19 | Raison

4K 134 2
                                    

Die Fahrt zu schien eine kleine Unendlichkeit gedauert zu haben. Aber zumindest war der Taxifahrer dieses Mal etwas freundlicher. Ich drückte ihm hastig zwei Pfund als Trinkgeld in die Hand und eilte dann auf das einzige Appartementgebäude in der Straße zu, dass eine dunkelgraue Fassade besaß. 

Was ziemlich ungewöhnlich für die Gegend war, da dieser Stadtteil bekannt für seine klassischen, zeitlosen weißen Fassaden und den bunten Haustüren mit den viktorianischen Türklopfern war. Dieses Mal war ich diejenige die vor Jadens Haustür stand, die Klingel unentschlossen drückte und geduldig auf eine Antwort aus dem Lautsprecher wartete. Ich musste zugeben, dass ich sogar etwas aufgeregt war, ihn wiederzusehen. Ungeduldig wippte ich mit meinen Füßen vor und zurück.

 Das leise Surren des Türöffners ertönte plötzlich. Eilig ging ich durch die Rezeption, betrat den Lift und fuhr in den obersten Stock. Als sich die Fahrstuhltüren öffneten erwartete mich bereits Jaden. Sein Gesicht wirkte in dieser kühlen Beleuchtung des Flurs geisterhaft blass und gekränkt. Verunsichert trat ich auf ihn zu »Ich... ich wollte mich für vorhin entschuldigen«, erklärte ich leise »Es war nicht richtig seinen Arbeitgeber einfach stehen zu lassen«. Jaden sagte nichts, sondern griff nach meiner Hand.

 Ich ließ es wortlos zu, dass er mich in sein Penthouse führte. Die Lichter der Stadt leuchteten ungewöhnlich hell durch die hohen Fenster. Nur ein kleines blaues Neonschild neben Jadens kleiner Bar erleuchtete den Raum. Ich sah, dass dort auf dem Tisch zwei leere Flaschen Wein standen. Jaden hatte schon wieder getrunken. Er bemerkte meinen Blick »Willst du auch etwas?«, seine Stimme klang heiser.

 Ich nickte zögerlich »Wieso nicht«. Mit einem Schulterzucken ließ ich meine Tasche zu Boden fallen und beobachtete wie er ein neues Glas aus der Küche holte, eine neue Flasche Whiskey hervorzog und mir großzügig einschenkte. Mit zittrigen Händen reichte Jaden mir das volle Glas. Ich nahm es dankend entgegen. Der Alkohol schmeckte unangenehm scharf und brannte auf der Zunge. Ich musste plötzlich husten. Währenddessen hatte Jaden einen großen Schluck aus der Flasche genommen und musterte mich mit glänzenden Augen.

 Ich schenkte ihm ein verunsichertes Lächeln »Mein erster Whiskey«, erklärte ich beschämt. Das Grün in seinen Augen flackerte auf »Ich habe auch Wein da, wenn du willst«, sagte er fast entschuldigend. »Nein«, entgegnete ich seiner Gastfreundschaft »Er schmeckt gut, wenn auch ein bisschen gewöhnungsbedürftig«. Jaden lachte »Wie alles, dass irgendwie amerikanisch ist«. Er nahm noch einen Schluck aus der Flasche. Ich tat es ihm gleich und stellte nach ein paar Minuten des Schweigens das leere Glas auf die Bar. 

»Danke für den Drink, Jaden«, flüsterte ich als Zeichen, dass ich nun gehen würde. Der Alkohol schien uns beide etwas aus der Fassung zu bringen, denn er hielt mich an den Handgelenk zurück und ich war, aus irgendeinem Grund, froh darüber. Die Worte von Jaden, die nun folgten, bestätigte eine Vermutung: 

»Liebe macht süchtig. Und jeder weiß, dass uns jede Sucht am Ende zerstört«, flüsterte er mit rauer, gedämpfter Stimme. Ein bitterer Geruch von kaltem Whiskey drang aus seinen Lippen. Seine grünen Augen glänzten matt in dem blauen Neonlicht neben uns. Nach einem kurzen Schweigen fügte er lächelnd hinzu »Aber du bist es wert, davon abhängig zu werden, Valerie«.

JadenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt