26 | Opiniâtreté

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Mein Mund fühlte sich selbst dann noch trocken an, als ich das zweite Glas Ale ausgetrunken hatte. Jadens grüne Augen hatten sich in mein erschöpftes Gedächtnis eingebrannt und glänzten wie matte Smaragde aus einer schier endlosen Dunkelheit hervor. Mit zitternden Händen stellte ich das leere Glas zurück auf den Tisch und musterte Hazel. »Was denkst du davon?«, fragte sie mit einem amüsierten Lächeln. »Was?«, fragte ich sichtlich verwirrt und verschränkte die Arme. »Hast du überhaupt zugehört, Val?«, fragte sie leicht besorgt. Ich neigte meinen Kopf ein wenig zur Seite und murmelte beschämt »Nein, ich war kurz wo anders mit meinen Gedanken... sorry«. 

Hazels Blick fiel auf mein leeres Glas »Ich denke du solltest ein Glas Wasser trinken... oder zumindest eine Limonade«, sie wandte sich Callum zu »Wärst du so lieb?«. Keine zehn Sekunden später war ihr Freund bereitwillig in dem überfüllten Pub Kings Arms in Richtung der Bar verschwunden. Hazel griff hastig über den Tisch und faste meinen rechten Arm »Was ist nur los mit dir? Du weißt doch wie wichtig mir dieser Abend ist«. Ich senkte traurig den Blick auf meine Schuhe hinab und zuckte mit den Schultern »Ich weiß selbst nicht was mit mir los ist...«, gestand ich flüsternd »Ich fühle mich etwas unwohl«. Hazel löste ihren Griff wieder »Okay«, ihre Stimme klang nun etwas leiser »Aber du würdest mir sagen wenn etwas nicht stimmt, richtig?«. Mit einem schweren Seufzen antwortete ich »Ja, das würde ich«. 

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Ich verließ das Kings Arms schließlich alleine gegen zehn Uhr, da Hazel den restlichen Abend mit Callum verbringen wollte. Natürlich hatte sie mich eingeladen zu bleiben, aber in meiner momentane Verfassung bestand ich darauf nach Hause zu gehen und mich auszuruhen. Die Stufen des Pubs waren bedeckt mit frischen Schnee, der leise unter meinen Sohlen knirschte. London schien plötzlich wie ein stummes Gemälde vor mir zu liegen, als ich auf dem leeren, spärlich beleuchteten Gehsteig stand. Die kalte Luft schnitt über meine Wangen und ließ meine Finger steif werden.

 Einsam schlenderte ich die Gasse hinab in Richtung der Regent Street und hörte schon bald das Getümmel der Straße nur wenige Meter vor mir. Noch ein letztes Mal wandte ich mich um, als erhoffte ich mir jemanden anzutreffen, doch es lag nichts außer Stille hinter mir. Meine grundlose Enttäuschung verwandelte sich plötzlich in rasende Wut und erstickende Traurigkeit. Meine Augen füllten sich mit heißen Tränen, während ich mit dem Rücken der Regent Street zugewandte die leere Gasse hinunterblickte. Ich ballte meine tauben Hände zu Fäusten. »Ich bin wegen dir fast hier draußen erfroren«, ich zuckte erschrocken zusammen. Jaden trat plötzlich hinter einer Ecke unmittelbar neben mir hervor. Seine linke Hand war tief in der Tasche seiner Jacke vergraben während er mit der rechten seine halb heruntergebrannte Zigarette achtlos zu Boden warf. 

»Du hättest ruhig einmal aus dem Fenster sehen können, Valerie«, seine Worte klangen vorwurfsvoll und dennoch völlig bedeutungslos. Wir standen nur zwei Meter von einander entfernt. Plötzlich trat Jaden zwei Schritte nach vor, er war nun so nah, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten. »Liebe macht süchtig. Und jeder weiß, dass uns jede Sucht am Ende zerstört«, flüsterte er mit rauer, gedämpfter Stimme. Ein bitterer Geruch von kaltem Rauch drang aus seinen Lippen. Seine grünen Augen glänzten matt in dem blauen Neonlicht über uns. Nach einem kurzen Schweigen fügte er lächelnd hinzu »Aber du bist es wert, davon abhängig zu werden, Valerie«.

 Ich wusste zuerst nicht was ich darauf sagen sollte, geschweige denn welche Reaktion richtig war. Schlussendlich wich ich von ihm »Verschwinde«, knurrte ich drohend »Du hast schon genug angerichtet... und deine Worte sind genau so leer wie dein falsches Lächeln, Jaden«. Seine grünen Augen leuchteten auf »Genau wie früher«, murmelte er amüsiert »Genau wie die kleine, hilflose Valerie von damals«. Mit diesen provozierenden Worten zog er einen zusammengefalteten Zettel aus seiner Jackentasche und streckte ihn mir erwartungsvoll entgegen. Verwirrt griff ich danach und wollte dann wissen was das zum Teufel war. Jaden jedoch ignorierte meine Frage gekonnt und sagte nur mit gedämpfter Stimme in die Stille zwischen uns »Sei pünktlich«. 

JadenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt