25 | Tourmente de Neige

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Die Regent Street war an diesem verschneiten Dezemberabend trotz der beißenden Kälte völlig überfüllt mit eilenden Passanten, quengelnden Kindern und hupendend Taxis. Noch dazu kam die kitschige rot-orange glitzernde Weihnachtsbeleuchtung über mir und in den Schaufenstern der bereits schließenden Geschäften leuchteten die surrenden Neonschilder, die einen weiteren Preisnachlass auf Produkte anpriesen. All das Schlug wie eine reißende Welle aus blinkenden Farben und betäubenden Geräuschen über mir zusammen. Ich hielt kurz an einer der Bushaltestellen inne und schloss die Augen. 

Ein eisiger Windstoß kroch durch den Stoff meiner Kleidung. Ich spürte wie mich jemand von hinten leicht anrempelte und ein halbherziges »Sorry« nuschelte. Mit einem Seufzen setzte ich meinen Weg fort, wobei mir erst jetzt klar wurde, dass ich auf der Suche nach etwas Ruhe war und mit dem Gedanken spielte einfach in einer der ruhigeren Gassen abseits des Getümmels zu verschwinden. 

In die kleinen Straßen des wirklichen Londons, in denen die winzigen Läden nach Zimt um diese Jahreszeit rochen und die Lichter in den alten Backsteinhäusern in einen warmen, freundlichen Orange leuchteten. An die geheimen Orte und Plätze wo noch nie eine rote Telefonzelle fotografiert wurde und wo der Tee in dem Cafe mit nur drei Tischen noch britisch schmeckte. All das wäre jetzt besser als der leere Schein der Regent Street, besser als der schiefe Weihnachtsbaum am Trafalgar Square und dem gestellten Lächeln der Touristen auf der Westminster Bridge

 »Val!«, Hazels aufgeregte Stimme drang nur schwer durch den Lärm der Straße zu mir hindurch. Mit einem müden Lächeln auf den Lippen wandte ich mich in ihre Richtung um. Ihre Wangen waren ganz rot von der Kälte und in ihren roten Haaren hatten sich Schneeflocken verfangen, die langsam schmolzen. Sie war in Begleitung ihres Freundes Lewisham, den sie hastig mit sich am Arm hinterherschleifte.

 »Val! Warte auf uns«, rief sie noch einmal in meine Richtung. Hazel war schon seit Wochen aufgeregt gewesen mir endlich Callum vorstellen zu können. Und ich musste zugeben, dass ich jetzt auch wusste warum sie so vernarrt in ihn war. Ich hätte spätestens jetzt an seiner Körperhaltung und dem aufmerksamen Blick erkannt, dass er in der British Army diente. Er war ungewöhnlich groß, besaß dunkelgrüne Augen und kurze hellbraune Haare. Auf seiner linken Wangen war eine winzige Narbe, die ich erst erkennen konnte, als er direkt vor mir stand. 

»Ich bin Callum«, stellte er sich vor und lächelte freundlich »Und du musst Valerie sein«. Ich nickte »Ja, es freut mich riesig endlich Hazels Freund kennenzulernen. Sie hat wirklich unheimlich viel von dir erzählt...«. Amüsiert tauschte er einen Blick mit Hazel »Ach wirklich?«. Hazel begann zu lachen »Wie oft den noch Callum... du bist in der British Army... nicht als Spion beim MI6« »Aber ich sehe doch zumindest genau so gut aus wie James Bond, oder?«. Sie gab ihm einen leichten Stoß mit dem Ellbogen in die Seite »Fast«. 

Mein Blick schweifte schließlich von den beiden ab und wanderte hinter Callum zu einem der Schaufenstern. Zwischen den roten Kugeln, dem Kunstschnee und den goldenen Girlanden bemerkte ich ein bekanntes Gesicht. Mein Körper wurde starr und ich fühlte wie sich eine betäubende Leere in meinem Bauch ausbreitete.

Hazels Stimme neben mir wurde immer leiser. Ich schluckte schwer und beobachtete den jungen Mann der selbstsicher aus dem Schmuckgeschäft trat, den Kragen seiner schwarzen Jacke nach oben faltete und dann in einem dunkelblauen Mercedes einstieg. Doch bevor der Chauffeur die Tür schloss warf Jaden noch einen letzten Blick auf mein blasses, ausdrucksloses Gesicht. 

JadenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt