrachtete er mich von der Seite, sagte aber kein Wort. 

Ich fühlte mich sichtlich unwohl und trat von einem Bein auf das andere. »Schon armselig, wenn man sich keinen Chauffeur leisten kann«, erklärte er schließlich, nachdem sich die Türen geschlossen hatten »Und sich auf die öffentlichen Transportmittel verlassen muss«, der junge Mann verschränkte selbstsicher die Arme und lächelte abfällig über seine eigene Bemerkung.

 Ich senkte beschämt meinen Blick »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht, Sir«, konterte ich halblaut. Der Mann begann zu lachen »Ich kenne Sie, von den Fotos aus der Bewerbungsmappe. Glauben Sie mir, so wie Sie aussehen, können Sie gleich wieder umdrehen und zurück in ihr stinkendes Taxi steigen«. Kaum hatte er den provokanten Satz beendet, kam der Aufzug im obersten Stock an und der junge Mann verschwand eilig um die Ecke. 

Mit hochrotem Kopf sah ich ihm nach. Wie selbstgefällig er doch auftrat, dachte ich und ging zum Empfang. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte die junge Frau und musterte mich fragend. »Ich habe einen Termin bei Mr. Lankford« »Bei welchem?«, ich war in diesem Moment etwas überfordert »Wie bitte?«. Die Frau begann zu lächeln »Ich weiß, es ist etwas verwirrend, aber alle drei heißen gleich mit Nachnamen«. 

Ich überlegte kurz und sagte schließlich »Jaden Lankford«. Die Frau wirkte überrascht »Der junge Mann im Aufzug war Mr. Lankford, wieso sind Sie nicht gleich mit Ihm in sein Büro gegangen?«. Ich wurde schlagartig blass »Ich... ich kenne Ihn noch nicht... ich habe nicht gewusst, dass er...« »Wie auch immer«, unterbrach mich die Frau so höflich wie möglich »Sie können gleich zu Ihm. Die letzte Tür links, ist sein Büro«.

JadenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt